Anette-Langendorf-Park: Eine widerständige Mannheimerin soll geehrt werden
Im Gemeinderat wurden von den Fraktionen Grüne und Li.PAR.Ti gleichlautenden Anträge gestellt. Um die Lebensleistung von Anette Langendorf zu ehren, soll der geplante Parkstreifen auf dem Turleygelände „Anette-Langendorf-Park“ benannt werden. Auch die SPD hat angekündigt, den Antrag mitzutragen.
Die Fraktionen wollen damit eine Frau ehren, die wie kaum eine andere die Verbrechen des Nationalsozialismus ertragen musste und dennoch mutig, motiviert und voller Tatendrang nach 1945 am Wiederaufbau Mannheims vielfältig mitarbeitete.
Politisch aktiv in Mannheim und Württemberg-Baden
Geboren wurde sie 1894 in Leipzig und kam über Stationen in Mülhausen und Lörrach mit ihrer Familie 1921 nach Mannheim, zunächst nach Friedrichsfeld, damals noch eine eigenständige Gemeinde. Ihr politisches Engagement erlernte Sie bereits früh in der Familie. Nach Stationen in der SPD und USPD wurde sie KPD Mitglied und übernahm dort verschiedene Funktionen und Ämter.
Ab 1921 war sie im Friedrichsfelder Gemeinderat und ab 1930, nach der Eingemeindung, als Stadtverordnete in Mannheim tätig. Von 1929 bis 1933 gehörte sie mit Georg Lechleiter dem Badischen Landtag an.
Die Jahre 1933 bis 1945
In den Jahren 1933 bis 1945 musste Anette Langendorf furchtbares Leid erfahren. Ihr Ehemann Rudolf Langendorf wurde wegen seiner Widerstandstätigkeiten bei der Lechleitergruppe verhaftet und 1942 von den Nazis ermordet. Ihre beiden Söhne wurden eingezogen und mussten an der Ostfront kämpfen. Einer wurde erschossen, vermutlich beim Versuch überzulaufen, der andere überlebte nur knapp.
Anette Langendorf wurde auch selbst verhaftet und im KZ Ravensbrück interniert. Sie überlebte die Lagerhaft, auch dank ihrer guten Kontakte zu anderen KPD-Frauen, die sie während einer schweren Erkrankung pflegten und versteckten. Nach der Befreiung durch die Rote Armee war sie für kurze Zeit Bürgermeisterin im Nachbarort des KZ, Fürstenberg an der Havel, ging dann aber bald weiter nach Berlin und zurück nach Mannheim.
Wiederaufbau des neuen Deutschlands
Trotz ihrer Sympathien für den Sozialismus blieb Anette Langendorf in Westdeutschland und arbeitete am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mit. Sie gehörte 1946 der vorläufigen Volksvertretung und der Verfassungsgebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden an. Ab 1947 war sie Abgeordnete des Landtages von Württemberg-Baden. 1945 bis 1956 war sie Mitglied des KPD-Landesvorstandes.
Sie wurde in Mannheim als eine von nur zwei Frauen in den ersten Gemeinderat nach dem Krieg gewählt. Einige Jahre war sie Fraktionsvorsitzende der KPD-Fraktion. Nach dem KPD-Verbot 1956 gehörte sie als Parteilose noch bis 1959 dem Gemeinderat an.
Mitbegründerin der VVN Mannheim
Doch nicht nur in den Parlamenten war Anette Langendorf aktiv. Zusammen mit Jakob Baumann (SPD) gründete sie 1947 die Kreisvereinigung Mannheim der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Sie machten es sich zur Aufgabe, für die rund 1800 vom NS-Terror verfolgten Mannheimer*innen zu sorgen und für ihr Andenken zu kämpfen.
Neben der praktischen Hilfe bei der Vermittlung von Lebensmitteln und Unterkünften, wurden auch kulturelle Veranstaltungen organisiert und es gab politische Auseinandersetzungen, beispielsweise um den „Friedensengel“, der 1952 von Oberbürgermeister Heimerich und Bundeskanzler Adenauer eingeweiht wurde.
Langendorf kritisierte, dass die Skulptur pauschal an alle Toten des Zweiten Weltkriegs erinnern sollte, an Nazis und Verfolgte gleichermaßen. Geld für ein Denkmal für die Widerstandskämpfer*innen am Lechleiterplatz wurde damals nicht bewilligt. Die Einweihung des heutigen Gedenkortes, an dem auch ihr Mann Rudolf Langendorf geehrt wird, erfolgte erst 1988, fast 20 Jahre nach ihrem Tod.
Ihre letzten Jahre verbrachte Anette Langendorf mit ihrem neuen Lebensgefährten Willy Grimm, der ebenfalls ein politischer Mitstreiter war, in Mannheim-Feudenheim.
Dokumentarfilm geplant
In Vorbereitung des 75-jährigen Bestehens der VVN Kreisvereinigung Mannheim recherchierten die Kreisvorstandsmitglieder Fritz Reidenbach und Klaus Dollmann zum Leben von Anette Langendorf. Dabei tauchten im MARCHIVUM (Stadtarchiv Mannheim) und im Archiv der KZ Gedenkstätte Ravensbrück teils wenig bekannte Dokumente auf, die einen neuen Blick auf ihre politische Tätigkeit und ihre Zeit im KZ ermöglichten.
Das politische Leben von Anette Langendorf soll in Form eines Dokumentarfilms der Öffentlichkeit zugänglich werden. Neben den archivarischen Dokumenten stellen sechs Interviews das inhaltliche Fundament des Films dar. Besonders die persönlichen Schilderungen von Gudrun Langendorf machen den Film sehr lebendig. Die Schwiegertochter von Anette Langendorf lebt in Berlin und lernte Anette Langendorf nach der Geburt des Enkenkindes in den 60er Jahren bei Familientreffen kennen.
Der Dokumentarfilm wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert und soll im Januar 2022 im Cinema Quadrat Premiere feiern. Kommunalinfo Mannheim unterstützt die Produktion im Rahmen einer Medienpartnerschaft. Im Februar des kommenden Jahres ist außerdem eine Veranstaltung zum 75-jährigen Bestehen der VVN Mannheim im MARCHIVUM geplant.
Straßenbenennung nicht möglich – stattdessen Benennung eines Parks
Im Rahmen der Interviews zum Film kam heraus, dass eine Straßenbenennung zu Ehren Anette Langendorfs nicht möglich ist. Es gibt bereits eine Rudolf-Langendorf-Straße in Mannheim-Friedrichsfeld. Wegen Verwechslungsgefahr sind zwei „Langendorf-Straßen“ in einer Stadt aus ordnungsrechtlicher Sicht nicht möglich. Auch eine Berta-Benz-Straße wäre beispielsweise in Mannheim nicht erlaubt. Aber der Benennung eines Ortes, Platzes oder Gebäudes ohne relevante Adressfunktion spricht nichts entgegen.
Daher stellen die Fraktionen nun einen Antrag im Gemeinderat, den geplanten Park auf dem Turley-Konversionsgelände nach Anette Langendorf zu benennen. Zur Zeit wird der zukünftige Park noch als Baustellenlager genutzt, die Fertigstellung wird noch einige Zeit dauern. Wenn es dann soweit ist, wird sich Anette Langendorf sicherlich wohl fühlen in der dortigen Gesellschaft neben Fritz Salm, Marianne Cohn, Samuel Turley und anderen. Alle Namensgeber*innen der dortigen Straßen haben nämlich eines gemeinsam: Sie waren in vielfältiger Weise gegen die Nazis im Widerstand aktiv. (cki)