Im Würgegriff der Polizei

Städtische Überwachungskameras haben in diesem Fall kein Verbrechen aufgeklärt, sondern die Falschaussage einer Polizistin | Bild: KIM-Archiv

Erneut Racial Profiling in Mannheim

Die Wochenzeitung Kontext berichtet am 1.3. 2025 von einer Polizeikontrolle in Mannheim, bei der ein „27-jähriger Nigerianer unvermittelt in einen Würgegriff“ genommen worden war. Fünf Wochen später ist auch im Mannheimer Morgen – durchaus kritisch – von dem Vorfall zu lesen. Was im MM nicht erwähnt wird: der kontrollierte Mensch ist Schwarzer und somit handelt es sich um Racial Profiling, zu deutsch: rassistische Profilerstellung durch die Polizei. Die gibt es angeblich in Mannheim nicht. Zumindest nicht nach der Mannheimer Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer: „Ich verwahre mich auch, dass es strukturellen Rassismus in der Polizei gibt“ sagte sie im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung vor zwei Jahren. Anlass war der gewaltsame Überfall eines Sonderkommandos der Polizei auf eine Gruppe Schwarze Jugendlicher, die im Rahmen eines Austauschprogramms in Mannheim zu Gast waren und ohne jeden Anlass festgehalten wurden.

Uns liegt das Gedächtnisprotokoll von Herrn Omoregie vor, in dem er beschreibt, wie er morgens um 6:30 von der Nachtschicht in einem Altenpflegeheim kommend auf der Kurpfalzbrücke von zwei Polizist:innen kontrolliert wird.

Der Bericht beschreibt einen Alptraum.

Die beiden Beamt:innen unterstellen der Pflegefachkraft Drogen- /und oder Alkoholgenuss. Weil er sich weigert in der Öffentlichkeit eine Urinprobe abzugeben, wird er in den Würgegriff genommen: „Ich stand mit dem Rücken zum Brückengeländer und rief die ganze Zeit nach Hilfe und weinte. Er drückte mich so an das Brückengeländer, dass mein Oberkörper über dem Geländer hing und ich Todesangst hatte hinüber zu fallen“. Die beiden Polizist:innen rufen zur Verstärkung 10(!) weitere Beamt:innen herbei, die Herrn Omoregie mit Handschellen so fesseln, „dass ich vor Schmerzen schrie.“ Eine beschämende Körpervisite folgt: „Ich wurde ausgelacht und als Penner beleidigt. Es war so demütigend.“ Herr Omoregie wird in ein Polizeirevier gebracht, hier muss er sich ausziehen. Die Proben ergeben, dass bei ihm weder Alkohol noch Drogen nachweisbar sind.

Nach diesem entwürdigenden Vorgehen Mannheimer Polizist:innen erhebt Herr Omoregie Anzeige. Das Verfahren wird – surprise – eingestellt. Wie schon oft, erhält nun Herr Omoregie eine Gegenanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichem Angriff. Im Prozess am Amtsgericht Mannheim wird von der Polizistin bezeugt, dass sich ihr Kollege um Deeskalation bemüht und sich Herr Omoregie „hysterisch“ verhalten habe. (Wochenzeitung Kontext 1.3.25) Unterstützt wird der Angeklagte nun von der Beratungsstelle Leuchtlinie. Leuchtlinie ist eine Fach- und Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Baden-Württemberg.

Die Kamera-Überwachung auf der Kurpfalzbrücke hatte das Geschehen gefilmt. Danach erweist sich die Aussage der Polizistin als unwahr. Die Schilderung von Herrn Omoregie entspricht dem tatsächlich gewaltsamen Vorgehen der Polizist:innen. Er wird frei gesprochen.Das Trauma durch dieses menschenunwürdige Geschehen bleibt.

Ob die Anklage gegen die beiden Beamt:innen wegen Falsch-Aussage wieder aufgenommen wird, wird laut Kontext von der Staatsanwaltschaft noch geprüft.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) urteilt: in Deutschland existiert institutioneller Rassismus und die deutsche Polizei betreibe „Racial Profiling“. Das sieht Baden-Württembergs Innenminister Strobl anders: „Unsere Landespolizei hat kein strukturelles Rassismus- oder Diskriminierungsproblem“.

In Mannheim kommt es immer wieder zu Übergriffen durch die Polizei, die als rassistisch motiviert zu sehen sind. Ebenso regelmäßig werden Beschwerden dagegen unter den Teppich gekehrt – die Staatsbeamt:innen haben keine Konsequenzen zu fürchten. Innerhalb der Polizei scheint Korpsgeist zu verhindern, das rassistische Einstellungen angezeigt werden.

Um Vertrauen aufzubauen müsste es im Interesse von Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer sein, hier strukturelle Veränderungen herbei zu führen und sich endlich mit: „Motivation, Einstellungen und Gewalt im Alltag von Polizeibeamten“ in ihren Reihen auseinander zu setzen, anstatt zu vertuschen und die für die Staatsgewalt beschämenden Vorgehen abzustreiten.

Text: Margarete Würstlin