Fridays gegen Altersarmut / Eine kritische Betrachtung der Mahnwachen am 24.01.20 in der Region
Schwetzingen – „Zur »Mahnwache gegen Altersarmut« hatte am Freitag, den 24.01.20, die Initiative »Fridays gegen Altersarmut«, die aus einer Facebookgruppe mit mittlerweile über 300.000 Mitgliedern hervorgegangen war, aufgerufen. Rund 80 Personen mit unterschiedlichen Hintergründen folgten diesem Aufruf in Schwetzingen. Im Vorfeld zu diesen »Mahnwachen«, die bundesweit stattfanden, zeigte sich, dass die Gruppe von Rechtsextremen und Verschwörungsideologen unterschiedlichster Couleur gekapert worden war, um die berechtigen Ängste der Menschen vor Armut im Alter für die eigene Agenda zu instrumentalisieren – über diese Tatsache wurde auch vielfach in verschiedenen Medien, unter anderem im SWR, aber auch in der Schwetzinger Zeitung und in etlichen überregionalen Zeitungen, aufgeklärt. Inwieweit dies für die »Mahnwache« in Schwetzingen ebenso galt, war zunächst unklar, weshalb DIE LINKE Schwetzingen beschloss, der »Mahnwache« mit der gebotenen Skepsis aber doch zunächst unvoreingenommen zu begegnen.
Denn Armut, gerade im Alter, betrifft nach wie vor auch in und um Schwetzingen viele Menschen, und formell sind die angegebenen Ziele der Initiative mit den Ansätzen der Partei DIE LINKE nicht nur vereinbar, einige der formellen Ziele sind tatsächlich originär linke Forderungen.
Stadtrat Werner Zieger meldete deshalb in rund zehn Metern Entfernung zu der »Mahnwache« einen Infostand zum Thema »Wie bekämpfen wir Altersarmut?« an, zu dem DIE LINKE Schwetzingen auch alle anderen demokratischen Kräfte vor Ort einlud, um über die Sozialkonzepte ihrer Parteien zu informieren und in den offenen demokratischen Diskurs zu treten. Anwesend waren am Ende Mitglieder der Schwetzinger LINKEN und der Oftersheimer Grünen, die »Omas gegen Rechts« (Rhein-Neckar) sowie einige (weitere) Interessierte.
Leider zeigte sich, dass die Skepsis angebracht war: Kaum jemand von der Gruppe hatte wirklich Interesse, über Konzepte zur Lösung des realen Problems zu sprechen, während gleichzeitig bei einzelnen Teilnehmern schnell klare rechtsradikale Tendenzen erkennbar wurden – was von den Organisatorinnen und Organisatoren ausdrücklich geduldet wurde! »Darum geht es nicht, hier geht es nur um die Sache, hier kann jeder mitmachen« so Frau Zlabinger, Anmelderin der Mahnwache. Eine andere Mitorganisatorin, die einem Mitglied der Schwetzinger LINKEN unter anderem mit einer Klage drohte, weil Informationsmaterial verwendet wurde, auf dem auch das Logo der »Fridays gegen Altersarmut« zu sehen war, bekräftigte dies: Die Mahnwachen seien überparteilich und wenn sich Neonazis daran beteiligen würden, sei ihr das egal. Das merkwürdige Verständnis des Presserechts blieb aber nicht die einzige surreale Situation: So wurde auch versucht, Personen des Platzes zu verweisen, wobei die etwa 80 Personen starke »Mahnwache« die gesamte Breite der »kleinen Planken« für sich beanspruchte.
Unter den Anwesenden befanden sich auch einige jüngere Rechtsradikale, die bereits regelmäßig bei den Aufmärschen des »Frauenbündnisses Kandel«, das dominiert vom Neonazi Marco Kurz gegründet und dominiert wurde, sowie bei anderen rechtsradikalen Veranstaltungen aufgefallen waren. Als einer der jungen Männer von einer Teilnehmerin des Infostandes darauf angesprochen wurde, warum dieser sie filmt, fand sich die Frau, die zu den »Omas gegen rechts« gehört, sofort von mehreren Männern umringt, die sich bedrohlich aufbauten und das weitere Gespräch unterbanden. Einer der anwesenden Rechtsradikalen beleidigte die Frau dann auch noch und sprach ihr das unter anderem das Menschsein ab.
Auf die Frage eines Schwetzinger LINKEN, ob man denn zumindest von deutlich Abstand nähme, antworteten Ordner der »Mahnwache«, es handle sich hier wahrscheinlich um »die Antifa«, die versuchen würde, die friedlichen Protestierenden hier zu diskreditieren – eingegriffen wurde dennoch nicht. Selbst als die jungen Rechtsradikalen mit Gewalt drohten (»Komm her und ich schlag dir in die Fresse« , »Pass auf, dass du mir nicht im Dunkeln begegnest«), selbst als diese Rechtsradikalen, die sich selbst als »Fahrgemeinschaft 88« (88 steht im Neonazi-Jargon für HH, also »Heil Hitler«), bezeichneten, anfingen, einige Meter entfernt Personen mit rechtsradikalen Äußerungen zu provozieren, hielten es die Organisatorinnen und Organisatoren nicht für nötig, sich davon klar abzugrenzen, geschweige denn einzugreifen. Auf die Frage, ob man denn jetzt wenigstens dieses offen neonazistische Verhalten ablehnen würde, wurde sinngemäß geantwortet, dass man da ja gar nicht mehr zuständig sei, denn diese Äußerungen seien ja nicht im Rahmen der »Mahnwache« gefallen, sondern knapp fünf Meter entfernt. Dass die jungen Männer von Anfang an Teil der »Mahnwache« waren und kurz zuvor noch Flyer der Initiative in der Fußgängerzone an Passantinnen und Passanten verteilt hatten, spielte keine Rolle. Dass daraufhin, nach offenen Beleidigungen, neonazistischen Provokationen und Gewaltandrohungen, ein Mitglied der LINKEN über den Marktplatz rief, man müsse sich als Demokratin oder Demokrat spätestens dann nach rechts abgrenzen, wenn offen rechtsradikale Parolen skandiert und mit Gewalt gedroht wird, wurde im Nachhinein von der Anmelderin Petra Zlabinger kommentiert, indem sie dies als »Stunk machen« abtat.
»Leider haben sich unsere Befürchtungen bestätigt: Zwar sind sicherlich nicht alle, die heute hier aufgetaucht sind, Rechtsradikale, und wir haben mit einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch konstruktive und respektvolle inhaltliche Gespräche führen können,« so Florian Reck von der LINKEN in Schwetzingen, »aber bei anderen Teilnehmern zeigte sich schnell die rechtsradikale Gesinnung überdeutlich. Dass zu diesen überdeutlich antidemokratischen Tendenzen, insbesondere zu neonazistischen Äußerungen und Gewaltandrohungen, keine Abgrenzung stattfand, ist mehr als bedenklich.« Stadtrat Werner Zieger ergänzt: »Wenn soziale Themen von Radikalen gekapert werden, muss man einfach mal ein bisschen Rückgrat zeigen, den Rücken gerade machen und sich denen stellen! Für DIE LINKE Schwetzingen heißt das auch: Wir kämpfen weiter gegen jede Form von Armut insbesondere Altersarmut! Ebenso werden wir weiter für soziale Gerechtigkeit und gegen die zunehmende Ungleichheit in diesem Land kämpfen.«
Enttäuschend war übrigens auch die Berichterstattung der Schwetzinger Zeitung: Während im Vorfeld durchaus kritisch über den Hintergrund der »Fridays gegen Altersarmut« berichtet wurde, war die Stimmung beim Ortstermin am Lutherhaus eine völlig andere. Weder wurde mit anwesenden Kritiker*innen der Gruppe gesprochen, noch wurden die Teilnehmenden auch nur eine einzige kritische Frage gestellt. Mit Qualitätsjournalismus hat das leider wenig zu tun. Wenn man als Journalist*in um die kritische Zusammensetzung einer Gruppe weiß, besteht auch die journalistische Pflicht, hier nachzuhaken!“
(Pressemitteilung Die Linke Schwetzingen am 25.01.20)
Worms und Frankenthal – Der Volksverpetzer berichtete u.a. über die Mahnwachen in diesen beiden Städten mit Beteiligungen der örtlichen AfD und NPD, sowie in der Region bekannter rechtsradikaler “Gelbwesten”. Die Angaben bezüglich Frankenthal wurden unabhängig davon von einem DGB-Vertreter bestätigt.
https://www.volksverpetzer.de/recherche-afd/so-rechts-fridays-altersarmut/
Heidelberg – Dort soll sich nur eine Vertreterin der dortigen AfD zur Mahnwache „verirrt“ haben. Aufmerksamkeit soll ihr keine geschenkt worden sein, so berichtet ein kritischer Beobachter.
Landau – Es wird berichtet, dass zwei Störer, die dem Umfeld der rechtsextremen Partei Die Rechte zugeordnet werden können, auffällig wurden. So sollen die „Omas gegen Rechts Kandel und Südpfalz“ angegriffen worden sein. Die beiden Protagonisten sind auch schon bei Aufzügen der Kameradschaft „Widerstand Zweibrücken“ beobachtet worden.
Speyer – Der Sprecher von Aufstehen gegen Rassismus Speyer spricht von ca. 60 Teilnehmern bei der Mahnwache. Die Anmelderin hatte sich schon im Vorfeld von der Unterwanderung durch Rechtsextreme und von der “Madsen-Fridays gegen Altersarmut-Gruppierung” distanziert. Trotzdem erschienen einige stadtbekannte Rechtsradikale, die jedoch unauffällig blieben.
(Bericht: Christian Ratz)