Gelbwesten-Kundgebung in Mannheim: Nazi-Hetze bleibt nicht unwidersprochen [mit Bildergalerie]
Erneut veranstalteten rechte Aktivist*innen eine Kundgebung in Anlehnung an die französische Gelbwesten-Bewegung, diesmal am Neckartor. Inhaltlich blieb es jedoch sehr deutsch: übelste Hetze gegen Geflüchtete, Muslime, Gewerkschaften, SPD, Grüne und Antifaschist*innen. Die Veranstaltung blieb nicht unkommentiert. Das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim hatte zur Gegenkundgebung mobilisiert. Auf der anderen Straßenseite und direkt neben der rechten Kundgebung widersprachen Antifaschist*innen den menschenverachtenden Parolen.
Mit neongelben Westen und französischen Nationalflaggen verkleideten sich die Rechten erneut im Stil der französischen Bewegung der „Gilet jaune“, die seit Monaten gegen die Politik von Macron auf die Straßen geht. Vor einigen Wochen hatte bereits eine ähnliche Veranstaltung am Nationaltheater stattgefunden. Doch inhaltlich wurde sich weniger an Frankreich, sondern vielmehr an der Politik von AfD und NPD orientiert. Flüchtlinge seien an den sozialen Problemen Schuld, die Bevölkerung würde „ausgetauscht“ und die etablierten Parteien und Gewerkschaften wären die Feinde des Volkes und der Freiheit, was beispielsweise an den Dieselfahrverboten zu sehen sei.
Das Motto der gut zweistündigen Veranstaltung lautete „Spaltung der Gesellschaft“. Es nahmen rund 40 Personen teil. Die komplette Veranstaltung wurde von den Rechten auf Video aufgenommen und anschließend über Facebook auf verschiedenen Kanälen publiziert.
Erneut Seite an Seite: Redner von AfD und NPD
Die Veranstaltung kann als rechte Bündnisaktion gesehen werden. Viele der Redner sind von Auftritten in Kandel bekannt, wo sich Anfang 2018 eine rassistische Bewegung formierte. Als Redner traten sowohl Mitglieder der NPD (Jonathan Stumpf aus Mannheim) und der AfD (Ralph Bühler aus Nußloch), wie auch parteiunabhängige Personen auf. Einer stellte sich als Arif Rudolf Ultler aus Heidelberg vor, der aus einer knapp 20 seitigen „Anklageschrift“ vorlas, was wie eine Mischung aus Verschwörungstheorie und kruder Gesellschaftsvorstellung daher kam. Sie standen hinter einem gebastelten Rednerpult mit der Aufschrift „Mahnmal gegen die Politik“ aus dem blutverschmierte Hände empor ragten.
Kurzfristig war die Kundgebung vom Vorplatz der Abendakademie auf die andere Seite der Fußgängerzone verlagert worden. Laut Polizeieinsatzleiter sei die Absprache erfolgt, da in der Abendakademie Prüfungen stattfänden. Dies hatte zur Folge, dass die Gegenveranstaltung des Offenen Antifaschistischen Treffens in größerer Entfernung stattfand. Mit Bannern, Fahnen und Musik wurde auf die rechte Veranstaltung aufmerksam gemacht. An einem Infostand konnten sich Passant*innen informieren.
Widerspruch gegen die rechten Parolen
Eine Gruppe Antifaschist*innen versammelte sich direkt neben der Gelbwesten-Kundgebung, verteilte Flugblätter und demonstrierte später auch mit Transparenten und Parolen gegen die Rassist*innen an. Die Polizei verstärkte ihr Aufgebot und ließ den Protest in nächster Nähe zu. Das Verteilen von Flugblättern wurde allerdings untersagt.
Im Verlauf der Veranstaltung orientierten sich die rechten Redner immer mehr an den Gegendemonstrant*innen. Die ersten Redner Arif Rudolf Ultler und Kevin Kießling hielten sich noch zurück, ein als Robert vorgestellter Redner schimpfte dann aber lauthals in schwäbisch Richtung Gegendemo und Polizei, dann über die Regierung und drohte „Bald wird es richtig blutig hier!“. Bei diesem Redner handelt es sich vermutlich um einen Robert Vogelmann, der als „Robert Einzelfall“ bundesweit bei Anti-Flüchtlingsprotesten mit einer „Leine des Grauens“ agitiert. Diese „Leine“ ist eine Aneinanderreihung grausamer Bilder, die Gewaltverbrechen darstellen, für die allesamt Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden.
Ralph Bühler (AfD) provozierte in seiner Rede dermaßen, dass ihn ein Veranstalter zur Seite nahm und nach dem Beitrag die anderen ermahnte, bitte nicht so „extreme“ Reden zu halten, da man ja noch öfter in Mannheim demonstrieren wolle.
NPD mit populistischen Parolen für die Querfront
Rainer Berberich, ein NPD-Anhänger aus Mannheim, stellte sich als ehemaliger Linker vor. „Ich war auch mal Kommunist“, die Linken hätten aber die Revolution vergessen. Er hetzte namentlich gegen einige Privatpersonen. Jonathan Stumpf (NPD) schlug bei seiner „Stehgreif-Rede“ ruhigere Töne an. Er sprach von Angriffen auf die Arbeiterklassen. Er behauptete, er wolle mit allen Reden und schlug vor, dass Linke und Rechte „gemeinsam gegen die Globalisierung und den Neoliberalismus“ auf die Straße gehen sollten. Seiner Meinung nach sei das so in Frankreich geschehen. Dafür bekam er von den anwesenden Gegendemonstrant*innen Widerspruch: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ Durch den Gegenprotest und die Zwischenrufe bei seiner Rede, wurde Stumpf immer wieder aus dem Konzept gebracht.
Die menschenfeindliche, rassistische Ideologie musste man bei Stumpf zwischen den Querfront-Parolen suchen. Als er die französische Gelbwesten-Bewegung lobte, sprach er davon, dass diese aus „autochthonen“ Franzosen bestehe und die Randalierer aus den Banlieues davon ausgegrenzt seien. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Die „Gilet jaune“ sind eine sehr heterogene Bewegung und in Frankreich auch regional sehr unterschiedlich aufgestellt. In manchen Ortsgruppen geben Rechte der „Front National“ den Ton an, in anderen sind Linke und Migrant*innen aktiv. Dieser Konflikt wird innerhalb der Bewegung durchaus ausgetragen, es ist keinesfalls so, dass eine „Volksgemeinschaft“ gegen das Establishment entstanden sei.
Gelbwesten in Mannheim: Problem für die AfD, Chance für die NPD
Die französische Bewegung der „Gilet jaune“ bietet für Rechte in Deutschland durchaus Identifikations- und Anknüpfungspunkte. Zudem besteht ganz offensichtlich der Vorteil, dass eine politische Einschätzung für außenstehende schwieriger wird. Wäre die Kundgebung unter AfD- oder NPD-Flagge gelaufen, hätten ihr viele Passent*innen viel schneller den Rücken gekehrt. Die gelben Westen zogen aber durchaus Aufmerksamkeit auf sich und Passant*innen brauchten sichtlich länger, bis sie die Reden inhaltlich zuordnen konnten.
Für die Mannheimer AfD sind Veranstaltungen, wie diese Gelbwesten-Kundgebung oder die Aktion der Jungen Alternative gegen eine Grünen Veranstaltung nicht unproblematisch. Zwar versammelt sich dort das Wählerklientel der AfD, es wird aber offener Rassismus ungeniert ausgelebt. Krude Verschwörungstheorien und Gewaltphantasien sind genauso Teil der Reden, wie wüste Drohungen und Beschimpfungen gegen politische Gegner. Der Mannheimer AfD Kreisverband bemüht sich dagegen sehr um ein seriöses Image und die Vermeidung von Skandalen in der Öffentlichkeit. Daher war von den Spitzenkandidaten der Mannheimer AfD wohl auch niemand auf dieser Nazi-Kundgebung zu sehen. Die NPD witterte dagegen ihre Chance und konnte sich gleich mit ihrem Spitzenkandidaten präsentieren. Auch bei den Rechten ist der Wahlkampf in vollem Gange.
(red)
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