Tatort BASF – eine Spurensuche
Mannheim. Am 26. April 2023 lud die Kampagnengruppe Plough-Back-the-Fruits (http://basflonmin.com/home/de/who-we-are/) zusammen mit dem Dachverband Kritischer Aktionäre zu einer Veranstaltung im Ökumenischen Zentrum SanctClara ein. Referenten waren Vertreter aus verschiedenen Kontinenten – Asien – Afrika und Europa. Einen Tag vor der Aktionärshauptversammlung ging es darum, einen anderen Blick auf die Geschäfte des multinationalen Chemiekonzerns zu richten, der sich als nachhaltig und in Verantwortung für die Gesellschaft und mehr oder weniger als Wohltäter der Menschheit zu präsentieren beliebt. Wie sehen die Wohltaten konkret aus?
Tatort Südafrika
Vor 11 Jahren fand das Massaker von Marikana statt – in einer Mine, die der BASF Platin für Katalysatoren liefert. Dort wurden bei einem Streik um bessere Lebens-und Arbeitsbedingungen 34 Arbeiter von der Polizei erschossen. Mittlerweile wurde die Mine von Lonmin an Sibanye – Stillwater verkauft. „Ehren, sich engagieren, gestalten“ – mit dieser Trias versprach Sibanye-Stillwater das schwere Erbe von Marikana anzunehmen. Das eigens dazu gestartete „Marikana Renewal Programe“ sollte dazu dienen, sich vom negativen Image von Lonmin abzusetzen, u.a. sollten den überlebenden Angehörigen die ihnen versprochene Häuser endlich fertiggestellt werden und etliches mehr.
Heute kann man sagen: große Worte und Ankündigungen – gefüllt mit stinkenden Luftblasen. Asanda Benya, eine südafrikanische Soziologin, Online zugeschaltet, hat in einer umfangreichen sozioökonomischen Studie festgestellt, dass sich die Situation in Marikana für die Arbeiter und für die Bewohner der Armutssiedlung trotz aller großspurigen Versprechungen kaum verbessert, teils sogar noch verschlechtert habe. https://www.brot-fuer-die-welt.de/blog/2022-warten-auf-wuerde-und-gerechtigkeit/
BASF bezieht noch immer von dort Platin, zwar angeblich relativ wenig, aber damit hat sie eine Lieferkettenverantwortung, die sie auch nicht leugnet. Eine wiederholt auf der Hauptversammlung geforderte Entschädigungszahlung für die Marikana-Opfer lehnt der Chemiekonzern seit Jahren ab. Es soll kein Präsendenzfall geschaffen werden.
BASF O-Ton auf ihrer homepage zu Marikana: „Unsere Haltung gegenüber allen unseren Lieferanten ist, dass wir verantwortungsvoll handeln und dasselbe von unseren Partnern erwarten. Auf Basis einer Risikobewertung unserer Lieferanten führen wir Nachhaltigkeitsprüfungen über unabhängige Auditoren oder Dienstleister durch. Wann immer uns Verstöße bekannt werden, drängen wir darauf, diesen abzuhelfen…(…) Im Jahr 2019 beschlossen Sibanye-Stillwater und BASF, im Rahmen ihrer Stakeholder-Dialoge zusammenzuarbeiten und die Kooperation zwischen den Anspruchsgruppen zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern.“
Mit Sibanye habe man einen Handlungsplan erarbeitet, „um einen einheitlichen Ansatz für die Entwicklung der Kommunen zu verfolgen “ Unser Lieferant Sibanye-Stillwater hat ein neues Leitbild der Versöhnung und Erneuerung von Marikana entwickelt, das langfristige, nachhaltige Programme zum Aufbau der lokalen Gemeinschaften rund um Marikana vorsieht. (….)“BASF und andere südafrikanische Bergbaubetriebe seien Teil einer sogen. Nachhaltigkeitsinitiative „ um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in den Gemeinden rund um die Minenbetriebe zu verbessern.
Doch leider, die Wirklichkeit in Marikana hinkt diesen Ausführungen erbärmlich hinterher. Dies schilderte der Journalist Niren Tolsi auf der Veranstaltung eindringlich.
Niren Toilsi, der sich auch auf der Hauptversammlung direkt an den BASF-Vorstand wandte, hat über 10 Jahre lang das Leben der von dem Massaker betroffenen Angehörigen begleitet. Er wollte „die tatsächlichen Kosten des Massakers“ dokumentieren.
Der heutigen südafrikanische Präsident Ramaphosa war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Aufsichtsrats von Lonmin. Ein Schock ging damals durch das Land: Erstmals seit Apartheidzeiten hatte der südafrikanische Staat wieder Waffengewalt gegen seine Bürger ausgeübt. Das Massaker stellte einen Wendepunkt für die südafrikanische Gesellschaft dar und hinterlässt tiefe Wunden. (nach Brot für die Welt) .
Tolsi erinnerte an die Ereignisse: „17 Männer (wurden) von der Polizei in acht Sekunden niedergemäht. Siebzehn weitere Männer wurden zu einem Hügel in der Nähe gejagt und getötet – viele von ihnen versteckten sich oder flohen vor der Polizei. Elf Männer wurden in den Rücken geschossen, vier in den Hals oder in den Kopf. Sie wurden ermordet. Bis heute wurde kein einziger Polizist für die 34 Todesfälle vom 16. August 2012 angeklagt, und die Gerichtsverfahren ziehen sich in die Länge.“ (…)
Tolsi berichtete von der Witwe Nokuthula Zibambele, deren Mann unter den Opfern war. Sie hatte sechs Kinder. Als besondere soziale Geste wurde seinerzeit hervorgehoben, dass Lonmin den Witwen einen Arbeitsplatz anbot. Nokuthula Zibambele putzte Büroräume und Toiletten – bis heute – „weil sie keine andere Möglichkeit hatte, ihre sechs Kinder und die Großfamilie, die ihr Mann unterstützte, mit Essen und Kleidung zu versorgen.“ Ihre älteste Tochter Sandisa wurde die Verantwortung für das Haus im ländlichen Ostkap übertragen. Sie musste den Haushalt führen, den Gemüsegarten und das Vieh pflegen, sich um ihre Geschwister zu kümmern, die noch zu jung waren, um die Schule zu besuchen. Sie brach unter der Last dieser Verantwortung zusammen und beging Selbstmord, indem sie Rattengift trank.
Tolsi: „Mehr als ein Jahrzehnt nach den Todesfällen in Marikana sind die sozialen Bedingungen in den informellen Siedlungen rund um den Bergbaubetrieb von Sibanye-Stillwater immer noch dieselben. Die Behausungen sind Hütten aus Wellblech, Holz und Karton. Strom gibt es nur illegal, Wasser fließt nur aus einigen Hähnen. Die Straßen sind mit Müll übersät.
Kinder wälzen sich im Dreck und zaubern Spiele aus dem Müll. Es gibt keine öffentlichen Sportplätze für sie, keine Sportvereine, keine Spielplätze, Parks, oder Bibliotheken. Man hat das Gefühl, dass selbst die entschlossensten Träume in diesem Elend zerbrochen sind. (…)
Die schlechten sanitären Verhältnisse in dem Gebiet wurden mit den Fällen von Lungentuberkulose und Bilharziose in Verbindung gebracht. (…)
Die Abhängigkeit der Bewohner von illegalen Stromanschlüssen hatte zu tödlichen Stromschlägen geführt: Mehr als sieben Menschen starben, als sie im Jahr 2021 versuchten, einen illegalen Anschluss herzustellen. Zwei Kinder erlitten beim Spielen einen Stromschlag. Der Zugang zu Wasser bleibt begrenzt.
Als Sibanye-Stillwater den Bergbaubetrieb von Lonmin kaufte, kaufte es auch seine Verantwortung gegenüber den Familien der toten Männer, den während des Massakers verletzten Bergarbeitern (von denen viele aufgrund ihrer Verletzungen nicht arbeiten können) und der Gemeinde Marikana selbst.
Ich habe mir das Unternehmensprofil von Ihnen angesehen, die BASF-Jahresberichte gelesen und gesehen, was Sie auf ihrer Marikana-Website geschrieben haben, wo Sie sich selbst, als ein best practice Beispiel für die deutsche Industrie darstellen, wo Sie behaupten, sich für saubere Lieferketten einzusetzen.
Doch die Zustände in Marikana sprechen eine andere Sprache, sie zeugen von einer anderen Realität. (…) Die Minenarbeiter sprechen von dem hohen Produktionsdruck, sie sprechen von laxen Gesundheitsstandards und sie sprechen von ausgehebelten Sicherheitsstandards.
Sibanye-Stillwater hat in der südafrikanischen Bergbauindustrie den Ruf, die brutalen Cowboys der Branche zu sein, denen es vor allem um die Maximierung von Profiten geht.
Im Jahr 2018 zählte das Unternehmen 25 der 60 vom Department of Mineral Resources (Ministerium für Bodenschätze) erfassten Todesfälle im Bergbau – die höchste Todesrate in der Branche…“
“Ob tot oder verarmt – es geht um das Leben von Menschen. Wenn Sie, die BASF, so tut als ob sie sich für saubere Lieferketten einsetzt, dann ist sie auch diesen Menschen verpflichtet (…)“
Tatort Ludwigshafen – Steuervermeidung und die Verschuldung der Stadt
Ludwigshafen ist mit ihren 170.000 Einwohnern der Hauptsitz des weltgrößten Chemiekonzerns, der BASF SE mit weltweit 111.000 Beschäftigten, sechs Verbundstandorte und 233 weitere Produktionsstandorte in 91 Ländern. In 2022 hatte BASF ca. 87 Mrd Euro Umsatz und ein Ergebnis (EBIT vor Sondereinflüssen) von 6,8 Mrd Euro.
Die BASF schüttet dieses Jahr an die Aktionäre eine Dividende von insgesamt 3 Mrd. Euro aus. Das sind 3.000 Millionen Euro. Sie bezahlt diese Summe aus ihrem Eigenkapital. (cash flow). Denn sie weist ein negatives Ergebnis aus wegen 7,3 Mrd. Abschreibungen durch das verlustig gegangene Russland-Geschäft ihrer Tochter Wintershall-Dea und der Nordstream AG – andererseits eine Gelegenheit, wieder wenig oder kaum Steuern zu entrichten.
Im 1. Quartal 2023 diesen Jahres hatte sie bereits wieder einen Gewinn nach Steuern von 1,56 Milliarden Euro. Dieser Gewinn entspricht dem Schuldenstand der Stadt Ludwigshafen.
Die hohe Verschuldung prägt das Gesicht der Stadt. Die Innenstadt ist für Bewohner und Besucher mittlerweile „eine einzige Katastrophe“ (Rheinpfalz 15.4.2023). Ludwigshafen ist eine der am höchsten verschuldeten Städte Deutschlands. Die pro Kopf-Verschuldung ist mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Das Eigenkapital der Stadt geht gegen Null. Es ist kaum mehr kommunales Tafelsilber vorhanden. Was noch da ist, wird wohl in den nächsten 10 Jahren verkauft, denn innerhalb von 10 Jahren will die Stadt – gezwungen durch die kommunale Aufsichtsbehörde – ein hartes Sparprogramm durchziehen, um schuldenfrei zu werden.
Der Stadtrat hat im Frühjahr 2023 ein Sparprogramm von 42 Millionen Euro beschlossen. Das bedeutet ein radikaler Abstrich an sozialen und kulturellen Leistungen, an all dem, auf das vor allem ärmere Familien und Kinder angewiesen sind, insgesamt ein enormer Abstrich an Lebensqualität für (fast) alle in dieser Stadt. (KIM berichtete dazu mehrfach).
Eingespart wird bei der Pflege von Sport- und Grünanlagen, die schon jetzt in einem erbärmlichen Zustand sind, bei der Kultur wie Theater (240.000 Euro weniger), bei der Renovierung der bundesweit berüchtigten Notwohnungen, Einsparungen bei der Hausaufgabenhilfe, wo Ludwigshafen schon jetzt in Rheinland-Pfalz die meisten Schulabgänger ohne Abschluss hat – auch bei der Rattenbekämpfung, bei Städtischen Veranstaltungen – und das ist nur ein ganz kleiner Auszug aus der Sparliste.
Die zentrale Veranstaltungshalle (Eberthalle) und viele städtische Immobilien sind sanierungsbedürftig, Gemeinschaftshäuser verfallen (Pfingstweide). In den knapp 50 Schulen gibt es einen Sanierungsstau von 250 Mill. Euro. Notwendige Sanierungen werden erneut verschoben. Wie soll die Klimapolitik und die Verkehrswende in einer solchen Stadt gelingen? Gar nicht.
Der neueste Bericht des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) erreicht LU gerade mal knapp ausreichend. Der Pendlerradschnellweg liegt aus finanziellen Gründen auf Eis. Keine im Radverkehrskonzept genannte Lücke ist geschlossen worden (Rheinpfalz 3.5.23) Für die Kontrolle von Parkern auf den Fahrradwegen oder gar des zunehmenden Autoverkehrs in der Fußgängerzone gibt es nicht genügend Personal. Von den hunderten von Millionen, die die Sanierung und Neubau der Hochstrassen kostet, reden wir hier gar nicht.
Ludwigshafens neuester Negativrekord: sie ist die am stärksten versiegelte Stadt Deutschlands (gleich dahinter folgt Mannheim). Ursache der hohen Versiegelungsrate ist die BASF. Damit ist Ludwigshafen besonders bei Starkregen gefährdet durch Überschwemmungen und hohe sonstige Schäden. Ja, und das Kanalnetz ist ja auch marode.
Im sogen. Dynamic-Ranking (IW-Consult) von 71 Städten über 100.000 Einwohnern in Deutschland, was Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Lebensqualität und Wohnen und die künftige Entwicklung betrifft, landet Ludwigshafen auf Platz 69, u.a. auch weil 2.400 Kitaplätze fehlen und wegen des niedrigen Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner. Da steht Ludwigshafen an letzter Stelle. Man erkennt unschwer, diejenigen die gut verdienen bei der BASF, ziehen es vor, nicht in dieser Stadt zu wohnen. (https://www.iwconsult.de/aktuelles/projekte/staedteranking-2022, Bodenwellen und bröckelnder Beton, Rheinpfalz 24.1.2022)
Ein unglaublich dramatischer Niedergang einer Stadt, in der der umsatzstärkste Chemiekonzern der Welt residiert, eine Stadt, in der Gewerbesteuereinnahmen sprudeln müssten.
Die BASF gibt in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2022 eine Gewerbesteuer aller BASF-Gesellschaften in Deutschland mit 198 Mio. Euro an. Es gibt ca. 30 Standorte. Ludwigshafen hatte für 2022 rund 170 Mio Gewerbesteuer insgesamt angesetzt. Da die restlichen Betriebe schon im Corona-Jahr immerhin 75 Mio. entrichteten, darf man davon ausgehen, dass sie in besseren Jahren über 100 Mill. Euro liegen. Bleibt für die BASF in LU ein Betrag, der weit unter 100 Mio. Euro liegt. Vermutlich zahlten sie kaum 50 Mio Euro oder weniger. Das ist Spekulation. BASF hätte dies auf ihrer Hauptversammlung widerlegen können. Sie lehnte es ab. Sie werde heute und auch künftig nicht bekannt geben, welche Steuer sie in der jeweiligen Kommune bezahle.
Auf jeden Fall kann man feststellen: in keinem Jahr von 2010 – 2022 und auch nicht in den Folgeplanungen kommt Ludwigshafen mit der BASF und all ihren Betrieben (viel größere als in Ingelheim) auch nicht annähernd auf eine Gewerbesteuer wie Ingelheim. Ingelheim hat gerade mal ein Viertel der Einwohner von LU und erzielte in 2021 266 Mio. Euro Umsatz, vor allem durch Böhringer, einem internationalen Pharma-Konzern mit einem Umsatz von ca. 20 Mrd Euro (BASF 87 Mrd. Euro). Ludwigshafen liegt immer unter 200 Mio. Euro Gewerbesteuer. Warum?
BASF betreibt geschicktes Steuer-Dumping – legal, aber kommunal verheerend.
Eine im KIM zu diesem Thema bereits zitierte Studie aus dem Jahr 2016 der GRÜNEN-Europafraktion zur Steuerstrategie der BASF charakterisierte deren Steuerpraxis als perfide und vergleichbar mit derjenigen von Apple und Ikea. Bei der tax optimization (Steueroptimierung) wie die BASF dies nennt, spielen eigenständige Tochtergesellschaften im Ausland eine große Rolle. Dabei nutzt die BASF vor allem die Steueroasen in Belgien, Malta und den Niederlanden.
Im Zentrum des Steuersparmodells von BASF stehen die Niederlande, denn in den Niederlande müssen nur 5 % der Einkommen aus Lizenzen und Patenten versteuert werden. Über das holländische Firmennetz gelangen außerdem in der EU erwirtschaftete Gewinne in niedrig besteuerte Tochtergesellschaften auf Puerto Rico und in der Schweiz. In Malta winkt eine großzügige Steuerbefreiung auf Dividendenerträge.
BASF Niederlande B.V. konnte mit einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro in 2015 zum Beispiel seine Steuerlast auf 0,035 Prozent drücken.
Was sagt die BASF dazu? Es liege in der „Souveränität der einzelnen Länder, Investitionen mit steuerlichen Anreizen zu fördern“. Man habe nicht mehr getan, als diese zu nutzen. Alles legal – leider wahr.
Wolfgang Haas, der Steuerexperte der BASF, erklärte vor einem EU-Ausschuss, „Steuern sind Kosten, als börsennotiertes Unternehmen stehen wir gegenüber unseren Aktionären in der Pflicht, Kosten so gering wie möglich zu halten.“ Und selbstverständlich spielten nationale Steuern auch bei Investitionsentscheidungen eine Rolle. Letzteres ist die versteckte Drohung an die Kommunen und Länder, steuerliche Änderungen könnten Arbeitsplätze kosten. Das wirkt.
Auch wenn die Studie älter ist, und mittlerweile die EU ein paar Steuerschlupflöcher stopfte, darf man davon ausgehen, dass das Steueroptimierungsmodell der BASF fortgesetzt weiterentwickelt und verfeinert wird – wenn diesen Praktiken nicht endlich gesetzliche Grenzen gesetzt werden.
Die Steueroptimierung ist ja nicht das einzige Bonbon für die Anteilseigner. Das andere sind die permanenten Einsparungen an den Personalkosten. So hat Vorstandsvorsitzender Brudermüller eine neue Runde eines Kostensparprogramms angekündigt.
BASF „Nach Abschluss des Programms erwartet BASF jährliche Kosteneinsparungen von mehr als 500 Millionen Euro in Einheiten außerhalb der Produktion, also in Unternehmens- und Service-Bereichen, in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie in der Konzernzentrale. Etwa die Hälfte dieser Einsparungen werden am Standort Ludwigshafen erwartet. „Es sollen insgesamt 5.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, davon allein 2.500 in Ludwigshafen.“
https://www.basf.com/global/de/media/news-releases/2023/02/p-23-131.html
Und da die Unternehmen künftig ihre Umstellung auf erneuerbare Energien von der Steuer absetzen können, kommen noch härtere Jahre auf die Kommunen zu, die das Pech haben, einen multinationalen Konzern zu beherbergen.
Statt Steuern Sponsoring – eine schlechte Alternative
Dafür kommen die Kommunen dann in die Gnade von Spenden. Wer viel Steuern spart, gefällt sich gerne in der Pose des Wohltäters durch Sponsoring. Der Konzern, nicht der Stadtrat entscheidet dann, was gefördert wird und in welcher Höhe. Ein spendenfinanziertes soziales und kulturelles Leben in einer Stadt hebelt die Demokratie aus. Erinnern wir uns an den Vorspann der Ludwigshafener Filmfestspiele und das dabei immer wieder erfolgte Verbeugen vor dem Platin-Sponsor BASF!
Aber auch das Spenden fällt offenbar nun unter die Kostensparpläne des Konzerns. Die Gräfenau-Schule im Hemshof beklagt öffentlich, dass 40 Grundschüler – ein Drittel der Schüler/innen – das erste Schuljahr wiederholen müssen aufgrund mangelnder Deutsch-Kenntnisse und sonstiger gravierender Schulmängel und Nachteilen.
Dank BASF erhalten 12 (!) Schüler/innen die Möglichkeit einer intensiveren schulischen Förderung – für eine Spende von sage und schreibe 8.500 Euro/Jahr. Wenn das Jahr zu Ende sei, sagt die Schulleiterin, ende des Projekt, und sie müsse neue Geldgeber suchen. Wir erinnern: Die BASF schüttet im Mai 2023 eine Dividende von 3.000 Millionen Euro aus. Den Herren im Vorstand müsste eigentlich die Schamesröte ins Gesicht steigen. Aber so funktionieren Konzern-Vorstände nicht, sonst säßen sie nicht dort.
Wir brauchen eine internationale einheitliche Gesamtkonzernsteuer, Steuertransparenz ,effektive Steuerkontrollen – einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber – und ein kritisches Betrachten der BASF vor Ort; sie darf nicht sakrosankt sein.
Tatort China
China – profitiert die BASF von der Ausbeutung uigurischer Zwangsarbeiter*innen?
Haiyuer Kuerban vom World Uyghur Congress sprach von der Unterdrückung des uigurischen und anderer Türkvölker durch die chinesische Regierung. Es gebe 1.400 Internierungslager, Zerstörung von Jahrtausende alten Kulturgütern, Zwangsarbeit, Totalüberwachung, Indoktrination, Trennung von Familien, Zwangssterilisierung – und Betriebe, die davon profitierten.
Er konfrontierte die BASF mit folgendem Vorwurf: „In dieser Region betreibt die BASF zwei Joint Ventures mit dem chinesischen Unternehmen Xinjiang Markor Chemical Industry in der Korla Economic Development Technology Zone der Stadt Korla. In den beiden Joint Ventures der BASF arbeiten auch Uiguren. Laut offiziellen chinesischen Dokumenten wurden tausende uigurische Arbeiter in diese Industriezone der Stadt Korla unfreiwillig transferiert. Dort müssen Sie unter Bedingungen arbeiten, die in einem sehr starken Verdacht der Zwangsarbeit stehen. (..)“
Besorgniserregend sei, dass „der BASF Joint Venture Partner Xinjang Markor Chemikal indirekt im Besitz der Xinjiang Zhongtai Group ist. Diese ist aktiv an den uigurischen Arbeitstransfers der chinesischen Regierung beteiligt, sowie an Indoktrinierung und Überwachung von uigurischen Arbeitern.“
Er zweifelte die Versicherung der BASF an, in ihren Joint Ventures käme es zu keiner Zwangsarbeit und man habe Überprüfungen durchgeführt.
Der Dachverband Kritischer Aktionäre forderte, dass sich die BASF aus Ostturkistan/Xinjiang zurück zieht, denn die Unterdrückung der Uigur:innen sei zu umfassend, und eine unabhängige Überprüfung aufgrund der staatlichen Repression nicht möglich.
DKA: Nichtentlastung des Vorstands wegen sklavenarbeitsähnlichen Arbeitsbedingungen auf brasilianischen Reisfarmen
Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionäre prangerte auf der Hauptversammlung das Schicksal von 85 Menschen in Brasilien an, darunter 11 Minderjährige zwischen 14 und 17 Jahren, die dort aus unfassbar unmenschlichen Arbeitsbedingungen befreit wurden. Die Menschen berichteten über Arbeit ohne Anmeldung und Versicherungsschutz, pausenlose Arbeit, Unterbringung ohne sanitäre Einrichtungen sowie Essens- und Flüssigkeitsmangel auf dem Feld. Wer deshalb in Ohnmacht fiel, erhielt für diese Zeit keinen Lohn. Pestizide wurden ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, auch von Minderjährigen.
„In diesem Zusammenhang hat das brasilianische Arbeitsministerium BASF als „de-facto Arbeitgeber“ bezeichnet, da die Kooperation mit den betroffenen Farmen über einen bloßen Saatgut-Abnahmevertrag hinausgeht. Reisfarmen vermehren von BASF gezüchtetes Reissaatgut und liefern es wieder an BASF. Das mit der BASF verbundene Fachpersonal habe auch an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt, in dem es die Anzahl der einzustellenden Arbeitskräfte angegeben und das Arbeitsvolumen und die Form der Bereitstellung auf täglicher Basis kontrolliert habe.
„Uns wurde nun letzte Woche aus Ihrem Intranet ein Dokument – ein schriftliches Interview mit Ihrem Compliance-Chef – zugespielt, aus dem Ihre Reaktion auf den Fall deutlich wird. Demnach haben Sie mit einer der Reisfarmen den Vertrag gekündigt, da diese keine direkte Verantwortung anerkennt. Im zweiten Fall bleiben Sie im Vertrag, da die Farm Verantwortung anerkennen würde und Besserung versprochen habe.
„Wenn wir Ihren Aussagen zur Achtung der Menschenrechte oder auch dem Arbeitsschutz beim Einsatz Ihrer Agrargifte ernst nehmen, dann hätten diese Vorfälle gar nicht stattfinden können. Erläutern Sie bitte: Wie wollen Sie potenziell ähnliche Fälle in Zukunft anhand Ihrer Risikoanalysen eigenständig erkennen und beenden können?“ https://www.kritischeaktionaere.de/basf/de-facto-arbeitgeber-bei-sklavenarbeitsaehnlichen-arbeitsbedingungen-in-brasilien-rede-von-tilman-massa/
(frr)