Neujahrsempfang im Rosengarten: Absage für „Aufstehen gegen Rassismus“

Stand von “Aufstehen gegen Rassismus” beim Neujahrsempfang 2018 | Bild: cr

Antirassistische Initiative darf sich nicht präsentieren – Vorauseilender Gehorsam aus Angst vor der AfD?

Die regionale Gruppe der bundesweit aktiven Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ hat von der Stadt Mannheim eine Absage erhalten. Sie hatte, wie viele andere Initiativen auch, um einen kostenlosen Stand beim Neujahrsempfang der Stadt Mannheim am 6. Januar 2019 im Rosengarten angefragt.

Zuständig für die Organisation der Stände und formelle Ansprechpartnerin ist zwar die m:con, in diesem Fall schaltete sich jedoch die Stadt ein und ein zuständiger Mitarbeiter teilte schriftlich mit, dass er der Initiative „keine Präsentationsmöglichkeit einräumen“ könne. Überraschung und Unverständnis waren die ersten Reaktionen bei den Mitgliedern von „Aufstehen gegen Rassismus“, auch weil beim Neujahrsempfang 2018 der Stand überhaupt kein Problem war. Der Mitarbeiter der Stadt begründete die Entscheidung mit den Worten

„Der Empfang stellt ausdrücklich keine Plattform für parteipolitische Diskussionen dar. Aus diesem Grund treten dort auch keine politische Parteien auf. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass wir Initiativen, deren Wirken sich gegen einzelne Parteien wendet, ebenfalls keinen Raum bieten. Mit Blick auf die 2019 anstehenden Wahlen gilt dies natürlich in besonderem Maße.“
(Stadt Mannheim)

Die Vertreter der Initiative können das nicht nachvollziehen.

“Wir sind doch weder Partei noch parteinahe, sondern eine gesellschaftliche Bewegung!”
(Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar)

reagierte ein Mitglied der Gruppe auf die Begründung zur Absage. Und tatsächlich, wer sich kurz im Internet informiert, findet schnell heraus, dass „Aufstehen gegen Rassismus“ eine breite gesellschaftliche Unterstützung erfährt und keineswegs parteipolitische Interessen verfolgt.

Verantwortlich zeichnet sich der Verein „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“. Das Manifest der Initiative haben zahlreiche gesellschaftliche Gruppen unterschrieben, auch verschiedene demokratische Parteien, aber weit mehr gesellschaftliche, religiöse, kulturelle und politische Gruppen und Einzelpersonen, die mit Parteien nichts zu tun haben. Es wird dazu aufgerufen, gegen Rassismus aufzustehen und sich gesellschaftlich einzumischen. Unter anderem ist dort zu lesen

„Wir sind viele. Wir heißen Geflüchtete willkommen. Wir stehen auf gegen den Rassismus von Pegida, AfD, NPD & Co. Wir erheben unsere Stimmen, um in die gesellschaftlichen Debatten einzugreifen, gegen rechten Populismus.“
(aus dem Aufruf der Initiative Aufstehen gegen Rassismus)

Hier von einem parteipolitischem Interesse zu sprechen ist absurd und eine willkürliche Auslegung des Begriffs. Natürlich erkennt Aufstehen gegen Rassismus völlig richtig die AfD als wirkungsmächtigste Organisation, die in den letzten Jahren Rassismus und Demokratiefeindlichkeit salonfähig gemacht hat. Andere Organisationen, wie die NPD, der „Dritte Weg“ und „Freie Kameradschaften“ sind aufgrund des Erfolgs der AfD zu bedeutungsarmen Splittergruppen geworden. Die erfolgreiche PEGIDA-Bewegung oder die „Identitären“ kooperieren dagegen sehr gut mit der AfD und stellen mittlerweile deren inoffiziellen außerparlamentarischen Arm dar.

Die Stadt Mannheim reagiert hilflos gegen den Rechtsruck, der von der AfD angeführt wird. Offenbar im vorauseilendem Gehorsam, möglicherweise aus Angst, dass sich die AfD beschweren könnte, wird einer antirassistischen Initiative der Stand beim Neujahrsempfang verweigert. Was sind die Kriterien? Darf man sich nur noch für Demokratie engagieren, wenn man ihre Feinde nicht mehr beim Namen nennt? Darf man Rassismus nur noch abstrakt und theoretisch kritisieren? Soll man für Vielfalt den Mund aufmachen, aber zur Einfalt schweigen?

Geht es um Parteipolitik oder doch nur um die AfD?

Stand von “Aufstehen gegen Rassismus” beim Neujahrsempfang 2018 | Bild: cr

Es stellen sich weitere Fragen. Wird eine wohnungspolitische Initiative abgelehnt werden, wenn sie das kommunale Bauprogramm der SPD kritisiert? Wird eine Umweltinitiative eine Absage erhalten, wenn sie etwas gegen die verkehrspolitischen Initiativen der CDU anführt? Wird eine andere Initiative eine Absage erhalten, wenn sie die Parteien für die Einrichtung der Videoüberwachung kritisiert? Wohl kaum und das ist auch gut so. Es bleibt aber die Frage, warum bei der kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus die AfD nicht benannt werden darf.

Der Vorgang erinnert an die aktuelle Diskussion um den Auftritt der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ in Dessau, wo rechte Gruppen, angeführt von der AfD, eine Absage des Veranstaltungsortes erreichen konnten – mit dem Unterschied, dass die AfD in Mannheim noch nicht einmal selbst aktiv werden musste – zumindest in der Öffentlichkeit. Es erinnert auch historisch an schlimme Zeiten. In der Weimarer Republik integrierten die Demokraten die Faschisten zuerst in ihr politisches System und wurden kurze Zeit später von ihnen vernichtet.

Ironisches Detail: Der Neujahrsempfang der Stadt Mannheim in 2019 soll das Leitbild 2030 thematisieren. Grundlage dafür sollen unter anderem die acht Strategischen Ziele der Stadt sein. Unter der Überschrift „Toleranz leben“, dem strategischen Ziel Nummer 4, heißt es:

„Mannheim ist auch aufgrund seiner Geschichte von einem beispielhaften Miteinander der verschiedenen Kulturen, Weltanschauungen und Lebensmodelle geprägt. Deshalb nimmt Mannheim in Sachen Offenheit, Akzeptanz und Teilhabegerechtigkeit gegenüber allen Mitgliedern seiner Stadtgesellschaft und darüber hinaus eine Vorbildfunktion ein. Mannheim versteht sich als internationale Stadt, als neue Heimat für Zugewanderte und nutzt Vielfalt als entscheidenden Entwicklungsfaktor in einer globalisierten Welt.“
(aus den strategischen Zielen der Stadt Mannheim)

Was nun, wenn es politische Kräfte gibt, die fundamental gegen diese Ziele arbeiten? Sich nicht mit ihnen zu beschäftigen, scheint kaum der richtige Weg zu sein, ein Leitbild auf dieser Basis umzusetzen. Man hört immer wieder von einer „wehrhaften Demokratie“. Hier wirkt sie hilflos.

Die Regionalgruppe von Aufstehen gegen Rassismus wird in den kommenden Tagen über die Absage beraten. „Auf jeden Fall werden wir versuchen, diese Entscheidung zu revidieren und hoffen, doch noch einen Infostand am Neujahrsempfang gestalten zu können.“ teilt Stand-Anmelder Karlheinz Paskuda mit.

(Text: cki | Bilder: cr)