Die OB-Wahl „isch over“ und wirft viele Fragen auf
ttr – Die OB-Wahl ist gelaufen. Im zweiten Anlauf hat Peter Kurz sich mit 52% von seinem Herausforderer Peter Rosenberger (44,9%) nicht ganz knapp abgesetzt. Der im ersten Wahlgang fast als politischer Neuling (1 Jahr Gemeinderat) angetretene Christopher Probst von den Freien Wählern / Mannheimer hatte seine respektablen 15,9% in der Stichwahl an die Wählenden quasi zurückgegeben zur Neuverteilung, ohne Empfehlung. Die meisten wählten dann Rosenberger. Christian Sommer (Die Partei) hatte mit um die 3% in beiden Wahlgängen einen stabilen Fanclub von Verächtern des personellen und politischen Hauptangebots.
Das meist diskutierte Ergebnis der beiden Wahlgänge war jedoch die unterirdische Wahlbeteiligung von sage und schreibe nur 30,7 und 28,7%. Im Wahllokal mit der schlechtesten Wahlbeteiligung betrug diese zwischen 6 und 7%. Manche Spötter rechnen vor, dass keiner der Bewerber das in Bürgerentscheiden notwendige Quorum von 25% der Wahlberechtigten erreicht hat. 70% Nicht-Wähler: Was drückt sich darin aus? Politikverdrossenheit? Alle sind unzufrieden und erhoffen sich keinerlei Änderung. Oder das Gegenteil? Man ist eigentlich zufrieden, wie es läuft und sieht diesen Zustand auch nicht gefährdet. Man bleibt zuversichtlich zu Hause. Betriebsräte kennen den Effekt: Wenn der BR seine Arbeit gut und unauffällig macht, ist die Wahlbeteiligung nicht unbedingt groß. Erst wenn der Standort wackelt gibt es gut besuchte Betriebsversammlungen und hohe Wahlbeteiligung. Wahrscheinlich ist beides richtig. Erstaunlich ist, wie betoniert das Ergebnis letztlich war. Wenn man einmal in Rechnung stellt, dass die SPD in den drei Wochen vor der Stichwahl wahrscheinlich wirklich alles ihr Mögliche mobilisiert hat (die CDU vermutlich auch), dann ist das Ergebnis ernüchternd. Es hat sich kaum etwas bewegt.
Dieser Trend ist in Mannheim besonders krass aber keineswegs einzigartig. Der Wahlkampf war langweilig. Der Amtsinhaber versuchte auf seine Leistungen hinzuweisen und sich bei dem einzigen wirklichen Publikums- und Presse-Streitthema wegzuducken. Am Ende verlief seine Zustimmungsquote von Stadtteil zu Stadtteil fast haargenau parallel zu den Prozentsätzen der JA-Stimmen beim Buga-Bürgerentscheid (siehe Tabelle). In der politischen „Langeweile“ schaffte es die Frage, ob sechs Monate Buga oder nicht, alle anderen Fragen zu dominieren: Welche Ressourcen kann die Stadt generieren, wie und in welchen Anteilen werden sie eingesetzt für Bildung, Infrastruktur, Wohnen, Sozialversorgung, Kultur? Demokratische Steuerung öffentlicher Einrichtungen oder Überantwortung an die „Marktkräfte“? Bei der Konversion eine grundlegende Frage!
Die Stadtteile in der Grafik sind nach der Wahlbeteiligung sortiert. Es bestätigt sich die alte Wahrheit, dass die Wahlbeteiligung jeweils umgekehrt proportional zum „Sozialstatus“ verläuft, in der Grafik sehr grobschlächtig an der Arbeitslosenquote festgemacht.
Obwohl die OB-Wahl im Ruf steht, vor allem eine Persönlichkeitswahl zu sein, kreuzt sich das Ergebnis des Sozialdemokraten (und in gehörigem Abstand übrigens auch des „Partei“-Kandidaten) mit dem sozialen Gefälle, das des CDU-Mannes läuft parallel zum sozialen Gefälle – typisch Lager-Wahl.
Obwohl es ja „nur“ um die Frage geht, welche der beiden aussichtsreichsten Personen nun die Verwaltung führen soll, wollen die Wählerinnen und Wähler wie bei einer Parlaments- oder Gemeinderatswahl ihre politische Meinung nuanciert ausdrücken können. Und hier wurden sie von den Grünen als drittstärkster Partei und auch von der Linken bitter enttäuscht. Man muss wohl zur Kenntnis nehmen, dass Gemeinschaftskandidaturen die Wahllust erheblich schädigen.
Und noch etwas dämpft wohl die Wahllust: Auch die Kommunalpolitik nimmt an Komplexität zu, es müssen ständig unterschiedliche Einzelinteressen gegeneinander abgewogen werden, und trotzdem geht es im Kleinen auch immer um große Linien. Mit der Komplexität nimmt der Hang zur Vereinfachung und zu schlichtem Populismus zu. Populistische Politiker erfüllen aber genau das Bild vom beliebigen, je nach Opportunität handelnden und im Zweifelsfall nur auf den eigenen Vorteil und Erfolg abzielenden Politikaster. Die kleinen und großen Seehofers erzielen zwar hohe Zustimmungswerte, aber auch viel Ekel vor „der Politik“.
Was ist dem entgegenzusetzen? Aufklärung über Sachzusammenhänge und Interessenlagen, also Transparenz. Bürgerbeteiligung – aber wie? Indem am Ende die Leute mit Zeit und Bildung zusammenglucken und – ohne sich je einer Wahl stellen zu müssen – definieren, „was der Bürger wirklich will“? Gerade über Bürgerbeteiligung gab es im Zusammenhang mit der Konversion viel Streit. Die Bürgerbeteiligung hat zwei große Feinde: Komplexitätsverachtung der sich Beteiligenden und Verwaltungsängstlichkeit und Engstirnigkeit. Hier ist viel zu lernen und zu tun. Vielleicht nimmt dann auch die Wahlbeteiligung wieder zu.
Bereich | Wahlb. | Kurz | Rosenberger | Sommer | Arbeitsl. | Buga-JA |
Neckarstadt-West (02) | 14,5 | 68,6 | 26,5 | 4,8 | 6,8 | 58,3 |
Innenstadt/ Jungbusch (01) | 18,2 | 65,5 | 30,1 | 4,1 | 5,3 | 62,7 |
Schönau (08) | 21,3 | 59,5 | 37,8 | 2,7 | 7,4 | 53,6 |
Neckarstadt-Ost/ Wohlgelegen (03) | 24,7 | 60,6 | 35,6 | 3,7 | 5,2 | 55,3 |
Vogelstang (11) | 25,3 | 43,6 | 53,9 | 2,4 | 3,2 | 46,8 |
Sandhofen (07) | 26,5 | 45,1 | 52,0 | 2,6 | 3,2 | 43,5 |
Waldhof (09) | 27,3 | 49,1 | 47,6 | 3,1 | 4,6 | 47,4 |
Käfertal (10) | 28,3 | 48,0 | 48,6 | 3,1 | 3,7 | 51,5 |
Rheinau (17) | 28,3 | 42,7 | 55,2 | 2,0 | 4,3 | 47,6 |
Seckenheim (14) | 31,9 | 52,2 | 46,0 | 1,6 | 3,2 | 47,6 |
Friedrichsfeld (15) | 32,1 | 49,4 | 46,8 | 3,7 | 3,1 | 44,3 |
Schwetzingerstadt/ Oststadt (04) | 32,3 | 58,5 | 37,8 | 3,3 | 3,4 | 56,4 |
Neckarau (16) | 34,4 | 49,0 | 48,0 | 2,8 | 2,9 | 48,5 |
Lindenhof (05) | 34,8 | 55,9 | 40,9 | 3,1 | 2,4 | 53,8 |
Neuostheim/ Neuhermsheim (06) | 40,9 | 50,4 | 47,6 | 2,0 | 2,2 | 50,1 |
Wallstadt (12) | 42,4 | 48,5 | 49,4 | 2,0 | 1,6 | 46,0 |
Feudenheim (13) | 44,7 | 46,7 | 50,7 | 2,5 | 2,1 | 43,2 |