Neuer Gemeinderat: Bündnis Mannheim gegen Rechts warnt vor Zusammenarbeit mit der AfD
Auch Mannheim folgte bei der Kommunalwahl im Juni dem bundesweiten Trend: Es kam zum Rechtsruck. Die AfD Fraktion vergrößert sich von vier auf sieben Sitze. Eine grün-rot-rote Mehrheit gibt es im neuen Gemeinderat nicht mehr. Die neuen Verhältnisse ermöglichen einem „rechten“ Bündnis aus Bürgerlichen, Konservativen und Rechtsextremen mit der Stimme des Oberbürgermeisters auf eine knappe Mehrheit zu kommen – ob und wie diese Mehrheit in der Zukunft genutzt wird, ist offen. Das Bündnis Mannheim gegen Rechts warnt jetzt vor einer Kooperation demokratischer mit rechtsextremen Parteien.
Warnung vor informellen Absprachen und “Hinterzimmergesprächen”
Das Bündnis Mannheim gegen Rechts ist ein Zusammenschluss von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen und wird auch von Parteien unterstützt, die im Gemeinderat vertreten sind. Zur Kundgebung am Dienstagnachmittag zeigten auch einige Gemeinderät*innen von Grünen, SPD, Linke und Klimaliste ihre Unterstützung und hörten sich die Reden von.
Ein Sprecher des Bündnisses warnte davor, sich aus parteitaktischem Kalkül mit der AfD auf informelle Absprachen einzulassen. Mehrheiten müssten jenseits der AfD gefunden werden und das sei auch möglich, so Stadtrat Reinhold Götz (SPD). Fritz Reidenbach Sprecher der VVN-BdA Mannheim erinnerte daran, weshalb die AfD gewählt wurde: Massive Stimmung gegen Asylsuchende und Muslime und eine allgemeine Unzufriedenheit mit der politischen Großwetterlage. Er wolle aber Mut machen und erinnerte deshalb an die vielen tausend Menschen, die auch in Mannheim dieses Jahr für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straße gegangen sind: „Diese große Breite für ein Zusammenleben in Würde und in Vielfalt gilt es weiter auszubauen und aktiv zu leben.“
„Brandmauer“ nichts weiter als ein „moralischer Gartenzaun“
Ein Sprecher des Offenen Antifaschistischen Treffens (OAT) formulierte es so: „Eine Ära der Kompromisse und Mehrheitsfindungen steht bevor.“ Konservative Kräfte könnten ihre Ziele nur mit Unterstützung der AfD durchsetzen. „Hinterzimmergespräche“ seien bereits Praxis. Die „sogenannte Brandmauer“ gegen rechts sei nichts weiter als ein „moralischer Gartenzaun“. Daher müsse man klar Stellung gegen jede Form rechter Politik beziehen, eben auch gegen unsoziale Sparkurse, strukturelle Benachteiligungen oder Diskriminierung.
Die AfD Stadträte sahen sich die Kundgebung vom Stadthaus Balkon an, bevor sie um 16 Uhr zum ersten Tagesordnungspunkt der Gemeinderatssitzung verpflichtet wurden. Wie sich die AfD als viertgrößte Fraktion mit sieben Sitzen weiterentwickeln wird und welche neuen Seilschaften möglicherweise entstehen, wird das Bündnis gegen Rechts genau beobachten.
Passend zum Thema: Die neue Sitzordnung im Gemeinderat: Holger Schmid, Fraktionschef der Freien Wähler/Mannheimer Liste, wurde zusammen mit Jörg Finkler, Vorsitzender der AfD Fraktion, an einen Tisch gesetzt. So können sich die beiden ausgiebig über ihre Ansichten zum Thema Gendern, Straßennamen für Kolonialverbrecher, Asyl und Islam oder die Förderung des PKW Verkehrs in der Stadt unterhalten. (am)
Siehe auch
Europa- und Kommunalwahl: Rückblick auf den Wahlsonntag mit Rechtsruck
Eine kleinteilige Betrachtung der Wahlergebnisse kann nicht schaden
Welche Schlussfolgerungen lässt das Panaschierungsergebnis bei der Gemeinderatswahl zu?
Dokumentation: Rede der VVN-BdA zur Kundgebung vor der Konstituierung des neugewählten Mannheimer Gemeinderates am 23. Juli 2024
Verehrte Anwesende. Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Ich grüße alle Menschen, die wie wir in großer Sorge sind über die weitere Rechtsentwicklung in Europa und konkret in Mannheim.
1. Was sind die Gründe für diesen Stimmenzuwachs? Oder besser gesagt, was waren mit Sicherheit nicht die Gründe für den Zuwachs.
Eine wirklich soziale und gerechte Alternative zur Politik in Berlin und Stuttgart war Fehlanzeige bei der AfD.
Beiträge zum respektvollen und würdigen Zusammenleben in der Stadt waren es auch nicht.
Beiträge zum Ausbau der Erinnerungs- und Gedenkkultur für NS-Opfer und den Widerstand gegen den NS waren es auch nicht.
2. Wirkliche Gründe können da schon eher sein:
-Massive Stimmung gegen Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende, für eine Remigration und eine radikale Abschiebung von Gewalttätern in ihre Heimatländer.
-Massive Stimmung gegen Muslime, angesichts der Messerattacke auf einen Polizisten mit Todesfolge auf dem Mannheimer Marktplatz. Die AfD hat dies für ihre Zwecke missbraucht und dabei an Zustimmung gewonnen.
-Eine hohe und weiter gewachsene Unzufriedenheit mit der politischen Großwetterlage im Land und in Europa. Davon hat die AfD massiv profitiert, aber keine erkennbaren Alternativen aufgezeigt, die unsere Gesellschaft sicherer und die soziale Lage vieler Menschen verbessern könnten. Stimmen aus Frust und Enttäuschung hat die AfD bekommen, für eine menschenverachtende und auf Hetze und Hass gegen Andersdenkende, anders Lebende und anders Liebende orientierte Politik. Und sie hat damit im Umfeld ermutig Menschen aus diesen Gruppen zu verleumden und mit Gewalt zu bedrohen und Gewalt anzuwenden. Zahlreiche Übergriffe auf Geflohene, immer wieder Mordanschläge, wie in München, Halle und Hanau.
3. Dieses Wahlergebnis, die AfD mit 7 Sitzen im Gemeinderat, bereit vielen Menschen Sorgen und Ängste, weil Schlimmes zu befürchten ist, wenn bürgerliche Parteien die Brandmauern einreisen, weil es ja um „Sachthemen“ gehen würde.
4. Was tun?
In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Potential für ein friedliches, vielfältiges und sozial gerechtes Leben. Dies wurde besonders in diesem Jahr in Mannheim immer wieder bei Kundgebungen und Demonstrationen sichtbar. Tausende Menschen zeigten Gesicht gegen rechts und die AfD, viele Menschen zum ersten mal und aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen. Auch wir von der VVN haben diese Aktivitäten unterstützt.
Diese große Breite für ein Zusammenleben in Würde und in Vielfalt gilt es weiter auszubauen und aktiv zu leben.
Die Mehrheit der Zivilgesellschaft hat ihre Potentiale noch lange nicht ausgeschöpft. Dies bleibt aber dringend geboten, wenn wir den weiteren Vormarsch der in Teilen faschistischen AfD aufhalten und stoppen wollen.
Auch ein Verbot der AfD muss hierbei in Erwägung gezogen werden, denn anders als beim NPD-Verbotsverfahren 2017 ist die AfD in Teilen verfassungswidrig und hat erheblichen gesellschaftlichen Einfluss, der unser Zusammenleben und unsere Demokratie massiv bedroht.
Abwarten ist auch hier keine Lösung!
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Dokumentation: Rede des Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim zur Kundgebung vor der Konstituierung des neugewählten Mannheimer Gemeinderates am 23. Juli 2024
Keine neue Normalität: Gegen AfD und rechte Politik!
Heute, am 23. Juli, tritt der neue Mannheimer Gemeinderat erstmals zusammen. Nach der Kommunalwahl stand eine alarmierende Realität fest: Die rechtsradikale AfD hat in unserer Stadt über 14 % der Stimmen erhalten und hält ab diesem Tag nun 7 Sitze im Gemeinderat – ein Anstieg um ganze 3 Mandate. Wir müssen uns fragen: Was bedeutet dieser Erfolg für uns als Mannheimer Antifaschist*innen und für unsere Stadt?
In der vergangenen Legislaturperiode glänzte die AfD-Fraktion im Gemeinderat nur durch zuverlässige Abwesenheit. Auch ganze sieben Anträge und Anfragen in fünf Jahren reichten nicht aus, um den Eindruck zu entkräften, dass die AfDler ihre Aufgaben mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit wahrnahmen. Ein Beispiel der durchweg unsinnigen Beschäftigungen: Die Anfrage an die Stadt Mannheim, ob sie denn über das JUZ Linksextremisten finanziere – gemeint war natürlich das OAT. In den wenigen Momenten, in denen die AfD in Erscheinung trat, tat sie dies durch ihre bekanntermaßen rassistische, spalterische und arbeiter*innenfeindliche Hetze. So forderte sie bei den Etatverhandlungen die Kürzung – oder gleich ganz Streichung – verschiedener gemeinnütziger Posten, darunter auch Mittel für Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Ihre heuchlerische Begründung: unterfinanzierte Obdachlosenheime. Das mag stimmen, ist aber ein Paradebeispiel für die perfide Strategie der AfD: Sie spielt die verschiedenen vulnerablen Gruppen der Mannheimer Bevölkerung gegeneinander aus, um eine nutzlose und ideologische Sparpolitik durchzusetzen. Dabei besitzt das reichste 1% ein Drittel des Gesamtvermögens in Deutschland, 100 Milliarden für die Bundeswehr sind nur eine Frage von Tagen – es gibt also mehr als genug Geld in unserem Land, man muss es sich nur holen wollen und den Wille haben es für die einzusetzen, denen es zusteht: Uns allen. Es ist kein Geheimnis: Die AfD tritt nach unten und zur Seite, aber nach oben – niemals.
Besonders perfide ist, dass mehrere internationale Studien den Zusammenhang zwischen neoliberaler Sparpolitik, mangelnden öffentlichen Investitionen und dem Erstarken rechter Kräfte belegen. In Deutschland zeigt sich: Die Regionen, die besonders unter der Agenda 2010 litten, wählen heute vermehrt rechte Parteien. Auch in Mannheim erzielte die AfD besonders in den Stadtteilen hohe Ergebnisse, in denen die Probleme groß und die Perspektiven klein sind. Während vergessene Arbeiter*innen und eine verarmende Bevölkerung sich den Lügen der Rechten zuwenden, verschärfen sich laufend soziale und ökologische Krisen. Davon profitieren diejenigen, die ohnehin schon viel haben. Eine Änderung ist nicht in Sicht – und die Rechten werden sie nicht bringen. Linke Lösungen, die die Probleme der bestehenden Verhältnisse erkennen und lösen können, haben kaum wahrnehmbare Stimmen in der breiten Öffentlichkeit.
Aber lasst uns die entscheidende Frage stellen: Wie gehen wir mit rechter Politik – sowohl der AfD wie auch abseits davon – um und wer könnte im Gemeinderat mit der AfD kooperieren? Nach dem 9. Juni steht fest: Die Mehrheit der sogenannten Fortschrittsfraktion ist dahin. Eine Ära der Kompromisse und Mehrheitsfindungen steht bevor, und dabei muss klar sein, dass rechte und konservative Kräfte ihre Ziele nur mit Unterstützung der AfD durchsetzen können – und das z.T. auch gar nicht anders wollen. Es dürfte niemanden schockieren, dass die AfD und die Mannheimer Liste sich bei vielen Forderungen einig sind und dass das besonders bei der Haushaltspolitik auch auf die CDU zutrifft. Neben den von der AfD selbst berichteten „Hinterzimmergesprächen“ mit CDU- und ML-Stadträten hat die CDU auch öffentlich nicht ausgeschlossen, mit der AfD zu stimmen – wenn es denn die „richtige Sache“ sei. Bereits vor der Wahl Christian Spechts zum Oberbürgermeister sprachen sich AfD-Gemeinderäte für die Wahl des CDUlers aus – in der Hoffnung, dass nach den Gemeinderatswahlen ein „konservativer Block“ nur durch Kompromisse mit der AfD regieren könne. Ihre Hoffnung? Leider bestätigt. Die sogenannte Brandmauer gegen rechts? Nichts weiter als ein morscher Gartenzaun.
Als Antifaschist*innen müssen wir kritisch reflektieren, was bei einer möglichen Zusammenarbeit zwischen AfD, CDU, der Mannheimer Liste oder anderen Parteien der wahre Skandal ist, denn es sind nicht die Risse in der herbeifantasierten Brandmauer. Die Doppelmoral der bürgerlichen Parteien zu rechter Politik zeigt sich immer wieder: Während Ampel und Co. die Deportationsfantasien der AfD verurteilen, verabschieden sie zeitgleich harte Abschiebegesetze und wollen diese „im großen Stil“ umsetzen. Parallel dazu fährt die CDU einen Kurs, getrieben von Angst vor der Abwanderung ihrer Wählerschaft und bestärkt von den Erfolgen der AfD, der sie immer rechter, rassistischer und hetzerischer macht. Auch rufen rechte Parteien immer wieder den Kampf gegen eine vermeintliche „Identitätspolitik“ auf – so forderte die Mannheimer Liste ein Verbot des Genderns in der Stadtverwaltung, das sie als Ausdruck elitärer Bevormundung betrachtet. Und natürlich treibt die AfD all diese Forderungen radikal auf die Spitze – doch sie stehen eben nicht isoliert. Ihre Gedanken sind kein Tabu mehr und ihre Politik längst alltägliche Realität, denn umgesetzt wird sie auch von anderen. Die Mannheimer Liste wollte bereits in der Etatrede 2023 Sachleistungen für Geflüchtete – eine Forderung, die lange nur von der AfD kam. Jetzt gibt es die Bezahlkarten und es hat dafür keine AfD an der Macht gebraucht: Alle Parteien von Ampel bis CDU waren sich einig. Die Linie steht: Anstatt von den Vermögendsten oder großen Konzernen an Bedürftige umzuverteilen, wird gespart, wo es nur geht – selbst wenn es die Ärmsten, die Schwächsten, die Wehrlosesten trifft. Diese Art von neoliberaler Sparpolitik ist ein gefährlicher Trugschluss: Weniger Geld für Geflüchtete oder Bürgergeld-Empfänger*innen bedeutet nämlich nicht, dass dieses Geld nun auf einmal gemeinnützig investiert wird oder zur Verbesserung unserer Lebensumstände zur Verfügung steht. Es bleibt dabei: Die dringenden Probleme der Menschen werden ignoriert. Wenn
also in Zukunft AfD, Mannheimer Liste, CDU oder wer auch immer für denselben Vorschlag im Gemeinderat stimmen sollten, darf der Skandal nicht nur darin bestehen. Der Skandal, die Empörung und die Wut müssen konstant sein – darüber, dass rechte Vorstellungen Stück für Stück umgesetzt werden, selbst ohne direkte Beteiligung der AfD und die Probleme der Menschen, die rechte Politik zugänglich machen, in den bestehenden Umständen quasi keine Rolle spielen.
Selbstverständlich nimmt die AfD eine Sonderstellung ein: Immer wieder fällt sie durch die gröbsten Grenzüberschreitungen auf, fordert die abscheulichsten Dinge und ist das Gesicht und die vorderste Front des Rechtsrucks – auf Bundesebene und lokal. Nur weil bei den Mannheimer AfD-Kandidat:innen nicht so leicht rassistische Zitate oder eine rechtsradikale Vergangenheit zu finden sind wie bei bekannteren Personen der Partei, ist das kein Grund, sie für gemäßigter oder weniger gefährlich zu halten. Der Ortsverband der AfD lädt immer wieder führende Hetzer:innen der Partei nach Mannheim ein. Bei diesen „Bürgerdialogen“ waren z.B. Erika Steinbach oder Markus Frohnmeier zu Gast, die selbst innerhalb der AfD zum rechten Flügel gehören. Während die AfD sich bürgernah gibt und Besserung verspricht, verschwendet sie im Gemeinderat Steuergelder, glänzt durch Abwesenheit und gibt sich bei Veranstaltungen menschenfeindlichen und hasserfüllten Ideen hin. Dem müssen wir entgegentreten – gemeinsam und entschlossen. Ein starkes antifaschistisches Bündnis gegen rechts, verankert in der Bevölkerung und vereint im Ziel, kann das erreichen. Aber es kann nur funktionieren, wenn wir neben dem Fokus auf die AfD auch die möglichen Unterstützer:innen rechter Politik im Blick behalten. Dabei dürfen wir uns nicht damit begnügen, es zu skandalisieren, wenn andere Parteien mit der AfD abstimmen. Nein, wir müssen klar Stellung gegen jede Form rechter Politik beziehen, und das heißt auch nicht anzunehmen, die AfD sei die einzige Partei, die unsoziale Sparkurse fährt, Politik gegen die strukturellen Benachteiligten macht oder diskriminierende und rechte Themen einbringt und umsetzt. Unseren konsequenten Protest müssen wir in der kommenden Legislaturperiode erst recht und unermüdlich auf die Straße bringen. Wir müssen ebenso alles dafür tun, dass unsere Stimmen gehört werden und unser Kampf unermüdlich geführt. Die Zeiten werden in den nächsten Monaten und Jahren gewiss nicht einfacher. Also lasst uns als Antifaschist:innen zusammenrücken und handeln – solidarisch, entschlossen und geeint.