Wirkt nun die nächtliche Ausgangssperre oder nicht?
An diese wichtige Fragestellung hat sich die Stadt Mannheim nun das erste Mal herangewagt – unter allen Vorbehalten, da das Zahlenmaterial noch zu gering ist, um valide Aussagen treffen zu können. Wichtig ist diese Fragestellung deshalb, weil
- das Interesse riesig ist, Wirkungsrelationen zu getroffenen Einzelmaßnahmen zu erhalten, um deren Tauglichkeit und Angemessenheit besser beurteilen zu können, und
- weil speziell das nächtliche Ausgangsverbot zu besonders intensiven Diskussionen geführt hat, ist doch der Eingriff in die Grundrechte hier besonders massiv. Er muss also auch besonders intensiv überprüft werden. Vor allem aber wurde in Teilen der Gesellschaft, die sonst die getroffenen Maßnahmen im Großen und Ganzen aus Überzeugung mittrugen, an dieser Stelle ein ganz großes Fragezeichen gesetzt. Dies umso mehr, als viele Menschen die Zielrichtung der nächtlichen Ausgangssperre anders interpretierten als sie tatsächlich gedacht war: Sie fragten sich, welchen Sinn es mache, das „Ausgehen“ zu unterbinden, wenn doch ohnehin alle interessanten Einrichtungen längst geschlossen sind. Die eigentliche Begründung bezog sich jedoch gar nicht auf den öffentlichen Raum sondern auf das massenhafte Infektionsgeschehen im privaten Bereich, z.B. durch größere Familienfeiern. Es geht darum, den gegenseitigen Besuchsverkehr zwischen den Haushalten zu unterbinden. Genau das nervt uns ja alle. Aber erstaunlicherweise war und ist dann die Akzeptanz doch sehr hoch. Da nun unter grundrechtlichen Gesichtspunkte das massenhafte Kontrollieren des abendlichen Lebens in Privathaushalten vollkommen undenkbar ist und das Denunziantentum auf Spitzenwerte triebe, ist das Verbot und Kontrolle des nächtlichen Straßen- und Fußgängerverkehrs die mildere Maßnahme. Aber sie nervt trotzdem.
Kann man denn – fragte nun der Mannheimer Gesundheitsamtsdirektor Dr. Peter Schäfer in der Gemeinderatssitzung vom 2.2.21 – aus Maßnahmen auch Effekte ablesen?
Man wisse auch aus internationalen Vergleichen, dass es 13 Tage dauere, bis eine Maßnahme einen Effekt sichtbar werden lasse. Die nächtliche Ausgangssperre wurde in Mannheim am 3.12. verkündet und trat am Folgetag in Kraft. (Ludwigshafen zog damals gleich.) Ab dem 13 Tag, also dem 16. Dezember, konnten in Mannheim also frühestens Effekte sichtbar werden. In Baden-Württemberg erfolgte die nächtliche Ausgangssperre erst ab dem 12.12.20. Vom 24. bis 26.12. galt landesweit eine Ausnahme. Rheinland-Pfalz verzichtete gänzlich auf generelles nächtliches Ausgangsverbot, Hessen machte dies von der 7-Tagesinzidenz in Kreisen und kreisfreien Gemeinden abhängig (ab 200).
Schäfer zeigte zwei Grafiken.
Die erste stellt die Entwicklung der Inzidenzen an drei Stichtagen dar: den 23.12. (rot, links), 29.12. (grau, Mitte) und 02.01. (grün, rechts). Von links nach rechts zeigen die Säulenbündel: Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen, Neckar-Odenwald-Kreis, Rhein-Neckar-Kreis, Kreis Bergstraße, dann noch Baden-Württemberg und Deutschland insgesamt. Der Basiswert = 100 % bezieht sich auf den 16.12.20.
Die zweite Grafik zeigt zum gleichen Thema für die gleichen Gebietskörperschaften die Entwicklung zwischen 03.12. und 30.01. Referenztag ist ebenfalls der 16.12. (Die rheinland-pfälzischen Zahlen zwischen 2.1. und 16.1. liegen hier leider nicht vor.)
Tatsächlich zeigen sich für Mannheim und Ludwigshafen unterscheidbare positive Effekte zu den übrigen Gebietskörperschaften in den ersten Wochen nach der Verfügung der nächtlichen Ausgangssperre im Alleingang. Interessant ist in dieser Grafik auch, dass die Weihnachtsregelung in Mannheim keinen Knick nach oben zwei Wochen nach dem Fest verzeichnet.
Diese Auswertung ist allerdings – wie gesagt – noch kein wissenschaftlich fundiertes Ergebnis.
Thomas Trüper
(Quelle der Grafiken: Stadt Mannheim. Screenshots der Gemeinderatssitzung vom 2.2.21)