Werbetour für den “Staat mit Autorität”: Rainer Wendt macht Station beim Blaulichtempfang der CDU
Die CDU Mannheim hatte zum “Blaulichtempfang” eingeladen, einer Parteiveranstaltung mit Vorladung aller uniformierten Berufe. Am späten Freitagnachmittag, 3. Februar versammeln sich die Gäste im Foyer des Haus der evangelischen Kirche. Darunter Polizisten, normale und solche von der “Freiwilligen Polizei”, Rettungsdienst-, Feuerwehr- und THW-Leute, viele in Uniformen und Anzügen. Natürlich ist bei diesem Heimspiel viel Lokalprominenz der CDU anwesend. Deren Kreisvorsitzender Nikolas Löbel hat sich als Zugpferd den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) Rainer Wendt eingeladen und so füllen sich die Plätze nach und nach. Am Buffet gibt es Sekt, Wasser und Brezeln. Löbel beginnt pünktlich und begrüßt die Anwesenden, viele davon persönlich, was eine gute Viertelstunde dauert.
Dann kommt er auf den Hauptredner zu sprechen. “Eine starke Stimme für die Sicherheit”, wird Rainer Wendt von Löbel angekündigt und mit Verweis auf ein vergangenes Zusammentreffen bei einer anderen CDU Veranstaltung schmeichelt er ihm: “nach Rainer Wendt kann ja nur noch die Kanzlerin kommen”.
Rainer Wendt gehört aktuell sicherlich zu den umtriebigsten Talkshow-Gästen im deutschen Fernsehen. Um eine solche Rolle einzunehmen, bedarf es einer polarisierenden Persönlichkeit. Als Polizist und Rechtsaußen-Gewerkschafter hat sich Wendt einen Namen gemacht und sammelt Sympathiepunkte über Parteigrenzen hinweg. Sicherheitspolitische Parteisprecher greifen seine Argumente auf. Als einer von denen, die es ja wissen müssen, kann der Polizist Wendt immer dann auftrumpfen, wenn über die Verschärfung von Gesetzen, härtere Strafen, mehr Überwachung und den damit verbundenen Abbau demokratischer Rechte diskutiert wird.
So kommt Wendt auch in Mannheim in Fahrt: Die immer schlechter werdende Sicherheitslage führe zu einem kollektiven Verlust an Freiheit. Die Kriminalität sei in Wahrheit viel schlimmer als angenommen, da viele Delikte nicht angezeigt werden. Die Polizei werde kaputt gespart. Kriminelle Banden, ausländische Familienclans und Rocker würden eine Parallelgesellschaft aufbauen, Politik und Justiz dieser Entwicklung tatenlos zusehen. Er schimpft über lasche Richter, die viel zu milde urteilen (laute Zustimmung aus dem Publikum), lästert über die SPD und den “Schulz” (viel Beifall) und betont immer wieder, dass der Staat viel härter durchgreifen müsse (immer wieder Beifall). Auch kommt Wendt kurz auf die AfD zu sprechen. Man solle seine Stimmt nicht für “billigen Protest” verschwenden (auch dafür gibt es natürlich Beifall).
Wendt weist darauf hin, man dürfe die sich verschlechternde Sicherheitslage nicht alleine mit der “Flüchtlingskrise” im Zusammenhang sehen (sehr zurückhaltender Beifall). Vielmehr sei die über Jahre gewachsene organisierte Kriminalität und der zu lasche Kurs des Staates das große Problem. Der kaputt gesparte “schlanke Staat”, der in den 90er Jahren im naiven Glauben an eine friedliche Welt entstanden sei, hätte diese Entwicklung begünstigt.
Gegen Ende seiner Rede holt Wendt alle Forderungen aus der Kiste: Viel mehr Personal für die Polizei, mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum, voller Zugriff auf die Maut-Daten, neue Waffen und Technik, ein neues Gesetz zur besonders harten Bestrafung bei Delikten gegen Staatsbedienstete. Bevor kritische Fragen kommen, beantwortet Wendt diese gleich selbst. Über 80% der Bevölkerung wollten die Videoüberwachung und überhaupt: “Man muss doch die Menschen nicht vor dem Staat schützen.” Er wolle keinen autoritären Staat, betont Wendt. Nein, was er wolle, sei ein Staat mit Autorität.
Der Saal ist ein Heimspiel für den DpolG-Hardliner. Die Mannheimer CDU ist ein dankbares Publikum und schenkt dem Polizisten viel Applaus.
Was in Wendts Vortrag nicht vorkam: Ursachen. Kriminalität ist einfach da. Kriminalität ist schlimm und es wird immer schlimmer, bekommen wir an diesem Tag ausführlich zu hören. Doch Ursachen scheint es keine zu geben, vielmehr frage ich mich irgendwann, ob die Existenz von Kriminalität eigentlich ein Naturgesetz ist, gegen die sich der Staat schützen müsse, wie etwa gegen Erdbeben oder Überschwemmungen.
Den DPolG-Chef Rainer Wendt, Vertreter von immerhin fast 100.000 Polizisten, halten manche für einen der gefährlichsten Populisten, der zur Zeit durch die deutschen Talk-Shows tingelt. In seinem 2016 veröffentlichten Buch “Deutschland in Gefahr” nutzt er AfD-Jargon, poltert gegen die liberale Demokratie und macht laut Zeit-Online aus dem Gefühl der Angst einen Bestseller. Wendt wird für seinen Rechtspopulismus, für rassistische Äußerungen und demokratiefeindliche Forderungen öffentlich kritisiert. Bei der CDU Mannheim hat er sanftere Töne angeschlagen. Klar, Wendt ist ein Polit-Profi und weiß, wann er wie auftreten muss. Damit hat er Erfolg: Auch wenn nach seinem Vortrag niemand weiß, was die Ursachen dieser Kriminalität eigentlich sind, applaudiert ihm die Menge, wenn er seine Forderungen nach Gesetzesverschärfungen vorträgt – Populismus wie er ihm Buche steht.
In Mannheim sehen wir derweil die Ergebnisse solcher Populisten. Die Videoüberwachung der Innenstadt wird wieder eingeführt. Fast alle loben die Maßnahme zur angeblichen Verbesserung der Sicherheit. Gegenstimmen gibt es wenige. Demokratische Grundrechte und persönliche Freiheit haben es schwer in diesen Zeiten.
cki
Fotos: cki