„Nie wieder ist jetzt“ – Wer auf der Bühne stand und wer fehlte
Bei der Mannheimer Großkundgebung „Nie wieder ist jetzt“ für Vielfalt und Demokratie mit 15.000 bis 25.000 Menschen (da gehen die Einschätzungen auseinander) versammelten sich auf der Bühne hinter dem Oberbürgermeister Vertreter*innen der Mannheimer Parteien. Logischerweise war die AfD nicht dabei, denn gegen ihre Politik richtete sich die Kundgebung – auch wenn sie im Aufruf nicht namentlich erwähnt wurde.
Aber noch jemand fehlte: Die Mannheimer Liste (ML), immerhin in Fraktionsstärke im Gemeinderat vertreten und laut eigener Aussage seit mehr als 70 Jahren in Mannheim politisch engagiert.
Warum die Mannheimer Liste nicht auf der Bühne stand
Das Fehlen sorgte für einigen Konfliktstoff. Den Initiator*innen der Kundgebung wurde vorgeworfen, sie hätten die ML bewusst ausgegrenzt. Diese wiederum verwiesen auf eine E-Mail, die an alle Fraktionen im Gemeinderat (außer der AfD) ging und dazu aufforderte, den Aufruf zu unterstützen. Das sei von der ML aber nicht gemacht worden. Sie haben sich demnach selbst ausgegrenzt.
Die ML verteidigte sich später, dass sie auf der Kundgebung präsent gewesen seien, vertreten durch Christiane Säubert, stellvertretende Vorsitzende. „Der Bürger unterscheide nicht, ob jemand auf der Bühne stehe oder davor“, wird ML Fraktionschef Holger Schmid im Mannheimer Morgen zitiert, der von der Nominierungsveranstaltung der ML Kandidat*innen zur Gemeinderatswahl berichtete.
Außerdem kritisierte Schmid demnach den Auftritt der „Free Palestine“ Gruppe als „absurd und unerträglich“ und warf den Veranstalter*innen vor, man hätte abbrechen müssen. Eine solche Kundgebung solle zukünftig besser von OB und Verwaltung organisiert werden, so Schmid.
Der eigentliche Grund für das Fernbleiben der ML
Aber warum hat die ML den Aufruf nicht unterzeichnet? Der ML wäre es vermutlich am liebsten gewesen, wenn niemand ihr Fernbleiben bemerkt hätte. Für ihren Wahlkampf dürfte ein gemeinsamer Auftritt mit SPD, Grünen und Linken problematischer sein, als die Nähe zur AfD. Die Mannheimer Liste gehört zu den Freien Wählern und die stehen politisch in kulturellen Fragen dem Konservatismus sehr nahe – und damit eher den rechten Parteien CDU und AfD, als dem rot-grün-rotem Lager.
Zuletzt hatte die ML eine große Kampagne gegen das Gendern gestartet (KIM berichtete) – ein kulturelles Kernthema sowohl von der CDU, wie auch von der AfD.
Wenn CDU oder ML auf einer Bühne bei einer Kundgebung gegen Rechts stehen, dann ist das für die Bürgerlich-Konservativen ein Drahtseilakt. Einerseits will man sich nicht aus dem demokratischen Konsens ausklinken – klare Abgrenzung von „Rechtsextremen“ – andererseits fischt man im Wahlkampf in den selben Becken, wie die AfD.
Und die CDU?
Aber warum war die CDU auf der Bühne? Im Gegensatz zur ML hatte sich die CDU früh dazu entschieden, Teil des „demokratischen Blocks“ gegen rechts zu sein. Auch das dürfte mehr auf eine strategische Überlegung, als auf die politische Nähe zum Orga-Team der Kundgebung zurückzuführen sein.
Zurecht darf man fragen: Was macht die CDU eigentlich auf dieser Kundgebung? Auslöser der bundesweiten Massenproteste gegen rechts war das von „Correctiv“ aufgedeckte, sogenannte „Geheimtreffen“ bei Potsdam. Unternehmer, AfD-Funktionäre und Identitäre Bewegung hatten Pläne zur rassistisch begründeten Vertreibung von Menschen aus Deutschland geschmiedet.
Mit dabei waren aber auch CDU Mitglieder. Sogar mehr CDU Mitglieder, als AfD Mitglieder, behauptete AfD Chef Chrupalla in einer Talkshow – was er allerdings verschweigt: Während von AfD wichtige Funktionsträger*innen anwesend waren, waren die CDU Mitglieder über die Werteunion mit der rechten Szene vernetzt. Dieser CDU-nahe Verein spaltet sich aktuell von der CDU ab und gründet mit Ex-Verfassungsschutz Chef Maaßen an der Spitze eine neue rechte Partei.
Brandmauer aufbauen
Insofern ist die Abgrenzung der CDU von der AfD und offen völkisch-rassistischen Kreisen durchaus schlüssig. Gerade in Mannheim versuchen die Initiator*innen der Kundgebung gegen rechts eine neue Brandmauer aufzubauen – und die CDU soll auf die richtige Seite gezogen werden.
Die Kommunalwahl im Juni könnte durch den gesellschaftlichen Rechtsruck die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat neu sortieren. Die seit Jahren gut eingespielte rot-grün-rote Mehrheit hat bereits mit dem neuen OB Specht einen Riss bekommen. Wenn sich die Mehrheiten weiter nach rechts verschieben, könnte die AfD das Zünglein an der Waage werden, befürchtet Grünen Stadtrat und Kundgebungs-Initiator Gerhard Fontagnier.
Der ohnehin schon sehr freundschaftliche Umgang einiger Stadträt*innen demokratischer Parteien mit der AfD, könnte sich zu einer strategischen Zusammenarbeit weiter entwickeln. Das wird gerne als „Thüringer Verhältnisse“ bezeichnet, in Anspielung auf die Wahl des FDP Politikers Thomas Kemmerich, der mit den Stimmen der Höcke-AfD für kurze Zeit Ministerpräsident wurde.
Viele gemeinsame Interessen verbinden die Parteien „rechts der Mitte“ auf kommunaler Ebene, sei es die Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen, Verkehrspolitik, Straßenumbenennungen, Demokratie- und Vielfaltsprojekte oder das oft belächelte, aber faktisch für viele extrem wichtige Thema „Gendern“.
Der Kampf gegen rechts wird in den kommenden Monaten auch ein Kampf um Bündnispartner*innen, offene und geheime Absprachen und politische Strategien werden. (cki)