Feudenheim: Wutbürgertum oder berechtigter Protest?
Der Streit um den Betriebshof-Standort auf Spinelli am Rand von Feudenheim steht exemplarisch für das Dilemma des Verhältnisses linker Bewegungen und Partei zur bürgerlichen Widerstandsorganisierung.
Worum es geht: Am Rand von Feudenheim ist ein zentraler Betriebshof des Fachbereichs Grünflächen und Umwelt der Stadt Mannheim geplant. Dagegen regt sich Widerstand im Stadtteil. Im Rest der Stadt hält sich das Verständnis dafür in Grenzen. Die Ursachen dafür liegen vor allem im Kampf gegen die BUGA.
Mit soviel Gegenwind hatte der Leiter des Fachbereichs 67 (Grünflächen und Umwelt), Markus Roeingh, wohl nicht gerechnet, als er am 18. Oktober auf einer öffentlichen Sitzung des Bezirksbeirates Feudenheim die Planungen der Stadtverwaltung zum zentralen Grünflächen-Betriebshof vortrug. Auf der südöstlichen Ecke des Spinelli-Areals an der Talstraße/Ecke Wingertsbuckel sollen die vier über das Stadtgebiet verteilten völlig maroden Betriebshöfe und die im Collini-Center beheimateten Büros an einem zentralen Standort zusammengefasst werden. Weder die Mitglieder des Bezirksbeirates (BBR) noch die interessierten Bürgerinnen und Bürger ließen ein gutes Haar an den Planungen. Die Hauptkritikpunkte: Intransparente Auswahl des Standortes, Verzicht auf Alternativvorschläge, keine Einbeziehung des BBR und keine Bürgerbeteiligung, Zunahme des Verkehrs in einem ohnehin schon belasteten Bereich.
Einige der Anwesenden nutzten die Diskussion zu einer Generalabrechnung mit den Planungen der Stadt. Die Befürchtung auf Seiten der Verwaltungsvertreter/innen, die Diskussion würde ins Dauerthema BUGA abdriften, bewahrheitete sich indess nicht. Doch genau diese Befürchtung dürfte der Grund für die Skepsis in den anderen Teilen der Stadt sein. Selbst im linken Lager wird hinter vorgehaltener Hand deutliches Unverständnis für die Befindlichkeiten der Anwohner/innen und Lokalpolitiker/innen geäußert: “Immer diese Feudenheimer, die proben bei jeder kleinsten Veränderung den Aufstand.”
In der Tat erscheint die Verbissenheit des Feudenheimer Widerstands gegen die BUGA-Pläne schwer nachvollziehbar, zumal sie Vertreter/innen unterschiedlicher Milieus vereint. Das wurde besonders bei der Anzeige gegen OB Kurz wegen des Gutachtens zu den Altlasten auf Spinelli deutlich. Erstatter waren zwei Bezirksbeiräte: Der im Umweltschutz und der Flüchtlingshilfe aktive Ulrich Schäfer, der für die Grünen im BBR sitzt, und CDU-Mann Rudolf Götz. Vereint sind sie im Willen, die BUGA-Pläne mit allen legalen Mitteln zu sabotieren. Die Gründe dafür mögen im Detail unterschiedlich sein, gemeinsam ist ihnen der Unmut, dass mit der BUGA die Feudenheimer Idylle gestört wird. Dazu passte auf der BBR-Sitzung ein weiterer Häuptling der renitenten Indianer aus dem Mannheimer Osten: Hans-Jürgen Hiemenz von der BI “Gestaltet Spinelli”. Hiemenz forderte in einem Rundumschlag den Verzicht auf die BUGA, auf die Neubebauung von 1.600 Wohnungen in Käfertal-Süd und auf die Einrichtung des Grünflächen-Betriebshofes. Das Credo: Alles, was den Stadtteil stört, muss verhindert werden.
Na also, nichts als Feudenheimer Befindlichkeiten, möchte man auf diesen Erguss der Wutbürgerwut entgegnen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn der Betriebshof bringt tatsächlich spürbaren Zusatzverkehr – und das in ein Wohnquartier, das neu erschlossen werden soll. Die alten Kasernengebäude in dieser Ecke von Spinelli sollen voraussichtlich nach Abzug der Bedarfserstaufnahmestelle 2019 in Wohnungen der GBG umgewandelt werden, Verdichtung durch weitere Wohnhäuser nicht ausgeschlossen. Die Mietpreise sollen mehr oder weniger erschwinglich werden. Auf der anderen Straßenseite steht die GBG-Siedlung am Adolf-Damaschke-Ring, auch kein Hort von Besserverdienern. Zu den einen Steinwurf entfernten 24.700 täglich den Aubuckel verstopfenden Autos und LKWs würden 100 Nutzfahrzeuge kommen, die von frühmorgens an unmittelbar angrenzend an die Wohnsiedlungen ein- und ausfahren würden. Dazu kämen die Privat-PKW der rund 200 Mitarbeiter/innen und der Lärm der Werkstätten, Lagerhaltung, Entsorgung etc.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die gänzlich fehlende Bürgerbeteiligung. FB67-Leiter Roeingh räumte auf der BBR-Sitzung ein, dass die Betriebshof-Planungen schon ziemlich weit fortgeschritten seien. Nicht nur der BBR fühlte sich in seiner Ohnmacht gegenüber Verwaltungsprozessen vorgeführt. Von der vielbeschworenen Stärkung der Demokratie spürten auch die anwesenden Bürgerinnen und Bürger wenig.
Auch darauf könnte man antworten: Für andere Stadtteile mit emissionsintensiven Industrieansiedlungen wie Luzenberg, Waldhof oder die Rheinau wären das Luxusprobleme. Da ist was dran. Trotzdem ist das kein wirkliches Gegenargument. Denn das Aufbegehren gegen von “oben” aufgedrückte Projekte macht am besten Schule, wenn es erstmal punktuell vorexerziert wird. Auch die Wutbürger(un)kultur hat ja ihre Vorbilder zumindest zu einem großen Teil im linken oder von Linken unterstützten Widerstand, z.B. der Anti-AKW-Bewegung.
Das Problem ist eher die Abwägung, wann es sich um egoistische Partikularinteressen handelt, wenn Bürger auf die Barrikaden gehen, und wann das gesellschaftlich fortschrittlichen Protest darstellt. Im Fall des geplanten Betriebshofes kann der Protest Solidarität mit den bestehenden und zukünftigen Anwohnern gegen eine neue Lärmquelle darstellen, sofern er nicht von einzelnen Akteuren dahingehend gelenkt wird, dass es stattdessen Anwohner anderer Stadtteile in vergleichbarem Umfang trifft. Das zeichnet sich aber bisher nicht ab. Im Fall des Dauerthemas BUGA muss die Betrachtung schon aufgrund des weiten Protestspektrums differenziert ausfallen. Die meisten Argumente der Gegner/innen erscheinen unausgegoren, manche gar reaktionär, z.B. das Herumreiten auf den Kosten. Aber es gibt auch einige absolut nachvollziehbare Bedenken. Man darf nicht unterschätzen, wie sehr die Stadt erst auf laute Unmutsäußerungen hin auf die Betroffenen zugegangen ist, etwa die Kleingärtner in der Feudenheimer Au, nachdem die Verwaltung anfänglich über die Köpfe hinweg plante. In der Tat war es schwer nachzuvollziehen, dass Kleingärten einer Gartenschau geopfert werden sollten.
In eine andere Richtung schlägt das Pendel bei der Forderung des BI-Granden Hiemenz, auf den dringend benötigten Wohnungsbau mit 30-Prozent-Quote am Rande des Grünzuges Nordost zu verzichten, weil dieser zusätzlichen Verkehr auf den Aubuckel bringt. Die Argumentation folgt dem Motto: Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass! Denn gerade die Kreise um Hiemenz haben sich vehement gegen die Verlegung der Aubuckelstraße und damit die Umleitung der Verkehrsströme weg von Feudenheim gestemmt – auch noch, als die Schrebergartensiedlung “Alte Au” nur noch ganz am Rande betroffen gewesen wäre. Da ist es, das Beispiel für egoistische Partikularinteressen. Aber niemand sollte den Fehler begehen, daraus eine pauschale Ablehnung der Proteste aus dieser Ecke der Stadt abzuleiten!
Der Autor: Stephan Bordt ist als linker Bezirksbeirat in Feudenheim oft hin- und hergerissen zwischen Solidarität und Kopfschütteln.