Mark Twain Center in Heidelberg: Stellungnahme des Friedensbündnisses Heidelberg zum Programm der Eröffnung des MTC
Das Mark Twain Center verspricht an sich eine interessante Einrichtung zu werden; auf die multimediale Ausstellung zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen sind wir gespannt. Es ist uns, den Mitgliedern des Friedensbündnis Heidelberg, klar, dass bei einem solchen Thema Meinungsverschiedenheiten nicht ausbleiben können. Das Programm zu seiner feierlichen Eröffnung am Freitag 20. Mai, vermittelt jedoch einen eher unerfreulichen Vorgeschmack auf die Arbeit des Zentrums. Mit ihrer einseitigen Referentenauswahl und ihrer Untermalung durch ein Militärorchester wirkt die Veranstaltung nahezu konträr zu dem, wofür der Name und das Vermächtnis Mark Twains stehen.
In einer Zeit, in der Russland zu Recht für seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine verurteilt wird, halten wir es für völlig unangemessen, ausgerechnet die US-Armee per Grußwort und musikalische Umrahmung unkritisch einen guten Teil der Feierlichkeiten bestreiten zu lassen ‒ eine Armee, die in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl völkerrechtswidriger Kriege führte.
Es waren verheerendere Kriege mit Hunderttausenden von Opfern, die nicht zuletzt von den Heidelberger Hauptquartieren aus geführt wurden, zum Teil sogar aus den Räumen des nun feierlich eröffneten neuen Zentrums heraus. Hier saßen Kommandeure und führende Stäbe, die militärische Angriffe in Vietnam, Laos, Kambodscha, Afghanistan, Irak und vielen anderen Ländern planten, während die Truppen auch über die Heidelberger Kasernen in die Kriegsgebiete befördert wurden. Der oberste Befehlshaber in Heidelberg war zeitweilig auch der Oberkommandierende der Besatzungstruppen im Irak.
Die Vorbesitzer waren keine normalen Hausherren, die man nach dem eigenen Einzug noch einmal feierlich begrüßt. Die Funktion, die sie hier ausübten, sollte auch bei solchen Anlässen in geeigneter Form thematisiert werden.
In einer Situation, in der dringend ein Engagement gegen eine immer weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine gefragt ist, halten wir es, als Aktive der Friedensbewegung, zudem für unangemessen, einen Referenten wie Prof. Detlef Junker einzuladen und ihn zum Thema „Kein Frieden ohne Sicherheit“ sprechen zu lassen, besonders nach dessen geschichts-revisionistischen Artikel in RNZ vom 23. März 2022 („Wer in ‚Mein Kampf‘ nachliest, lernt auch die Ideen des russischen Präsidenten besser zu verstehen“). Von einem Historiker, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin faktisch auf eine Stufe mit Adolf Hitler stellt, ist kein Beitrag zu erwarten, der mit dem Namen des Zentrums vereinbar ist.
Wir bleiben jedoch aufgeschlossen und hoffen, dass Veranstaltungen in Zukunft mehr im Sinne des dezidierten Antimilitaristen Mark Twain sein werden, der sich vor allem mit ganzer Kraft gegen die Kriege und Interventionen der USA eingesetzt hatte. Es sollten nun auch Stimmen zu Wort kommen, die sich für Frieden und Entspannung einsetzen, eine Welt, in der nicht mit Hochrüstung und Militär Dominanz angestrebt wird, sondern ein System gemeinsamer Sicherheit, wie es bereits einmal ‒ nach Ende des Kalten Krieges ‒ angedacht war.
Friedensbündnis Heidelberg, 18.05.2022
Anmerkung der Redaktion: Der Namensgeber Mark Twain desertierte aus einer Süd-Staaten-Miliz zu Beginn des Amerikanischen Sezessionskrieges und kritisierte den amerikanischen „Imperialismus“ im Spanisch-Amerikanischen und im Philippinisch-Amerikanischen Krieg (Wikipedia). Bei Gründung des Mark-Twain-Center wurde im Heidelberger Gemeinderat im November 2018 heftig gestritten über das Betreiberkonzept. Der Mannheimer Morgen berichtete am 29.11.2018: „Gemeinderätin Sahra Mirow (Die Linke) erhob zunächst Einspruch gegen die Vorlage der Verwaltung. ‚Uns ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Rolle der US-Amerikaner in Heidelberg versprochen worden – aber ich lese hier nichts über den US-Imperialismus, die schmutzigen, aus Heidelberg geführten Kriege und die vielen Toten‘“. Dem entgegnete Kulturbürgermeister Joachim Gerner: „‘Haben Sie doch bitte das Vertrauen, dass wir diese kritischen Themen im Mark Twain Center behandeln werden‘. Die inhaltliche Arbeit liege schließlich bei drei vertrauenswürdigen Institutionen: Das städtische Kurpfälzische Museum, das Deutsch-Amerikanische Institut (DAI) und das Heidelberg Center for American Studies der Universität (HCA) sollen das MTC betreiben.“ Der Festredner bei der Eröffnung, Prof.emeritus Detlef Junker, ist der Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies (HCA).
In einem Beitrag für die RNZ vom 25.03.2022 vergleicht er Hitler und Putin in Bezug auf ihr Geschichtsverständnis und ihr daraus resultierendes Sendungsbewusstsein. Zu Putin schreibt er u.a.: „Sein Wille, mit allen Mitteln die Deutungsherrschaft über die russische Geschichte zu erzwingen, entwickelte sich parallel mit dem Aufbau einer Diktatur und der Modernisierung der Streitkräfte. Er will offensichtlich ein neues russisches Imperium errichten. Das Verbot der unabhängigen, 1989 von Menschenrechtsaktivisten gegründeten Institution ‚Memorial‘ ist nur folgerichtig.“ Junker bezieht sich im Folgenden dann auf den am 12. Juni 2021 veröffentlichten „Aufsehen erregenden“ Artikel Putins: „Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern“. (tht)