„Miteinander statt Gegeneinander – Wir für Menschlichkeit“ gewinnt die Herzen – „Frauenmarsch Kandel ist überall“ wurde Anziehungspunkt für Rechtsextremisten
Organisiert wurde die Kundgebung am 28.01.18 „Kandel ist überall“ von Marco Kurz aus Mannheim. Bis zu 1000 Menschen folgten seinem Aufruf und reisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland nach Kandel an. Gut 200 Personen nahmen an der Gegenkundgebung teil, welche von der Kurfürstlich kurpfälzischen Antifa und der Bündnisregionalgruppe Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz organisiert wurde. Nach Polizeiangaben verliefen beide Veranstaltungen friedlich. Die Beteiligung von Bürgern*Innen aus Kandel war bei bei der Veranstaltung von Marco Kurz sehr überschaubar. Laut Pressemitteilung der Polizei wurden 100 polizeibekannte Rechtsextremisten unter den Teilnehmern des „Frauenmarsch“ gesichtet.
Anspruch versus Realität
Marco Kurz, gescheitert mit seiner Initiative „Der Marsch 2017“ und dem Ansinnen mit 500.000 Menschen in Berlin die Bundesregierung stürzen zu wollen, sucht sich mit der vermutlichen Ermordung einer 15-Jährigen durch ihren Ex-Freund, einem nach offiziellen Angaben ebenfalls minderjährigen Asylantragsteller, einen neuen rechts-populistischen Spielplatz unter dem Deckmantel „Kandel ist überall“ für seine reichsbürgernahe Agitation. „Frauen und Mütter“ instrumentalisiert Kurz für seine Machenschaften mittels einem bislang nur im Internet bekannt gemachten Frauenbündnis in Kandel, um gegen alle Diejenigen zu Felde zu ziehen auf, die er es auch schon in der Vergangenheit erfolglos abgesehen hatte. Nicht Frauen, Mütter und Kinder sind Marco Kurz wichtig, sondern allein nur das Ziel irgendeinen Widerstand auf den Straßen zu organisieren. Dabei ist er bei der Wahl seiner Mitstreiter nicht zimperlich und lässt sich von Rechtspopulisten und Rechtsextremen dabei unterstützen.
Kurz ist Inhaber der Internetseite “Der Marsch 2017”. Im Impressum steht eine Anschrift in Wiesbaden. Unsere Recherchen haben ergeben, dass sich Kurz dort bei einer Briefkastenfirma eingemietet hat.
Spenden sammelt Marco Kurz für sein Frauenbündnis u.a. über einen Verein in Speyer/Rhein, dessen Vorsizender Karl-Heinz Schurder (AfD KV Südliche Weinstraße) sein soll. Der Verein “Bürgerwille – Verein für Verfassungstreue e.V.” firmiert unter der selben Anschrift in Speyer wie die Firma Vitamin C GmbH, deren Geschäftsführerin Christiane Christen ist. Christen war bis Ende 2017 Vize-Vorsitzende der AfD in Rheinland-Pfalz und gehört dem AfD KV Rhein-Pfalz an. Die neue Internetpräsenz “Kandel ist überall”, welche möglicherweise von der Werbeagentur Vitamin C GmbH erstellt wurde, nennt im Impressum als verantwortliche Person die AfD-Landtagsabgeordnete Dr. Christina Baum mit einer Anschrift in Stuttgart.
Eher bewusst hat Marco Kurz Rechtsextremisten durch diverse Mobilisierungen in sozialen Netzwerken auf seine Seite gezogen, die seinen Aufrufen auch bereitwillig gefolgt sind.
Bei seiner Kundgebung für „Frauen und Mütter“ waren nur maximal ein Viertel der Teilnehmer Frauen; der überwiegende Teil bestand aus Männern.
Präsent waren am vergangenen Sonntag in Kandel Vertreter der NPD (aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Baden Württemberg), FCK-Hooligans, III. Weg, Arische Bruderschaft, Sagesa, PEGIDA Schweiz, Berserker Pforzheim, Nationaler Widerstand Zweibrücken und Vertreter der ehemals existierenden Freien Nationalen Kraichgau, sowie der islamophob agierende Imad Karim aus Mannheim u.v.m.. Auch die AfD war vertreten.
Hass- und Hetzparolen wurden skandiert, wie man sie auch schon am 2.1. und 6.1. in Kandel zur Kenntnis nehmen konnte (wir berichteten).
Lauthals geäusserte Kritik aus dem Lager Kurz, dass sich der Verbandsbürgermeister Volker Poss auf Seiten der Gegenkundgebung aufgehalten hätte, ist schlichtweg unrichtig.
AfD in der Klemme: Partei warnt in Rheinlandpfalz – Mitglieder aus Baden Würrtemberg grätschen dazwischen – Alles nur Taktik?
In einer Warn-E-Mail ermahnte Uwe Junge (AfD-Parteivorsitzender in RLP) seine Mitglieder Ende vergangener Woche dazu sich von dem Aufmarsch am 28.01. zu distanzieren und daran nicht teilzunehmen.
Dr. Christina Baum (MdL) im Stuttgarter Landtag war nicht nur Frontfrau am Banner der kaschierten Frauendemo, sondern trat auch als Rednerin auf.
Auch weitere Leute aus dem AfD-Spektrum nahmen an der rechtspopulistischen Kundgebung teil.
Die AfD in RLP wirbt für eine Kundgebung in Hassloch am 3.2., um vermeintlich über Asylpolitik mit Bürgern sprechen zu wollen. Die angekündigten Redner sind wegen bereits getätigter Aussagen als „ausländerfeindlich“ und „islamophob“ bekannt.
“Kandel ist überall” wirbt bereits jetzt für die nächste Kundgebung am 03.03. in Kandel. Gleiches geschieht auf der Facebookseite von “Der Marsch 2017” hinter der Marco Kurz steckt. Wie der Pfalz-Express berichtete soll eine Gruppe aus Sachsen ebenfalls für eine Demo am 3.3. in Kandel mobilisieren.
Vk.com, die gar nicht mehr so neue Plattform für Rechte
Gilt als Pendant zu Facebook, seitdem Altermedia gesperrt wurde und auch FB strenger reguliert wird, als unkontrollierte Variante. In rechten Kreisen wird das russische soziale Netzwerk schon seit längerem genutzt.
Wir dokumentieren hier mittels Screenshots hauptsächlich aus diesem Netzwerk und in Bezug auf den 28.01. und Kandel einige typische Beiträge.
„Miteinander statt Gegeneinander – Wir für Menschlichkeit“
So lautete das Motto der Organisatoren der Gegenkundgebung. Reden wurden gehalten von Vertreter*Innen der Kurfürstlich Kurpfälzischen Antifa, der Piraten-Partei und einem Mitglied des Europäischen Parlaments.
Dr. Bernhard Braun (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzender im Mainzer Landtag, war auch vor Ort und wurde herzlich begrüßt.
Die Rede der Kurfürstlich Kurpfälzischen Antifa (es gilt das gesprochene Wort):
“Auch wenn wir als eine Antifa-Gruppierung unter den Generalverdacht der Randalierer und Krawallmacher gestellt werden.
Weder haben wir Interesse an Krawall und Randale, noch halten wir Gewalt für ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung in unserer Demokratie.
Und wir haben auch kein Interesse, den Rechten die Bilder zu liefern, die sie mit Antifa immer in Verbindung bringen.
Was uns umtreibt, ist nicht nur dieses schrecklichen Verbrechens in Kandel für Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit durch rechtsextreme und rechtspopulistische Organisationen unter dem Deckmantel der Sorge, Angst und Trauer.
Ja, auch wir haben Sorgen, wir haben Angst und wir trauern.
Wir trauern um Menschen, die ihr Leben sinnlos verloren haben. Wir trauern mit den Familien, den Angehörigen und den Freunden.
Wir sorgen uns um ein menschliches Miteinander. Wir sorgen uns um unsere Demokratie. Und wir sorgen uns um unsere Gesellschaft, in der es eigentlich nicht das wichtige Kriterium ist, wo jemand herkommt, welche Hautfarbe, welches Geschlecht, welche Religion oder welche demokratische Überzeugung er hat, sondern die Taten den Menschen ausmachen – gute wie schlechte Taten.
Und ja, wer gegen Gesetze verstößt, muss bestraft werden.
Und wir haben Angst. Angst, dass unsere Demokratie und unsere Gesellschaft nicht so stark sind, wie wir viele Jahre gedacht haben.
Die Entwicklung der letzten Jahre macht uns Angst, weil immer mehr sich trauen, ihre Ablehnung gegen unsere offene und tolerante Gesellschaft und unser demokratisches System laut in die Welt zu schreien. Angst, weil nicht mehr für möglich gehaltene Vorurteile und Überzeugungen plötzlich im politischen Diskurs als “Meinung” hingenommen oder gar als berechtigt dargestellt werden.
Sei es Hetze gegen den Islam, sei es Hetze gegen “die Juden”, oder Hass auf Flüchtlinge, auf Homosexuelle, auf Sinti und Roma, oder sonstige Minderheiten.
Wer gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Basis für den politischen Diskurs hinnimmt oder akzeptiert, hilft faschistoides und nationalsozialistisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen.
Wohin das führt, haben unsere Vorfahren, unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern erfahren müssen. Wir haben Angst, dass wir ähnliche Erfahrungen auch machen müssen.
Es hilft uns nicht so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung – das ist es nicht!
Aber die Schlüsse die wir ziehen, sind andere als die der Rechten. Nicht Ausgrenzung, Ablehnung und Stigmatisierung sind unseres Erachtens die Lösung.
Ganz im Gegenteil:
Unsere Anstrengungen für Integration müssen verstärkt werden, die Verantwortlichen und Entscheider auf der kommunalen Ebene müssen besser geschult werden. Den Menschen, die zu uns kommen, muss für die Zeit ihres Aufenthaltes -egal wie lang oder kurz dieser Aufenthalt sein wird- eine Perspektive und ein menschenwürdiges Leben geboten werden.
Wer hier keine Perspektive erhält, wird sich einen Dreck um unsere gesellschaftlichen Regeln und um unsere Gesetze kümmern.
Wir haben es selbst in der Hand Kriminalität zu verhindern.
Und es muss Schluss damit sein, alle Flüchtenden in das Asylverfahren zu drängen.
Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge wollen hier kein Asyl, sie wollen Schutz vor Krieg auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention.
Aber man zwingt sie in ein Asylverfahren, lehnt den Asylantrag ab, aber gewährt Bleiberecht auf Basis eben der Genfer Flüchtlingskonvention.
Was kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern aber an? Asylantrag abgelehnt.
Hier ist das staatliche Verfahren ursächlich für Missverständnisse und bietet den Rechten Ansatz für ihre Hetze, nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen den Staat.
Schluss damit.
Ein wichtiger Punkt:
Wir haben des öfteren gehört, wir würden durch unseren Protest die Rechten aufwerten und ihnen Aufmerksamkeit durch Presse und Medien bescheren , die sie ohne unsere Kundgebung nicht bekämen.
Denen, die so argumentieren sei gesagt:
Die Aufmerksamkeit bekommen sie, weil sie es geschafft haben, ein grausames Verbrechen in einen politischen Kontext einzubetten. Sie werden marschieren und sie werden Aufmerksamkeit bekommen. Ob wir dastehen, oder nicht.
Aber was für ein Signal ginge von Kandel aus, wenn 500, 800, oder gar 1000 Rechte hier in Kandel aufmarschieren würden und es regte sich kein Protest dagegen?
Die Rechten würden das triumphierend verwerten. Und verwerten werden sie es eh!
Die massive Mobilisierung der Rechten erfordert geradezu eine Berichterstattung.
Und sie wird so oder so stattfinden – in den sogenannten “alternativen” rechtsgerichteten Medien.
Wenn sie Erfolg haben, kann sich Kandel für Jahre darauf einstellen, immer wieder als Aufmarschgebiet für blaubraune Aktionen missbraucht zu werden. Sicherlich keine gute Werbung für Kandel.
Die Kandeler Bürgerinnen und Bürger haben es in der Hand, dies zu verhindern. Wir bieten ihnen aus den vorgenannten Gründen eine Gelegenheit, etwas für sich und ihren Ort zu tun. Wir hoffen, sie nutzen es.
Am heutigen Sonntag sind aus weiten Teilen des Bundesgebietes Vertreter aus allen Bereichen des Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus nach Kandel angereist, um eine Show zu inszenieren, die, bürgerlich verpackt, doch nur der Verstärkung von Angst und Sorgen dient und Hass und Hetze befeuern wird.
Man versteckt sich hinter Frauen und Müttern, um doch nur die patriarchalische rückwärtsgewandte Ideologie der weißen Männer in Mitteleuropa zu propagieren.
Am Ausgangspunkt der rechten Demo des nicht existenten “Frauenbündnis Kandel” parken ungezählte Autos, versehen mit amtlichen Kennzeichen aus weiten Teilen der Republik, gespickt mit Aufklebern aus der gesamten rechten und neurechten Bewegung.
Sie geben vor, aus Angst und Sorge um ihre Kinder zu demonstrieren.
Aber es ist letztlich nur ein Stelldichein von AfDern, Identitären, Reichsbürgern, Antisemiten und Neonazis – und auch gewaltbereite Nazihools und rechtsgerichtete Biker werden kommen.
Längst geht es nicht mehr um Angst und Sorge und schon gar nicht mehr um den grausamen Tod eines Kindes.
Es geht darum ein rechtes “Fanal” in Kandel zu setzen.
Wer insbesondere die Verlautbarungen des Initiators verfolgt, weiß, dass das Motto und die Inszenierung dieser blaubraunen Veranstaltung lediglich politstrategischen Überlegungen geschuldet ist. Diese Leute stellen die Systemfrage!
Sie können nicht akzeptieren, dass es in unserer repräsentativen Demokratie Mehrheitsentscheidungen gibt.
Sie zweifeln am Rechtsstaat, an den Medien und an den demokratischen Institutionen und Abläufen. Und viele träumen vom Umsturz und einer “konservativen Revolution” – was immer das auch ist.
Die Gewaltandrohungen der Rechten gegen alle, die anderer Meinung sind, insbesondere gegen die örtlichen Amtsträger und Kirchenvertreter, sowie die Veranstalter der Gegendemonstration, sind dokumentiert. Man kann sie in den einschlägigen Foren und Kommentarspalten nachlesen.
Und man nutzt die gängigen braunen Klischees, um uns in die linksradikale und gewaltbereite Ecke zu stellen.
Das Schlimme: viele aus dem bürgerlichen Bereich verfallen diesen Unterstellungen.
Dennoch haben wir eine breite Unterstützung für unser Motto “Für Menschlichkeit, für Solidarität, für Demokratie” erfahren dürfen.
Dafür unser Dank an alle UnterstützerInnen.
Unsere Solidarität gilt den Schwachen in unserer Gesellschaft – unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität, Krankheit oder Alter.
Unsere Menschlichkeit speist sich aus den Werten der Aufklärung, des Humanismus und aus den Menschenrechten, wie sie in unserer Verfassung erstmals in Deutschland unabänderlich manifestiert wurden.
Unabhängig vom Glauben leben wir die Werte der Nächstenliebe.
Unsere demokratischen Überzeugungen lassen uns auf die Straße gehen und gegen die ein Zeichen zu setzen, die heute die politischen Antworten von längst überwunden geglaubten Zeiten auf die Probleme von heute geben wollen.
Ausgrenzung, Stigmatisierung, Misstrauen, Hass und Hetze sind die politischen Instrumente derer, die Deutschland, Europa und die ganze Welt in einen verheerenden Abgrund geführt haben, den zig Milionen Menschen mit dem Leben, mit ihrer körperlichen Unversehrtheit, mit Flucht und Verfolgung und schwersten Traumata bezahlen mussten.
Und schon damals behaupteten die Protagonisten dieser mörderischen Politik aus Sorge um die “Unversertheit des deutschen Volkes” zu handeln, um angebliche “Bedrohungen der Existenz des Volkes” abzuwenden, um der “Vernichtung Deutschlands” durch irgendwelche Bösen Mächte zuvorzukommen.
Geschichte wiederholt sich nicht – aber es gibt offensichtlich Parallelen.
Es liegt an uns, diesen Entwicklungen entgegenzutreten und für eine menschliche, solidarische Demokratie einzutreten und die nicht zu leugnenden Probleme in bester demokratischer Tradition zu lösen: über Diskussion, Mehrheitsentscheidung und nötigenfalls Kompromiss.
Worüber wir aber nicht diskutieren, sind menschenverachtende, von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geprägte Ideologien und Konzepte.
Wir wünschen ALLEN Menschen, die sich am Sonntag in Kandel versammeln, einen gewaltlosen Tag.
Und wir hoffen auf breite und große Unterstützung für unseren Protest gegen Rechts.
Herzlichst
Die extrem liebenswerte
KURFÜRSTLICH KURPFÄLZISCHE ANTIFA”
(Video: https://www.facebook.com/antifakurpfalz/videos/vb.1018930071531384/1659307520826966/?type=2&theater)
(Bericht und Bilder: Rick de la Fuerte)
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