OB Spechts erster Haushaltsentwurf mit neuen Akzenten?
Wahlkämpfer Specht: „Dein Mannheim kann mehr“ – kann es?
Da der neue OB Christan Specht erst seit wenigen Monaten im Amt ist, kann man seinen ersten Haushaltsplanentwurf (nur für 2024 – kein Doppelhaushalt) als OB fairerweise nicht allzu sehr mit Erwartungen von Neuem und Umwerfendem konfrontieren mit der Messlatte aus Spechts Wahlkampf. Aber als langjähriger Kämmerer, der er war, ist er ja andererseits bestens mit der Materie vertraut und hat sicher ein ganzes Merkbuch von Dingen, die er eigentlich schon lange hätte ändern wollen, wenn seien vorgesetzter OB Peter Kurz nicht seinen eigenen Sichtweisen zu Messlatte gemacht hätte.
Specht nennt als Ziele der Haushaltsplanung zunächst Vorgaben, die das Regierungspräsidium Karlsruhe bei der Genehmigung des Haushalts 2023 gemacht hatte:
„Die Mindestliquiditätsreserve wird im gesamten Zeitraum der Finanzplanung sichergestellt.
• Die Verbesserungen aus den Rechnungsergebnissen 2022 und 2023 werden für die Sicherstellung der Mindestliquidität und für die Verlustabdeckung des UKMA verwendet.
• Ab 2025 werden die Zuschussbedarfe an die UKMA im Haushalt veranschlagt (10 Mio. p.a.)
• Die Ansätze für Investitionen werden auf Basis der bisher erfolgten und in den Planjahren erwarteten Mittelabflüsse geplant. Dies findet auch Anwendung bei den Eigenbetrieben.“
Das Klinikum Mannheim ist mittlerweile für seinen kommunalen Träger Stadt Mannheim finanziell betrachtet ein zu mächtiger Klotz am Bein. Die durchweg defizitären Unikliniken in Baden-Württemberg werden vom Land ausgeglichen. In Mannheim müssen alle evtl. im Haushaltsvollzug erzielten Überschüsse in das Finanzloch UMM gekippt werden. Hier ist die mächtigste Finanz-Baustelle der Stadt definiert: Wie schnell kann das Klinikum Mannheim auf das Land übergehen und Mannheim von den enormen Verlustausgleichen befreit werden? Immerhin hat Specht seinen momentan arbeitslosen Vorgänger Peter Kurz als Berater und Unterhändler in Sachen Klinikum ernannt.
Als zusätzliche Restriktionen, die der Gemeinderat durch Verbabschiedung des Haushaltsplanentwurf anerkennen soll, sind die wesentlich zwei Punkte zu vermerken:
- Keine Erhöhung der Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuer.
- Keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung lt. Hauptsatzung.
Hinsichtlich Gewerbesteuer klingt das ganz vernünftig, wenn man bedenkt, dass vor allem Klein- und Mittelbetriebe damit belastet werden. Bei der Grundsteuer. ist der Grundsatz der Nichterhöhung aber bei intensiverer Betrachtung gar nicht so selbstverständlich, da Specht an anderer Stelle Gebührenerhöhungen in Aussicht stellt. Was hier mehr bringt und v.a. was sozialer ist, muss geprüft werden, wenn man bedenkt, dass Mieter:innen zwar zusätzlich relativ geringfügig mehr belastet würden, dafür aber die großen Industrie- und Villenflächen umso mehr. Bei Gebührenerhöhungen verhält sich dies gerade umgekehrt.
Das Nettoneuverschuldungsverbot bei gleichzeitiger Kappung der Einnahmemöglichkeiten führt zu abnehmender Finanzkraft für die zahlreichen erforderlichen Zukunftsinvestitionen und schließlich auch zu abnehmender Liquidität. So stellt er denn auch fest: „Tatsache ist jedoch, dass diese prognostizierten Überschüsse jedes Jahr kleiner werden. Sie reichen bei weitem nicht aus, um das beständig hohe Investitionsniveau zu finanzieren. Wir zehren noch von den „guten Jahren“ vor der Corona-Pandemie. Aber diese Liquiditätsreserven sind endlich. Wir müssen auf eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung und damit eine hohe Ertragskraft hoffen. Wir müssen aber auch alle Anstrengungen unternehmen, um das Erreichen der Mindestliquidität für die Jahre ab 2026 wieder sicher zu stellen.“ Nur wie, das sagt er außer einem Hoffen nicht.
Was fällt Specht zum Thema Wohnungspolitik ein?
Kurz gesagt: Nichts. Er stellt fest, dass der Wohnungsbau auf den Konversionsflächen im Wesentlichen bereits als erledigt abgehakt werden kann. Dennoch müssen ja noch mehr Wohnungen gebaut werden, wo immer es geht. Sein Grundsatz: „Der Fokus beim Neubau soll dabei nicht nur auf bezahlbarem Wohnraum, sondern auch auf familiengerechtem sowie barrierearmem und barrierefreiem Wohnraum liegen. Die Berücksichtigung bezahlbaren Wohnraums im Wohnungsneubau stellt auch einen wichtigen Faktor zur Schaffung einer stabilen Mischung im Quartier dar und beugt Segregation vor.“ „Nicht nur bezahlbarer Wohnraum“?! Wo lebt Specht? Bis etwa 2016 wurde keine einzige bezahlbare Wohnung gebaut. Danach aufgrund der Sozialquote ein paar hundert, allerdings mit zu kurzen Bindungsfristen. Gleichzeit verloren und verlieren hunderte Sozialwohnungen ihr Sozialbindung. In Einem hat Specht freilich Recht: Es braucht nicht nur bezahlbare Wohnungen, sondern auch bezahlbare barrierearme und familienfreundliche Wohnungen! Aber das meint er nicht. An anderer Stelle spricht Specht von der Aufgabe des Wohnungsbaus, zu verhindern, dass Familien wegziehen. Diejenigen, die wegziehen, sind aber nach aller Erfahrung Familien in der Kinderphase, die verzweifelt oder aus Sehnsucht aufs Land ziehen am besten in ein freistehendes Einfamilienhaus. Hier lauert schon wieder das alte CDU-Konzept, „Einfamilienhäuser für unsere jungen Familien“ zu bauen (z.B. Baufeld 2 auf Spinelli) – für eine schlappe halbe Million.
Als einen Hebel zur Gewinnung von bezahlbarem Wohnraum hatte der Gemeinderat u.a. auch grundsätzlich die Errichtung eines Bodenfonds beschlossen. Nur hilft der Grundsatz nicht, wenn der Fonds nicht zügig aufgebaut wird, um Bauflächen zur Verfügung durch die Stadt sicherzustellen. Für 2024 sind 2 Mio EUR für den Grundstückserwerb in den Haushalt eingestellt, finanziert durch 2 Mio. Erlöse aus Grundstücksverkäufen. Wie durch ein Wunder soll aber der Flächenbestand um 2,5 ha zunehmen. Also viel Fläche billig kaufen und wenig teuer verkaufen? Und dann wäre da noch wie seit vielen Jahren unter Kurz der ominöse Posten „Sonderergebnis“ von 8,5 Mio. EUR netto. Er resultiert aus „Verkauf von Vermögen (Grundstücke, Beteiligungen)“ – ein permanenter Ausverkauf zur Stützung des Haushalts.
So wichtige Themen wie die Stärkung der GBG, damit sie dauerhaft preisgünstige Wohnungen bauen kann, Unterstützungsfonds für Mieter, die den Verkauf ihres Mehrfamilienhauses an einen „Investor“ verhindern, indem sie die Immobilien gemeinschaftlich selber kaufen können; für neue Kleingenossenschaften oder Mietshäusersyndikats-Projekte, die billiger bauen und langfristig günstige Wohnungen erstellen können; für intergenerationelle Wohnungstauschprojekte etc. – alles Fehlanzeige!
Und die Mobilität?
„Gleichzeitig polarisieren nur wenige Themen die Stadtgesellschaft in ähnlicher Weise, wie die Zukunft der Mobilität. Daher ist es zentral, Lösungen zu finden, die auf breite Akzeptanz stoßen, statt die Polarisierung weiter voranzutreiben.“ Es ist unschwer zu erraten, um was es hier geht: Um den schwierigen Prozess, öffentlichen Raum in gewissem Ausmaß zwischen den Verkehrsarten umzuverteilen, welches unvermeidlich zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs geht. Es geht dabei nicht um mutwillige „Polarisierung“, sondern um einen neuen diesbezüglichen Gesellschaftsvertrag, welcher – sicher mühsam – ausgehandelt werden muss.
Bezüglich des ÖPNV, für den Specht seit vielen Jahren zuständig war, erkennt er, dass sich Vieles durch Einwirkung des Bundes wie z.B. „die Tariflandschaft mit der Einführung des Deutschlandtickets stark verändert.“ Und er spricht angesichts der Finanzierungsstreitigkeiten mit Bund und Ländern davon, dass die Kommunen leicht zum Spielball werden können. Specht deutet zu neuen Ufern: „Außerdem ist über alternative und nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten des ÖPNV nachzudenken. Die Stadt Mannheim ist neuen Finanzierungsüberlegungen grundsätzlich gegenüber aufgeschlossen, denn der mit einer echten Verkehrswende einhergehende Investitions- und Betriebsaufwand kann nicht über Fahrgeldeinnahmen und die bisherigen Förderprogramme allein gestemmt werden. Diese Maßnahmen müssen aber regional abgestimmt werden und dürfen zu keinen Verwerfungen innerhalb eines Verkehrsraums führen, wie es der Verkehrsverbund Rhein Neckar über drei Bundesländer hinweg ist“. Wahrscheinlich sind irgendwann die Fahrgeldeinnahmen überhaupt kein Posten mehr in der ÖPNV-Finanzierung. Aber darüber wird Specht nicht nachdenken.
Fazit: Spechts Mannheim kann eher weniger im Hinblick auf die Zukunft. Allerdings muss man dem neuen OB zugute halten, dass er in den für das alltägliche Leben in der Stadt wichtigen Posten „Zahlungen an Dritte“, also gemeinnützige Institutionen, Vereine, städtische Eigenbetriebe etc., auf den ersten Blick keine Einschränkungen eingeplant hat, sondern teilweise eine geringe Dynamisierung anlässlich der gegenwärtigen inflationären Tendenzen.
Thomas Trüper