Aktionstag Sicherer Hafen zum Kommen und Bleiben
Samstag, 30.1. Das regnerische und kalte Wetter passt irgendwie zum Anliegen des Aktionstages: Sofortige Evakuierung der Geflüchteten aus den Elendslagern auf den griechischen Inseln und jetzt auch noch in Bosnien, wo die Menschen bei Regen und Schnee, im Schlamm, ohne Schutz und irgendwelche sanitäre Infrastruktur festgehalten werden bzw. festsitzen. Die Geflüchteten in Bihac-Lipa an der bosnischen Nordwestgrenze werden von kroatischen Grenzposten bei jedem Versuch, über die Grenze zu kommen, zurückgetrieben – und das mit deutscher finanzieller Unterstützung für die „Sicherung der europäischen Außengrenzen“. Nach wie vor katastrophal ist die Situation in dem Lager Kara Tepe (Ersatz für Moria). Hinzu kommt inzwischen die vollkommene Schutzlosigkeit gegenüber der Pandemie.
Das in der Seebrücke zusammengeschlossene breite Bündnis fordert in Baden-Württemberg seit Langem einen Landesaufnahmeplan für Evakuierte aus den Lagern. 24 Gemeinden haben sich allein in Baden-Württemberg unter Führung des OB von Rottweil zusammengetan mit der Botschaft: Wir sind bereit, Geflüchtete direkt und jederzeit zu übernehmen, wir fordern den Bundesinnenminister auf, endlich die Einreise der Geflüchteten zuzulassen und zu organisieren.
Anlässlich des bundesweiten Aktionstages macht Seebrücke Mannheim auf die Situation in den Lagern und das Sterben im Mittelmeer aufmerksam. Auf der Neckarwiese zwischen Ebertbrücke und ALTER gibt es vier Stationen: Soli-Fotos, Protestschreiben an das baden-württembergische Staatsministerium oder an Horst Seehofer, Informationen über Einzelschicksale von auf der Flucht zu Tode gekommenen Menschen. Eine symbolträchtige Malaktion gibt es an der vierten Station: „So viele Steine haben wir nicht, dass für jeden im Mittelmeer auf der Flucht ertrunkenen Menschen ein Stein bemalt werden könnte“.
Es ist zum Verzweifeln: Da gibt es bundesweit über zweihundert Städte und Gemeinden, die sich dem Bündnis „Sichere Häfen“ angeschlossen haben, es gibt Bemühungen um Landesaufnahmepläne. Diese fußen auf § 23(1) AufenthaltsG. Danach können die obersten Landesbehörden „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen (…) anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird“ – also z.B. Geflüchteten aus den Lagern. Selbst wenn jedoch eine solche Anordnung als Landesaufnahmeprogramm irgendwann einmal erreicht würde, hält das Aufenthaltsgesetz eine mächtige Bremse bereit: „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat“, also: Seehofer müsste zustimmen. Es gibt Initiativen, die eine Abschaffung dieser Zustimmungspflicht bezwecken, aber auch dieser Kampf ist zäh.
Am Donnerstag, 28.1. beantwortete OB Peter Kurz in der Hauptausschusssitzung wieder mal eine Anfrage zu seinen Aktivitäten in Sachen „Sichere Häfen“ – diesmal auf Fragen der Grünen. Er gab bekannt, dass die Stadt Mannheim durch eine Mitarbeiterin in seinem Stab an den Treffen des Landesbündnisses regelmäßig teilnehme. Dort gebe es einen Informationsaustausch über die Unterbringung von Geflüchteten und es werde an einem Landesaufnahmeprogramm gearbeitet. Dies sei allerdings noch nicht aufgestellt.
Es wird also noch viele Aktionen für die Aufnahme von Geflüchteten und die ständige Aufrüttelung der Öffentlichkeit geben müssen, um diese allen erhabenen Werten der EU und des Grundgesetzes schreiend widersprechenden Elendszustände zu beenden: „Baden-Württemberg – sicherer Hafen zum Kommen und bleiben“.
Nachtrag zu einem Schnappschuss:

Wenn es um Geflüchtete geht, ist die Staatsmacht nicht weit. (Fotos: KIM)
Wahrscheinlich wollen sich die Polizisti*innen in ihren gleich zwei schweren Limusienen nur vergewissern, dass die Seebrücke-Aktivist*innen nicht in den Fluten des über die Ufer tretenden Neckar ertrinken?
Das Bild weckt ungute Assoziationen: Geflüchtete haben eigentlich immer mit Vertretern von Staatsmacht, teils auch in Form von Milizen zu tun bzw. diese zu fürchten: In ihren Heimatländern leiden sie oft unter der Gewalt von Militär, Polizei, marodierenden Bewaffneten. Auf der Flucht stoßen sie, je näher die den “europäischen Außengrenzen” z.B. in der libyschen Wüste oder an der türkischen Grenze kommen, auf staatliche Gewaltorgane, zu Wasser auf die Küstenwachen, die von europäischen Mächten finanziell und personell z.B. über FRONTEX-Leute unterstützt werden. Sie werden interniert, gejagt und zurückgestoßen wie z.B. in Griechenland und auf der Balkan-Route. Endlich mit viel Glück z.B. in Deutschland angekommen, geht es weiter in LEAs, ständig “begleitet” von privaten Sicherheitsdiensten in staatlichem Auftrag, racial profiling durch die Polizei bei Bewegung im öffentlichen Raum und schließlich, bei Scheitern des Asylantrags, u.U. die Abschiebung. Hierbei kommt die Polizei auch mal morgens um vier vorbei und verhaftet Abzuschiebende oder holt – wie in Neckarstadt-West schon vorgekommen – Kinder aus Kita und Schule zwecks sofortiger Abschiebung. Bei der Abschiebung sind sie in der Gewalt von Bundesgrenzschutz und FRONTEX. Selbst bei Ankunft im Zielland erneut “Empfang” durch die Polizei.
Thomas Trüper