Gedenkveranstaltung für Rouven Laur

Specht: „Die Frage von Gut und Böse ist keine Frage von Religion, Herkunft oder Hautfarbe.“ 

Um die 1.500 Menschen waren es (lt. Mannheimer Morgen vom 2.6.25), die am 31. Mai zur Gedenkveranstaltung für den ermordeten Polizisten Rouven Lauer und zur Enthüllung einer Gedenktafel auf den Marktplatz kamen. Es war genau ein Jahr her seit den tragischen Ereignissen und genau an dem Ort, wo sie stattfanden. OB Specht hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es kein „verordnetes Gedenken“ ist, dass wirklich sehr viele Menschen an dem Schicksal des jungen und offensichtlich vorbildlich demokratischen Polizeibeamten Anteilnahme zeigten und immer noch zeigen. Der nicht abreißende Blumenschmuck am Marktplatzbrunnen legt beredtes Zeugnis dafür ab.

Gedenken nach einem Jahr rechter Instrumentalisierung 

Die sofort nach der Mordtat des Afghanen befeuerte Diskussion über eine angeblich notwendige Verschärfung des Asylrechts, in der die AfD erst die Ampel und dann die schwarz-rote Koalition, insbesondere die Union, vor sich hertrieb, ließ einiges für die Tonlage der Gedenkveranstaltung befürchten: Von der Litanei zu ergreifender ausländerrechtlicher Maßnahmen und zu verschärfender Reformen bis hin zur Gleichsetzung von polizeilicher Gedenkkultur mit derjenigen des Militärs: Aufmarsch der „Blaulichtfamilie“ und zum Abschluss der Veranstaltung das bei militärischen Trauerzeremonien unvermeidliche Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ samt Deutschlandlied. Und vom Charakter der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), die das provokante Szenario auf dem Marktplatz und die Kulisse des Attentats aufgebaut hatte, kein Wort?

Besinnung auf die „Seele Mannheims“ 

StadtPunkt zur Erinnerung an Rouven
Laur.

Doch es kam anders. Die beiden Hauptredner OB Christian Specht und Landesinnenminister Thomas Strobl, beide CDU, beschränkten sich im Wesentlichen auf menschliche Anteilnahme und Beileidsbekundungen für die Familie Laur, die Würdigung der Person Rouven Laur, sowie Dank an die Einsatzkräfte und Einforderung von Respekt ihnen gegenüber. Der angereiste Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) befleißigte sich „stillen Gedenkens“.

OB Specht jedoch bezog in seiner Rede im Gegensatz zu seinen Äußerungen vor einem Jahr auch eindeutig Stellung gegen die reaktionärsten Auswüchse der politischen Diskussion. So übernahm er nicht einfach wie weite Teile der Medien die verharmlosende Selbstcharakterisierung der BPE als „islamkritisch“ – sondern er bezeichnete sie als „islamfeindlich“ und somit als den Frieden und das Klima einer Einwanderungsstadt wie Mannheim störend und gefährdend.

Das Attentat habe einerseits tiefe Trauer ausgelöst. Aber nicht nur dies. „Das Attentat und der Tod von Rouven Lauer hat auch eine politische Diskussion entfacht, eine Debatte über Zuwanderung und Integration und den Schutz vor religiösem Fanatismus. Manche Beiträge zu dieser Diskussion waren verletzend, spaltend und herabwürdigend. Daher war es mir auch so wichtig, dass das Gedenken an Rouven Lauer nicht politisch vereinnahmt wird, auch nicht durch Demonstrationen an diesem Ort.“ Damit spielte er auf die BPE an, die tatsächlich an eben diesem Tag eine erneute Veranstaltung auf dem Marktplatz abhalten wollte, eine sog. „Mahnwache“, vier Stunden lang bis unmittelbar vor der Gedenkveranstaltung der Stadt.

Die Familie von Rouven Laur, mit der, so Specht in seiner Ansprache, „wir die heutige Gedenkveranstaltung (…) gemeinsam und in enger Zusammenarbeit (…) geplant und vorbereitet (haben)“, legte sofort über ihren Nebenklagevertreter RA Schädler Protest ein. Der Mannheimer Morgen zitierte ihn am 14.5.: „‘Die Familie findet die Absicht absolut geschmacklos‘, erklärt er am Dienstag dieser Redaktion. Vor Gericht hatten zuletzt mehrere Polizisten über das Unverständnis berichtet, das bei ihnen bei jenem Einsatz vor einem Jahr geherrscht hatte. Man habe sich etwa gefragt, weshalb die Gruppe eine Kundgebung gegen den politischen Islam ausgerechnet auf dem Marktplatz veranstaltet, in dessen Umgebung doch so viele Muslime leben und arbeiten.“ BPE zog ihre Kundgebungsanmeldung dann zurück und führte stattdessen am 31.5. eine vier Stunden lange Kundgebung vor dem Kölner Hauptbahnhof durch.

Specht schätzt die Situation und den Diskurs in Mannheim weniger heftig ein als in der Republik: „Mein Eindruck ist, dass die politische Debatte über den Umgang mit Zuwanderung in Mannheim insgesamt weniger verletzend geführt wurde. Dies lag sicherlich auch daran, dass wir in Mannheim wissen, dass die Frage von Gut und Böse keine Frage von Religion, Herkunft oder Hautfarbe ist. Ein besonders eindrucksvoller Beleg dafür ist, dass es ein afghanisch stämmiger Arzt war, nämlich unser Professor Nima Etminan, Direktor der Neurochirurgie vom Universitätsklinikum Mannheim, der mit all seinem Können und seinem Team und all seiner Kraft bis zuletzt versucht hat, das Leben von Rouven Lauer zu retten.“

Beitrag der Familie Laur und der Religionsgemeinschaften 

Zu Ende seiner Ansprache verlas OB Specht noch ein Schreiben der Familie von Rouven Laur an die Versammelten. Darin heißt es u.a.: „Mannheim hat einen engagierten Polizisten verloren, Einen, der für andere da war der beschützen wollte, bewirken wollte. (…) Wir hoffen immer noch, dass Rouvens Tod nicht umsonst war. Messerverbotszonen mögen ein guter Anfang sein, aber es sind nicht die Messer, die Menschen töten. Es sind die Menschen, die sich damit für Gewalt entscheiden gegen andere, gegen das Leben. (…) Wir sind dankbar für jeden Menschen, der sich anstatt für Hass und Wut für die Liebe entscheidet. Die Trauer in unserem Herzen wird nie verschwinden.“ Die Familie schließt mit den Worten: „Rouven hat geglaubt, dass jeder einzelne die Kraft hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Lasst uns diese Überzeugung weitertragen in allem, was wir tun, für Rouven, für unser Leben.“

Gebet der Religionen mit (v.l.n.r. Kantor Ammon Seelig (Jüdische Gemeinde), der Vertreterin der Alevitischen Gemeinde, Mustafa Dedekeloglu (Duha e.V, islamischer Wohlfahrtsverband), Dekan Karl Jung (Katholische Kirche) und Pfarrerin Ilka Sobottke (Evang. Kirche).

Den Abschluss der Redebeiträge bildete das „interreligiöse Gebet mit Vertreter*innen der beiden großen christlichen Kirchen, Dekan Karl Jung von der katholischen, Pfarrerin Ilka Sobottke von der evangelischen Kirche, Kantor Ammon Seelig für die Jüdische Gemeinde sowie für die muslimischen Gemeinden Mustafa Dedekeloglu vom Duha e.V. und eine Vertreterin der alevitischen Gemeinde. Stellvertretend für alle fasste Pfarrerin Sobottke die Würdigung von Rouven Laur zusammen: „Ein Mann, der das Leben schützte, ein Mann, der für das stand, was wir an und in unserer Stadt lieben: die bunte Gemeinschaft verschiedener Menschen. Rouven Laur steht für Mannheim.“ Den Reigen der Besinnungen und Gebete schloss die Vertreterin der alevitischen Gemeinde: „Gott, segne unsere Stadt und alle die verschiedenen Menschen, die in ihr leben. Amen.“ Insgesamt ein deutliches Bekenntnis zur „Seele Mannheims“, zur Einwanderungsstadt, zur Stadt der Vielfalt, und damit gegen völkische rassistische Tendenzen.

Delegation der Ahmadiyya-Gemeinde (Bild: KIM)

Marktplatz als Ort des Erinnerens 

Bodenplatte mit dem Rangabzeichen von Rouven Laur. (Bild: KIM)

Im Anschluss an den Redenteil begab sich die zahlreiche Prominenz zum Marktbrunnen zur Enthüllung der Gedenktafeln an Rouven Laur: Eine Text- und Bildtafel nach Art der „Stadtpunkte“ des MARCHIVUM und eine in den Boden des Markplatzes an der Stelle des Messerangriffs auf Rouven Laur eingelassene steinerne Intarsienplatte mit drei silbernen Sternen, dem Rangabzeichen auf der Schulterklappe seiner Polizeiuniform.

Nach der Enthüllung bildete sich ein langes Defilee der Prominez und dann auch von Besucher*innen der Veranstaltung, die eine Weiße Rose niederlegten oder kurz vor der Gedenktafel innehielten.

Der Familie von Rouven Laur gebührt Respekt für die positive Mitgestaltung der Veranstaltung, die auch anders hätte verlaufen können mit Konzentration auf den Täter, und für ihr Eintreten für „die Liebe“ und gegen Hass und Gewalt.

Thomas Trüper | Bilder: Wenn nicht anders angegeben: Stadt Mannheim