Danke, VRN, für den eTarif! Wo bleibt der SozialTarif (Sozialticket)?

Fahrgastwechsel am Collini Center | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Seit einem Jahr bietet der VRN einen Luftlinientarif im „CheckIn/CheckOut“-Verfahren an (eTarif). Berechnet werden ein Grundpreis von 1,20 Euro sowie pro Kilometer 0,20 Euro. Der herkömmliche Einzelfahrschein kostet 2,60 Euro. Demgegenüber führt der eTarif zu deutlichen Preisnachlässen bei Strecken unter 7 km, also z.B. innerhalb eines Stadtteils, oder aus zentrumsnahen Stadtteilen zum Paradeplatz.

So zahlt man beispielsweise von der Weberstraße (Schwetzingerstadt) 1,60, vom Ulmenweg (Neckarstadt) 1,80 Euro. Für Kurzstrecken z.B. vom Bahnhof Rheinau zum Karlsplatz (Rheinau) zahlt man 1,60 Euro, vom Wasserturm zum Paradeplatz 1,40 Euro. Letzteres entspricht dem Preis des „QuadrateTickets“, welches aber eben nur in den Quadraten gilt. BahnCard-Inhaber*innen zahlen übrigens sowohl konventionell wie auch im eTarif 25% weniger. Also auf einer Kurzstrecke von 1 km 1,05 Euro. Für Strecken über 7 km innerhalb der Großwabe Mannheim würde man vernünftigerweise ein normales Waben-Tarif-Ticket kaufen – das funktioniert auch über Smartphone. Die Strecke Mannheim Hbf – Heidelberg Hbf wiederum kostet 4,80 statt konventionell 5,80 Euro.

Voraussetzung für die oft günstigeren eTarif-Tickets ist jedoch eben der Besitz eines Smartphones (Android oder Apple), sowie eines Kontos / einer Kreditkarte zur Abrechnung. Und das sind auch die zwei Haken: Nicht jede*r möchte ein solches Gerät, und selbst wenn, kann es sich nicht jede*r leisten. Und mit der Schufa sollte man auch nicht zu tun haben.

Von MA nach HD für 4,80 € statt 5,80 € – für viele immer noch zu teuer | Bild: wikimedia commons / Karaneschev

Die Mannheimer SPD zieht daraus die Konsequenz, dass sie vom VRN nun auch ein konventionelles Kurzstreckenticket auch außerhalb der Quadrate fordert. Sie hat einen entsprechenden Antrag in den Gemeinderat eingebracht. Die guten Gründe hierfür sind vielfältig: Die Stadtteilzentren mit ihrem Einzelhandel profitieren, wenn sie preisgünstig angesteuert werden können. Es werden mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen, wenn die Tickets billiger sind. Das hilft den Menschen und der Umwelt.

Die Mannheimer LINKE unterstützt eine solche Initiative selbstverständlich. Jahrelang kämpft sie jedoch auch für Sozialtarife. Und argumentiert: Preisgünstigere Tarife für den berechtigten Personenkreis führen nicht unbedingt zu Defiziten, sondern zu mehr Umsatz bei gleichbleibendem Aufwand. Gegen diese Logik sperrt sich der VRN bisher. Zur Begründung für den eTarif sagt der kaufmännische Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Schmidt: „Wir wollen mit dem Ticket zum Luftlinientarif mittels Smartphone weitere Fahrgäste erreichen und eine einfache und preisgünstige Möglichkeit bieten, auf Bus & Bahn umzusteigen“ (https://www.vrn.de/verbund/presse/pressemeldungen/pm/003192/index.html) . Nun muss er sich fragen lassen: Wenn Preisnachlässe und ein vereinfachter Zugang neue Kunden bringen, warum soll das nicht für ein einfach zu handhabendes Sozialticket gelten?

Also: Wo bleibt der „sTarif“, der Sozialtarif des VRN? Die Diskussion ist neu eröffnet. Die bisherigen „Sozialtickets“ in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen stellen keinen Sozialtarif dar, sondern sie fußen darauf, dass die Kommunen den Unterschied zwischen der Eigenbeteiligung der Nutzungsberechtigten und dem Normaltarif ausgleichen.

Und noch etwas muss diskutiert werden: Der „SozialTarif“ müsste in einem weiteren Schritt zu einem Tarif für Jedermann/frau werden, als „öTarif“ – Öko-Tarif. Denn nur wenn der ÖPNV unschlagbar preisgünstig und trotzdem leistungsstark wird, werden noch viel mehr Menschen umsteigen – genau das Richtige für eine zukunftsorientiere Mobilitätsgestaltung. Am Ende muss der ticketlose ÖPNV stehen.

eTickets gibt es nur über das Smartphone | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Einige weitere Gesichtspunkte zu den obigen Feststellungen seien noch ergänzt:

  1. Man kann darauf wetten: Der VRN wird gegen ein Kurzstrecken-Ticket in Papierform einwenden: Damit werde der „Teil-Erschleichung“ Tür und Tor eröffnet. Massenweise würden die Kund*innen das Kurzstreckenticket kaufen und für den Fall der Kontrolle vorzeigen. Der Entwerteraufdruck auf dem Ticket zeigt neben der Uhrzeit nur Linien- und Waben-Nummer, nicht die Einstiegshaltestelle. Damit steht das Thema überalterter Daten-Technik im Raum.Damit steht auch das Thema im Raum, welches der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa Anfang Januar angeschnitten hat (z.B.: rbb 04.02.208, 20:02) Die Nahverkehrsunternehmen täten zu wenig, um selbst „Erschleichungs“-Tatbestände einzuschränken. Sie setzten schlechte Technik und zu wenig Personal ein und verlagerten das Kostenproblem auf den Staat.

    Allein die Berliner Justiz befasse sich jährlich mit 40.000 Schwarzfahrten. Am Stichtag 27.12.2017 verbüßten in Berlin 2.869 Menschen eine Freiheitsstrafe, davon 299 eine „Ersatzfreiheitstrafe“. Ein Hafttag koste das Land ca. 140 Euro.

    In Baden-Württemberg sind es nach Angaben der Stuttgarter Zeitung online vom 11.12.2017 jährlich 10.000 Verurteilungen wegen „Erschleichens von Leistungen“. 2016 verbüßten demnach durchschnittlich 481 von 7.100 Gefangenen Ersatzfreiheitsstrafen.

    Gnisa zieht daraus wie auch schon NRW-Innenminister Biesenbach (CDU) die Konsequenz, man müsse das „Schwarzfahren“ als Straftatbestand aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen. Für BaWü-Innenminister Strobl (CDU) ein Graus.

  2. So lange es Einzel-Tickets im ÖPNV gibt, müssen diese leichter handhabbar sein, z.B. durch Geldkarten, von denen durch ein CheckIn-/CheckOut-System die Fahrtkosten gleich abgebucht werden und die mit einem Kartenlesegerät kontrolliert werden. Ein solches Verfahren, gibt es in europäischen Großstädten durchaus schon. Der Einsatz von Smartphones und die damit verbundene Daten-Plünderung können so umgangen werden. Diskriminierungsfreie Sozialtickets könnten hier gut einbezogen werden.
  3. In der mündlichen Antwort auf entsprechende Gemeinderats-Anfragen sowie Anliegen aus der Bürger*innen-Ideenplattform äußerte der zuständige Finanzdezernent Specht (CDU), ein ticketfreier ÖPNV werde ein wesentlich höheres Kostenvolumen verursachen als der bisherige: Aufgrund der dann gestiegenen Attraktivität werde weder das rollende Material noch das Personal ausreichen, es müsse entsprechend zusätzlich investiert werden. Vergleichbar wären die Effekte bei Einführung eines „Öko-Tarifs“ für alle. Damit ist die positive ökologische Wirkung solcher Reformen ebenso beschrieben wie die Frage aufgeworfen, wie dann der ÖPNV zu finanzieren sei. International gibt es hierzu interessante Modelle. Um die Diskussion einer grundlegenden ÖPNV-Reform kommt man nicht herum.
  4. Für Mannheim würde eine wesentliche Steigerung der Fahrgastzahlen mit mehr Fahrzeugen und geringeren Taktzeiten sofort die Notwendigkeit bedeuten, das Liniensystem grundlegend zu reformieren. Eine weitere Belastung des Knotenpunktes Paradeplatz, wo sich bisher alle Linien treffen, ist ebenso undenkbar wie die Aufrechterhaltung des status quo am Hauptbahnhof. Hier sind allerdings bereits konkrete Überlegungen zur Kapazitätssteigerung durch mehr Straßenbahn-Bahnsteige im Gange.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE