Wer braucht wozu die LOK?
Erste Veranstaltung: „Un-sozialer Wohnungsbau“
Nun ist die LOK (Linke Offensive Kommunalpolitik) offiziell an das Licht der Öffentlichkeit getreten. Am 3. Mai fand die Veranstaltung „Un-sozialer Wohnungsbau“ im Uhland statt. Bei dieser Gelegenheit verkündeten die InitiatorInnen der LOK um Karlheinz Paskuda, dass die LOK sich auf die Kommunalwahl 2019 vorbereite und unterschiedliche Schwerepunktthemen bearbeiten werde. Das seien: Bezahlbares Wohnen, gebührenfreie KiTas, Sozialticket, Bürgerbeteiligung und Basisdemokratie (auch in den Städtischen Aufsichtsräten), und grünes statt graues Mannheim.
Die BesucherInnen der Wohnungs-Veranstaltung mussten leider auf die Erkenntnisse der Frankfurter ÖkoLinX-Frau Annette Ludwig zum Thema Wohnungspolitik in Mannheim verzichten. Sie war erkrankt.
Stattdessen hielt Karlheinz Paskuda ein längeres Referat über die Situation auf dem Mannheimer Wohnungsmarkt aus Sicht der an preisgünstigen Wohnungen Interessierten. Es wurden die Positionen der SPD und der Grünen referiert und – so weit möglich – auch teilweise gelobt. Kritisch herausgehoben wurden die Versuche der GBG, einen Teil ihrer noch nicht modernisierten Wohnhäuser aus den 50er Jahren abzureißen und durch Neubauten mit fast doppelter Kaltmiete zu ersetzen. Das war bezüglich des Adolf-Damaschke-Rings wegen des großen Widerstands so nicht umfassend durchsetzbar. In der Neckarstadt Ost zwischen Carl-Benz, Main- und Kinzigstraße solle dies nun aber vollzogen werden, weil nur die LINKE im Aufsichtsrat dagegengesprochen habe. (Mehr über die LINKE Wohnungspolitik zu berichten gab es für Karlheinz Paskuda scheinbar nicht, obwohl die LINKE eine ganze Reihe von Anträgen zu dem Themen im Gemeinderat eingebracht hat.) Die GBG wurde als „Haupttreiberin der Gentrifizierung“ im Stadtteil neben dem Privat-„Investor“ A. van Echelpoel kritisiert. Auch auf die Situation im Jungbusch (Gentrifizierung durch BNP Paris Bas) wurde eingegangen. Weiterer Kritikpunkt war die Tatsache, dass die GBG auch „Wohnungen für Besserverdienende“ baue. Mit dieser Standard-Kritik verlangt LOK von der GBG, sie solle dies Geschäft und die damit zu erzielenden Gewinne lieber den Privatunternehmen überlassen. (Das eigentliche Problem hier ist die Abschaffung der Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft vor knapp 30 Jahren durch Bundesgesetz).
Nach all diesen nicht neuen Ausführungen wurden verschiedenste Möglichkeiten vorgetragen, WO man in Mannheim noch Wohnungen bauen könnte, in Anlehnung an die Liste aus einem Antrag der Grünen, der auch so umstrittene aber richtige Positionen wie die Innenverdichtung in Großstädten umfasst. Weniger war zu hören, WIE man zu bezahlbaren Neubauwohnungen kommen kann. Es wurde auf das Wiener Modell verwiesen (kommunaler Wohnungsbau, vor 100 Jahren grundgelegt), sowie auf revolvierende Fonds (Österreich, Land Salzburg, aus einer Arbeitnehmerumlage aufgelegt). Ferner wurde das „Freiburger Modell“ erwähnt: Beschluss des Gemeinderats, grundsätzlich nur noch Baugenehmigungen zu erteilen, wenn mindestens 50% Sozialer Wohnungsbau garantiert sei. Dieser Beschluss hat jedoch seine Umsetzbarkeit ohne Einsatz städtischer Finanzmittel noch nicht erwiesen.
In der Diskussion verwiesen die Vertreter der Partei DIE LINKE, deren Mitglied Paskuda ja immer noch ist, auf die Bedeutung der für den bezahlbaren Wohnungsbau schädlichen steigenden Bodenpreise. Die Kommunen bräuchten daher Geld, um durch Zuschüsse gegensteuern zu können. Diese Mittel müssten aus der steuerlichen Abschöpfung des Ultrareichtums gewonnen werden, in den ja auch genug Bodenspekulationsgewinne einflössen. Ferner sei es ein großes Problem, dass Kommunen wir Mannheim einen Teil ihrer Investitionskraft aus dem Verkauf städtischer Grundstücke gewönnen, was auf die strukturelle Unterfinanzierung solcher Kommunen hinweise.
Derlei Hinweise tat Paskuda als Ablenkungsmanöver ab und argumentierte: „Überall, wo ich auf Seminaren bin, höre ich, dass es absoluter Blödsinn ist, dass Städte noch Grundstücke verkaufen.“
Quintessenz seiner Ausführungen war schließlich das Bekenntnis: Billige Wohnungen zu liefern, sei möglich. „Man muss nur wollen!“ Mit „man“ war natürlich die Mannheimer Kommunalpolitik gemeint sowie die GBG.
Wenn man sich nun fragt, welche neuen Erkenntnisse die Veranstaltung gebracht hat, welche konkreten Lösungsansätze sichtbar geworden sind, die man dann im Gemeinderat (mit wem eigentlich?) umsetzen könnte, dann ließ einen diese Veranstaltung doch sehr ratlos zurück, bestenfalls „offensiv“ ratlos. Sie enthielt buchstäblich keinen einzigen Punkt, der in der Wohnungspolitik der LINKEN in Mannheim nicht bereits erörtert und wenn sinnvoll in einen Gemeinderats-Antrag aufgenommen und in die öffentliche Diskussiion getragen wurde.
Wer braucht die LOK und wozu?
So erhebt sich die Frage: Wer braucht die LOK und wozu? Zu banal wäre die Antwort: Karlheinz Paskuda braucht die LOK um das bei der letzten Kommunalwahl verfehlte Ziel „Einzug in den Gemeinderat“ und von dort vielleicht auch in den heiß geliebten Aufsichtsrat der GBG doch noch zu erreichen. Das würde aber nicht erklären, dass auch die in Mannheim bekannte Kämpferin gegen die BUGA 23, Ursel Risch, oder die zwei der Partei „DIE PARTEI“ zugehörigen Aktivisten, Christian Sommer (Kandidat zur letzten OB-Wahl) und Oliver Hoffmann, oder die ebenfalls nicht in den Gemeinderat gewählte Isabelle Dehmelt (Grüne, inzwischen Bezirksbeirätin in Neckarstadt Ost) zu den Gründungsmitgliedern der LOK gehören.
Die LOK möchte erkennbar ein politisches Bedürfnis vieler unzufriedener Menschen befriedigen, die sich eher links von der Mitte orientieren, nämlich „klare Kante“ und die Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. Gewaltiger „Wille“ und gewaltiges Wort – nicht unbedingt Argumente, konkrete Auseinandersetzung mit der konkreten Situation und schließlich, so es nur möglich erscheint, Suche nach Verbündeten auch jenseits des eigenen verschworenen Vereins.
Ein solches Verlangen ist schon immer im Spektrum linker Parteien mal mehr, mal weniger vertreten. Spricht aber etwas dagegen, sich auch von solcher Warte in die Meinungsbildung einer ohnehin pluralistischen linken Partei einzubringen? Aber konkrete Analyse, kurz-, mittel- und langfristige Strategiebildung und Auslotung von Umsetzungsmöglichkeiten, ohne die „Utopie“ aus den Augen zu lassen, das ist eher steiniges Gelände.
Wäre die Gründung der LOK ein Akt „revolutionäre Ungeduld“, wäre sie ein sympathischer und vielleicht verständlicher Zug. Allerdings bliebe sie doch auch ein weiterer Beitrag zur Zersplitterung der linken Szene – Grundübel so vieler linker Bewegungen.
Wie links ist diese Offensive?
Aber Fragen drängen sich auf, ob es sich denn wirklich um einen linken Aufbruch handelt, wie der Name vorgibt. Solche Fragen entstehen, wenn man den Gründungsmitgliedern zuhört:
So entgegnete Christian Sommer der oben zitierten Aussage, Kommunen wie Mannheim seien chronisch strukturell unterfinanziert: Man solle doch nicht immer nach neue Einnahmequellen suchen, sondern sich lieber auch mal fragen, welche Ausgaben überflüssig seien. Ein originales Mantra von FDP und Freien Wählern!
Besonders interessant ist die Polemik gegen die Vertraulichkeit der Aufsichtsratssitzungen kommunaler Gesellschaften. Oliver Hoffmann stellte zunächst die Frage, warum überhaupt StadträtInnen in diesem Gremium vertreten sein müssten oder Beschäftigte der GBG. Dass demokratisch gewählte VertreterInnen der Bürgerschaft im Aufsichtsrat einer den Bürgerinnen gehörenden Baugesellschaft sitzen und entsprechend dem Mitbestimmungsgesetz auch MitarbeiterInnen der Gesellschaft, scheint ihm ein Unding. Dass man über Möglichkeiten der Kompetenzsicherung durch professionelle Beratung der Ehrenamtlichen nachdenken muss, war kein Thema.
Marktliberalisierung und EU-Wettbewerbsregeln führten zu einer weitgehenden Gleichstellung kommunaler Unternehmen mit privaten. Ferner müssen sie sich z.B. bei Ausschreiben dem Markt öffnen. Unter diesen Bedingungen ist die Forderung nach „Öffentlichkeit der Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen“ der beste Weg, nicht etwa diese Unternehmen trotz aller Marktliberalisierung als öffentliche zu halten, sondern sie direkt in den Hände der privaten Konkurrenz zu treiben, sie sturmreif zu machen und für jedwede Medienkampagne potenter Interessenten herzurichten, mit öffentlicher Ausbreitung all ihren Zahlen, Planungen und auch Probleme. Die ist sicher kein Beitrag zu „mehr Demokratie“ und sozialem Fortschritt, sondern ein fataler Kurzschluss. Auch hier ist das eigentliche Problem ein strukturelles, eben der Marktliberalisierung. Und interessant, wenn auch höchst komplex, wäre die Frage, ob und wie kommunale Unternehmen wieder zurück in die direkte kommunale Verwaltung gebracht werden könnten – und was dies brächte. Z.B. die Universitätsmedizin Mannheim als „städtischer Fachbereich“ wie bis in die 90er Jahre, oder als Eigenbetrieb? Dies wären aus linker Sicht ernsthafte Fragen, die die LOK aber nicht stellt.
Die LOK als wertvoller Beitrag gegen die AfD?
Besonders pikant wird die LOK-Gründung durch die Behauptung, dies sei auch ein Beitrag gegen die AfD. So ist im Mannheimer Morgen vom 10.05.16 zu lesen: „Das gute Abschneiden der rechtspopulistischen AfD bei den Landtagswahlen führen sie auf ein ‚Versagen der linken Parteien‘ zurück: Die neu gegründete Wählervereinigung Linke Offensive Kommunalpolitik (“LOK”) will – wie der Name schon sagt – den etablierten Parteien SPD, Grünen und Linken im Gemeinderat Druck machen.“
Nun müssen sich tatsächlich alle – nicht nur linken – Parteien fragen, wie es zu den Erfolgen der AfD kommen konnte, und sie müssen vor allem darüber nachdenken, wie sie das ändern können. Die LOK scheint ihr Konzept schon gefunden zu haben: Fehlentwicklungen politischer und ökonomischer Strukturen einfach personalisieren und auf das Generalversagen „der Politiker“ und im Falle der Kommunalpolitik auf den Leiter der Verwaltung zuzuspitzen, ggf. auch auf die Aufsichtsräte. Beispiel: Hygieneskandal am Klinikum. Dieses Desaster von zwei Jahrzehnten verfehlter Krankenhausfinanzierungspolitik, angereichert durch intrigenreiche Konflikte zwischen städtischer Klinik und Fakultät wird von Paskuda in einem Leserbrief an den Mannheimer Morgen auf einen einfachen Nenner gebracht: Transparenz! (Wer hat schon was gegen Transparenz?). “‘Indiskretionen‘ kann es nur dort geben, wo vieles geheim, undurchschaubar, ist. Offenheit, Durchschaubarkeit gibt es für Mannheimer Bürger*innen eigentlich nirgends und auch kein Gemeinderat wird die Prozesse im Klinikum über Spekulationen hinaus wirklich erklären können. Gestaltet z.B. die vielen Aufsichtsräte, in denen OB Kurz Vorsitzender ist, transparent, öffnet die Protokolle, schafft die Geheimhaltung ab! Das gilt fürs Klinikum ebenso wie z.B. für die GBG!“ (MM 07.04.16).
Dieser Beitrag entspricht in etwa dem Niveau eines Leserbriefes von Klaus Brückner (bei der letzten Kommunalwahl Kandidat auf der Liste Mittelstand für Mannheim MfM, deren Stadtrat Taubert jetzt der Fraktion der Freien Wähler/ ML angehört, sowie Mitglied oder Sympathisant von Bürgerinitiativen wie „Keine BUGA 23“, Kein Neubau der Kunsthalle). Brückner nimmt Bezug auf eine Indiskretion aus dem Ständigen Ausschuss des Aufsichtsrates der UMM heraus über den Stand der Kreditverhandlungen mit den Banken: „Nein diese Informanten sind ihrer Pflicht, den Bürger über ein Problem umfassend zu informieren, nachgekommen. Zum Glück ist endlich ein Politiker aus der Deckung gegangen und hat die Verantwortlichen des Skandals beim Namen genannt, den Geschäftsführer und den Aufsichtsrat mit unserem OB an der Spitze. Nun ist die Zeit endgültig reif, sehr intensiv über eine Reorganisation des UMM nachzudenken und den kompletten Aufsichtsrat auszutauschen. Die Damen und Herren sind erkennbar völlig überfordert. Neue Leute braucht das Klinikum. Und es muss deutlich werden, die Politiker sind wieder für uns Bürger da und nicht umgekehrt.“ (MM 07.04.16)
Ob derlei „Aufklärungsarbeit“ durch die Leserbriefschreiber ein Beitrag zur Hebung der politischen Kultur ist, die dann auch der AfD das Wasser abgraben würde, ist doch sehr fraglich. Eher trifft man sich hier auf dem Niveau der Personalisierung von Sachproblemen, dem Politiker- und Verwaltungs-Bashing, anstatt den eigentlichen Problemen auf den Grund zu gehen, die meist etwas mit kapitalistischem Wirtschaften zu tun haben. Und trotz dieser kapitalistischen Grundlagen Vorschläge für die „Tagespolitik“ zu machen – das ist dann wohl zu viel verlangt?
Thomas Trüper