Kundgebung von pax christi beim Friedensengel Mannheim zum 80. Jahrestag der Befreiung
Am 8. Mai haben etwa 20 Menschen an einer einer Gedenk-Kundgebung von pax christi – Internationale Katholische Friedensbewegung Basisgruppe Mannheim am Friedensengel in Mannheim teilgenommen.
Im Aufruf zu dieser Veranstaltung heißt es:
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg! Kundgebung zum 80. Jahrestag der Befreiung
Kriegstüchtig oder friedensfähig? Wie halten wir es mit dem Antifaschismus? Mitten im aktuellen Aufrüstungswahn und angesichts dessen, dass wieder
wie in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts darüber nachgedacht wird, Keller und Garage atombombensicher zu machen, lädt die
Pax Christi Basisgruppe Mannheim zum Gedenken am Mannheimer Friedensengel ein.
Das Kommunalinfo dokumentiert die Rede, die bei dieser Kundgebung gehalten worden ist:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
herzlich willkommen zum Gedenken an die Befreiung von Krieg und Faschismus am 8. Mai 1945.
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! So lautet der Schwur von Befreiern und Befreiten des Konzentrationslagers Buchenwald bei einer Gedenkfeier vor 80 Jahren am 19. April 1945 für die im Lager Ermordeten.
Herzlich willkommen! Wo befinden wir uns hier?
Wir stehen hier vor der Skulptur des Friedensengels Künstlers Gerhard Marcks, der bis 1924 Lehrer am Weimarer Bauhaus war und dessen Werke von den Nazis als sog. „Entartete Kunst“ diffamiert wurden.
Der 3 m große Friedensengel wurde 1951 / 1952 von Marcks angefertigt, er streckt mit ernster Miene die Arme breit aus, und mit Armen und Flügeln möchte er möglicherweise uns Menschen den Weg in den Krieg versperren. Er lehnt sich dazu etwas auf die Seite, um auch rechts keinen durchzulassen.
Der Friedensengel bekam seinen ursprünglichen Platz zum Volktrauertag im November 1952 im Beisein von Bundeskanzler Adenauer und 5000 Besucher:innen im Quadrat B4 am Schillerplatz.
Waren bei der Errichtung des Engels noch alle Gruppen von während des NS ums Leben gekommenen Gruppen mit in das Gedenken einbezogen, so erklärten Soldaten- und Heimkehrerverbände bereits zum Volkstrauertag 1954, dass ihre Toten nicht zusammen mit Juden und weiteren Opfern des Nationalsozialismus genannt werden sollten und sie organisierten eine eigene Feierstunde auf dem Städtischen Friedhof. Darauf sagte die Stadt Mannheim – heute würde man sagen, um die Gesellschaft nicht zu spalten – die Feierstunde am Friedensengel ab.
Zehn Jahre nach Kriegsende fand dann am 7. Mai 1955 erstmalig eine „Stunde der Besinnung“ mit dem ev. Theologen Helmut Gollwitzer statt – auch hier waren einige Tausend Menschen anwesend. Für Gollwitzer stellte sich der Engel „gegen unsere Flucht ins Vergessen“.
Der für die Errichtung verantwortliche Oberbürgermeister Heimerich meinte: die Soldatenverbände „unterscheiden zwischen Helden und Opfern und wollen nicht, daß ihre Helden mit den Opfern gleichzeitig genannt werden“.
In deren Denken ging es also um Helden und Opfer, der Begriff „Kriegsverbrecher“ kam in ihrem Vokabular nicht vor und auch Konrad Adenauer sprach stets und ausschließlich nur Kriegsverurteilten, nie von Kriegsverbrechern.
Und damit kommen wir endlich zum Punkt:
Vor 80 Jahren am 8. bzw. am 9. Mai 1945 endete in den meisten Teilen Europas der 2. Weltkrieg. Die auf Adolf Hitler vereidigten deutschen Soldaten der Wehrmacht, SS, und Waffen SS inkl. der Männer aus nord-, süd-, west- und osteuropäischen Ländern in diesen Organisationen, waren vernichtend geschlagen. Sie wurden besiegt von der Roten Armee, den Westalliierten, Partisanen in halb Europa und Aufständischen in den Gettos. Auch die Schergen aus Gestapo, SD Sicherheitsdienst und Polizei-Batallionen waren entweder tot oder gefangen.
Nie wieder Faschismus – was heißt das?
In den Konzentrationslagern, in den Ghettos, in Städten und Städeln starben ca. 6 Mio Jüdinnen und Juden, sowie Roma & Sinti, Homosexuelle, Zeug:innen Jehowas, als sogenannte „Asoziale“ gekennzeichnete Menschen, auch sogenannte Berufsverbrecher. In den Kellern, Kerkern und Gefängnissen der Naziorgane inkl. Polizei verbluteten die Opfer des Faschismus. In Krankenhäusern wurde behinderte oder kranke Menschen oder Menschen, die man dazu erklärte, ermordet.
Wie ging es nach der Befreiung in Deutschland weiter?
SS-Kameraden bekamen in der BRD eine Rente, während NS-Opfer weiterhin diskriminiert wurden. Die Quote der ehemals der NSDAP angehörenden Mitarbeiter:innen im Auswärtigem Amt war größer als die im Reichsaußenministerium des Dritten Reichs.
Kasernen waren nach Kriegsverbrechern wie Alfred Dietl (Füssen) oder Josef Kübler (in Mittenwald) benannt.
Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ probte lange unbehelligt in bayrischen Wäldern und es blieb nicht beim Proben. Bei Nazi-Fußballfans des BFC Dynamo Berlin sah die sonst bestinformierte Staatssicherheit der DDR mit beiden Augen weg.
Der Thüringer Heimatschutz des V-Mannes Tino Brand wurde ab 1994 staatlich bewaffnet und so mutmaßlich auch in den Folgejahren der Nationalsozialistische Untergrund NSU.
Für die von der US-Army befreiten Buchenwald-Gefangenen und die von der Roten Armee befreiten Ausschwitz-Insassen war es klar, wer die Faschisten, wer die Verbrecher sind.
Seit Gründung der BRD tun sich Politik und Militär – d.h. das Kapital – schwer damit.
Nie wieder Krieg – was heißt das?
Aus reinem Kapitalinteresse und nicht etwa schlafwandelnd begannen Deutschland und Österreich den 1. Weltkrieg. In Großbritannien wird dieser Krieg mit allein dort über 6 Mio getöteten Soldaten:innen noch immer wg. der enormen Anzahl an brit. Opfern „the Great war“ genannt. Im 2. Weltkrieg wurden in Deutschland ca. 6.5 Mio Menschen getötet. Die Völker der Sowjetunion hatten bis zu 30 Mio. verlorene Menschenleben zu beklagen.
Bei nur zwei Atombombenabwürfen starben in Hiroshima und Nagasaki Hunderttausende direkt oder in der Folge an den Verbrennungen und Strahlenfolgen.
Was heißt also in unseren Augen „Nie wieder Krieg“?
- Der Dritte Weltkrieg ist keine Option
- Ein Atomkrieg ist keine Option
Was aber erleben wir heute?
Beispiel Ukraine:
Im Jahr 2011 erfuhr der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch beim damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso eine Abfuhr auf die Frage, ob die Ukraine nicht mit der Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens gleichzeitig in einer Zollunion mit Russland verbleiben könne. Schließlich hingen die Arbeitsplätze der Montanindustrie im Donbass am Handel mit dem Nachbarland. Die Ablehnung seitens der EU führte direkt in den Bürgerkrieg im Donbass und dort scheitert gerade die im Jahr 1990 noch geleugnete Nato-Osterweiterung. Im Februar 2022 schließlich griff Russland die Ukraine an, u.a. mit dem Hinweis, die unterdrückte Bevölkerung auf Krim u. Donbass verteidigen zu müssen.
Dieser Krieg muss enden mit einer Vereinbarung, die die Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russlands berücksichtigt, und zwar anders als mit den Minsker Abkommen I + II, die nach Aussage der damaligen Kanzlerin Merkel und des franz. Präsidenten Hollande allein dazu dienten, für die Ukraine Zeit zu gewinnen. D.h. in meiner Lesart, den Krieg auf heute zu verschieben.
- Eine gemeinsame Architektur der Sicherheit inkl. der Atommächte Europas, der USA, Russlands und China muss als Ziel definiert werden und der Weg dahin gemeinsam beschrieben werden. Eine Rechnung ohne den sogenannten Globalen Süden wird nicht aufgehen und würde den Imperialismus des 19. Jahrhunderts nur fortsetzen
Zum Globalen Süden gehört ganz sicher auch Palästina / Gaza
Jede Beschreibung der Zustände in Gaza spottet der Realität. Über 52000 Tote sind in Gaza zu beklagen. Seit über zwei Monaten wird jede Warenlieferung in den Gazastreifen unterbunden. Auch wenn der Prozess von Südafrika angestrengte Prozess gegen Israel am internationalen Strafgerichtshof IGH in Den Haag noch nicht beendet ist: Wie soll man es anders bezeichnen, wenn nicht als Völkermord, wenn 2 Mio. Menschen im Gazastreifen von der Lebensmittelversorgung monatelang abgeschnitten werden?
Warum unterstützt die BRD Israel mit Waffen zu diesem Verbrechen? Sollen das die Lehren der deutschen Geschichte aus dem 2. Weltkrieg sein – z.B. aus der deutschen Blockade Leningrads mit 1 Mio. Hungertoten, dass man hierzulande dazu schweigt, wenn ein ganzes Gebiet durch Hunger ausgelöscht wird? Nein das kann nicht sein!
Und ja: auch wir fordern heute die Freilassung der hoffentlich noch lebenden 24 Geiseln durch die Hamas. Unser Eindruck ist aber, dass es auch der israelischen Regierung überhaupt nicht um die Leben dieser Geiseln geht.
Uns als Friedensbewegung wird gern, mitten im Konflikt, die Waffen gegeneinander gegenseitig an die Schläfe haltend, die Frage gestellt: ja was soll man denn jetzt machen ihr lieben weltfremden Pazifist:innen? Ihr seid doch spinnert, Ihr seid doch nicht von dieser Welt.
Wir sind allerdings nicht diejenigen mit dem Knopf am Drücker, wir sind aber die, die sagen: Stoppt den Krieg! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
pax christi – Internationale Katholische Friedensbewegung Basisgruppe Mannheim