„Es genügt nicht alleine gegen Rassismus zu sein, man muss AntirassistIn sein“
Der Verein „Mannheim sagt Ja!“ veranstaltete am 05.03.2020 eine Autorinnenlesung der anderen Art. Zu Gast war die Journalistin und Autorin Alice Hasters aus Berlin, die kurze Passagen aus ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus wissen wollen – aber wissen sollten“ las. Der Abend war Menschen anderer Hautfarbe gewidmet – People of Color (PoC). Nicht von oben herab, sondern bottom-up. Als Forum und zum Austausch. Rund 100 Menschen kamen, um an der Veranstaltung im Capitol teilzunehmen. Weitere mehr wären auch gerne dabei gewesen; jedoch war die Räumlichkeit bereits eine halbe Stunde vor Beginn an den Kapazitätsgrenzen angelangt.
Alltagsrassismus und Menschen-Gruppen-bezogene-Feindlichkeit sind die Probleme
Herausgestellt wurden diese Themen durch die Referentin und die Moderatorin, Tala Al-Deen (Schauspielerin am Nationaltheater Mannheim). Alice Hasters sagte, dass es ihr schwer fiele in einem Kulturraum in Mannheim zu sein, indem sich nach wie vor ein Werbesymbol mit Bezug auf die unrühmliche deutsche Kolonialgeschichte befindet. Tala Al-Deen und sie vertraten die Auffassung, dass dieses „Teil“ aus Respekt und in Solidarität mit den People of Color dort nicht mehr hingehört und anderenorts besser, zum Beispiel in einem Museum platziert wäre. Das Publikum applaudierte zustimmend.
Was es emotional mit Menschen anderer Hautfarbe macht, der allgegenwärtige Rassismus, wurde deutlich, als eine Zuhörerin unter Tränen der Autorin für ihr bloses Dasein in Mannheim dankte. Eine junge Frau aus unserer Mitte – eine PoC.
„White Supremacy“ oder wie es ein Vertreter der verfassungsfeindlichen, rechtsextremen NPD in Mannheim als „Ethnopluralismus“ bezeichnete (Kommunalwahlkampf 2019), ist nichts weiteres als purer Rassismus und Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen. Auch dieses Thema wurde unter vielen weiteren besprochen.
Es wurde die Frage aufgeworfen, „Warum bin ich durch Rassismus betroffen? Liegt es eventuell an mir, als PoC?“
- Volles Haus
- Tala Al-Deen und Alice Hasters
- im Casino-Capitol
Auf die genannte Frage gab es ein klares Nein zur Antwort. Rassismus ist strukturell und institutionell in der deutschen Gesellschaft verankert. Hier liegt der Handlungsbedarf aktuell und für künftige Generationen, so die einstimmige Meinung des Publikums.
Als eindeutig mitschuldig am aufkeimenden Neofaschismus wurde die AfD mehrfach genannt. Auch in der Diskussionsrunde mit dem Publikum.
Capitol-Geschäftsführung und Mannheimer Morgen unter massiver Kritik
Kritisiert wurde die Tageszeitung Mannheimer Morgen aufgrund der Berichterstattung zum Thema „Sarrotti-Mohr Werbeschild“, wegen einer tendenziösen Online-Umfrage, welche Räume für rassistische Ressentiments öffnete. Besonders scharf kritisiert wurde die Veröffentlichung von Leserbriefen nach dem rassistischen Attentat in Hanau vor wenigen Wochen, die seitens der Redaktion nicht moderiert worden sein sollen.
Heftige Kritik erfolgte auch in Richtung der Capitol-Geschäftsführung. Diese habe bislang noch nicht die Tragweite der Verletzung und der Gefühle der betroffenen Menschen erkannt, geschweige denn gehandelt. (Nach KIM-Informationen, nehmen aufgrund der Kontroverse bereits seit längerem ehemalige und potentielle neue Kunden Abstand vom Capitol-Kulturangebot). Ein Vertreter der Geschäftsführung war am Anfang der Veranstaltung zu beobachten. Danach war er weg.
Kommentarisches Fazit:
Alle TeilnehmerInnen, inklusive mir, haben an diesem Abend etwas mitgenommen – neue Erkenntnisse gesammelt, bestehende Kontakte erneuert oder neue geknüpft. Auch wenn sich die Capitol-Geschäftsführung wegduckte – sich der Diskussion nicht stellen wollte. Geschlossenheit und Solidarität stehen im Vordergrund. Antifaschistische/antirassistische Aktionen werden heute deutlich mehr benötigt als noch gestern.
Oder wie es Gerhard Fontagnier (Vorsitzender von Mannheim sagt Ja!) zum Abschluss der Veranstaltung, sagte:
„Es genügt nicht alleine gegen Rassismus zu sein, man muss schon AntirassistIn sein“
Das Buch von Alice Hasters ist in fünfter Auflage unter ISBN 978-3-446-26425-0 im Hanser-Literaturverlag erschienen.
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)