Rede von Dennis Ulas, Fraktionsvorsitzender der LI.PAR.Tie. zum Stadthaushalt 2022
Dennis Ulas: Solidarisch aus der Corona-Krise – sozial und ökologisch in die Zukunft!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Dezernenten,
liebe Mitarbeiter*innen der Stadt Mannheim
sehr geehrte Mannheimer*innen,
liebe Kolleg*innen,
seit etwa zwei Jahre Corona-Pandemie leben wir in der Corona-Pandemie, die unseren Alltag bis ins Tiefste beeinflusst und beeinträchtigt. Zwei Jahre, deren tiefgreifende Auswirkungen uns noch längere Zeit begleiten werden. Es war eine Zeit, die auch deutlich gezeigt hat, wie gelebte Solidarität vor Ort und in Nachbarschaften funktionieren kann. Sie hat aber auch Missstände aufgezeigt, die es in dieser Stadt und Gesellschaft bereits zuvor gab und die durch Corona deutlicher zu Tage getreten sind. Während einige Menschen sich in der Pandemie vor Arbeit kaum retten konnten und das bei meistens schlechter Bezahlung, konnten einige andere Menschen von einem Tag auf den nächsten ihrer Beschäftigung über Wochen oder Monate hinweg nicht mehr nachgehen. Diese Menschen waren bzw. sind noch immer in ihrer Existenz bedroht. Gleichzeitig sind für die Privathaushalte die Ausgaben gleich geblieben oder sogar gestiegen – man denke hier an die Mieten oder aktuell auch an die Energiepreise. Das alles schlägt sich hier vor Ort nieder und wird durch den aktuellen Sozialatlas verdeutlicht.
Während die einen zu wenig haben, steigt der Reichtum auf der anderen Seite: Die soziale Ungleichheit ist deutlich größer geworden. Gegen die bestehende und drohende Armut müssen wir auch auf kommunaler Ebene ankämpfen. Zusätzliche Investitionen wären notwendig, doch die städtischen Finanzen sind durch Corona ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Stadt ist aktuell an der Grenze dessen, was sie finanziell und personell leisten kann, obwohl noch so viel mehr zu tun wäre. Insgesamt freuen wir uns aber, dass die Stadt keine Kürzungen und Streichungen vornimmt, sondern den Haushalt in seinem Gesamtvolumen trotz Mindereinnahmen und Mehraufwendungen fortschreibt. Für die große Zahl an Projekten mit einer entsprechend hohen Investitionssumme muss allerdings zusätzliches Personal bereitgestellt werden, um diese abarbeiten zu können.
Wir sehen hier die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP in der Pflicht, Kommunen besser finanziell zu unterstützen. Das Festhalten an der Schwarzen Null und am Netto-Neuverschuldungsverbot mag dieses Mal für den Haushalt noch funktionieren, da auf die kommunale Rücklage zurückgegriffen wird. Doch angesichts der weiter anstehenden notwendigen Investitionen und laufender Ausgaben ist das mittel- bis langfristig nicht vertretbar. Unterbliebene Investitionen werden die größte Belastung für die nachfolgende Generation sein.
Armut in der Stadt bekämpfen!
Die Armut in unserer Stadt hat während der letzten beiden Jahre zugenommen und ist vielfältiger geworden. Die soziale Ungleichheit zwischen den Stadtteilen nimmt zu, die bisherigen Erfolge der sozialen Stabilisierung und der Armutsbekämpfung wurden durch Corona und die Folgen der Pandemie zunichte gemacht. Die Stadt hat sich aber zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche Teilhabe für von Armut betroffene Menschen zu gewährleisten. Im neuen Sozialatlas werden zahlreiche Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die wir als Gemeinderat unbedingt berücksichtigen müssen. Unserer Meinung nach gehört hier auch das Thema Mobilität dazu, weshalb wir nach wie vor unsere Forderung nach einem Monats-Sozialticket aufrechterhalten. Wir fordern eine der Preisentwicklung angepasste Mietkostenübernahme durch das Jobcenter sowie die Durchführung einer Veranstaltungsreihe zum Thema Armut mit betroffenen Menschen, die in einer Armutskonferenz gipfeln muss. Aber auch die Sicherstellung und auskömmliche Finanzierung von sozialen Beratungsstellen und Unterstützungsleistungen muss mindestens auf dem aktuellen Niveau gesichert
Offene Stadt für alle!
Mannheim ist eine weltoffene Stadt mit langer Zuwanderungsgeschichte, seit etwa zweieinhalb Jahren auch Sicherer Hafen für Geflüchtete: Wir erwarten daher von der Stadt ein großes Maß an Aktivität, um sich für die Aufnahme von Geflüchteten einzusetzen.
Hinzugekommen ist im Sommer dieses Jahres die Erklärung Mannheims zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen. Wir erwarten nun, dass dieser Freiheitsraum auch erlebbar gemacht wird und beantragen als weitere Maßnahme die Einrichtung eines queeren Jugendtreffs Aber auch alte Menschen brauchen Räume für Begegnung, um sie vor Vereinsamung zu schützen. Denn auch sie haben stark unter der Isolierung während Corona gelitten. Wir halten daher an unserer Forderung fest, Seniorentreffs weiterzuentwickeln und auszuweiten. Wir begrüßen die bisherigen Fortschritte der Stadt hierbei.
Gesundheitsschutz nicht auf Corona beschränken!
Das Personal im Gesundheitsamt, bei den Impfteams sowie an den Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen hat in den letzten fast zwei Jahren unglaublich viel Arbeit geleistet. Die erfolgreiche Strategie der mobilen Impfteams muss auch 2022 fortgeführt werden, worüber wir heute bereits gesprochen haben und den entsprechenden Beschluss gefasst haben.
Eine nach wie vor nicht zu unterschätzende Gefahr ist HIV. Wir erwarten von der Stadt, die Vorbereitung zum Beitritt zur Fast-Track-Cities-Initiative zur Beendigung von AIDS voranzutreiben.
Aber auch die medizinische Alltagsversorgung muss verbessert werden. Trotz hoher Ärzteversorgung in Mannheim als Gesamtstadt sind diese Ärzte sehr ungleich über die Stadtteile verteilt. Wir fordern daher die Erarbeitung eines gesundheitlichen Konzepts mit kinderärztlicher Versorgung und Gesundheitsfachkräften in sozial benachteiligten Stadtteilen. Eine ebenfalls wichtige Alltagsversorgung für sehr viele Menschen sind Menstruationsartikel. Wir schlagen das Aufstellen von Automaten mit kostenlosen Tampons und Binden an Schulen, in öffentlichen Gebäuden und Frauenhäusern vor.
Das Universitätsklinikum ist unverzichtbar für die Gesundheitsversorgung der Stadt und stellt dennoch derzeit ein großes Kostenrisiko dar. Klar ist, dass wir als Stadt auch weiterhin das Universitätsklinikum stützen müssen. Wir erwarten vom Land aber auch eine schnellere Klärung hinsichtlich der Übernahme und Fusion, um den kommunalen Haushalt langfristig zu entlasten.
Bildungsgerechtigkeit: Niemanden zurücklassen!
Die lange Zeit der geschlossenen Schulen oder des hybriden Unterrichts werden nicht spurlos bleiben. Lerndefizite vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Haushalten können nicht einfach so im regulären Schulalltag aufgeholt werden. Notwendig sind zusätzliche und bedarfsorientierter Angebote um die Lernrückstände vollständig abzubauen. Dass die Stadt hier entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, begrüßen wir sehr, erwarten jedoch die vom Land angekündigten flächendeckenden Angebote. Auch die Bereitstellung von Mitteln für die Beschaffung von Luftfilteranlagen ist ein gutes Zeichen. Es müssen wirklich alle Unterrichtsräume mit den Anlagen ausgestattet werden, bei denen ein Bedarf besteht. Die Aufstockung der Schulsozialarbeit und die Sanierung der Schulen gehen voran, bei der Ganztagsbetreuung und Digitalisierung ist allerdings noch mehr Tempo erforderlich. Die geringe Barrierefreiheit an den Schulen ist ein deutlicher Beleg jahrzehntelanger Versäumnisse. Hier sehen wir das Land und die Stadt gleichermaßen in der Pflicht, gleiche Teilhabe für alle Menschen mit oder ohne Einschränkungen zu garantieren.
Mannheim wächst und auch die Zahl der Kinder steigt. Hinzu kommt der gesetzliche Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung. Für flächendeckend Kita-Plätze ist also noch viel zu tun. Betreuungseinrichtungen freier Träger müssen bezahlbar für alle Eltern sein. Wir erwarten vom Land, dass landesweit die Kita-Gebühren abgeschafft werden und die dadurch entstehenden Mehrkosten der Kommunen vom Land übernommen werden.
1,5 °C-Ziel auf kommunaler Ebene unterstützen: Energie- und Verkehrswende umsetzen!
Die UN-Klimakonferenz in Glasgow hat gezeigt, dass auch wir als Stadt müssen unseren Beitrag zur CO2-Reduktion leisten müssen. Als wichtigste Aufgabe sehen wir die Energiewende vor Ort: Der Ausbau von Windenergie und Photovoltaik für die Stromerzeugung sowie von weiteren regenerativen Energieformen für die Fernwärmeversorgung müssen jetzt erfolgen, damit das Großkraftwerk spätestens 2030 vom Netz gehen kann. Klar ist jedoch, dass der Kohleausstieg nicht auf dem Rücken der Beschäftigten erfolgen darf. Wir erwarten daher vom GKM ein Konzept, das den Beschäftigten eine Perspektive hier in Mannheim bietet.
Dass Mannheim Pilotstadt für den Local Green Deal ist, begrüßen wir und erwarten in den kommenden Jahren konkrete weitere Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Ebenso warten wir gespannt auf den Klimaschutzaktionsplan, der 2022 beschlossen werden soll. Klimaschutzmaßnahmen müssen eine zunehmend höhere Priorität im kommunalen Haushalt aufweisen.
Einen bedeutenden Beitrag zum Thema Klimaschutz muss auch der Verkehrssektor liefern. Ende 2020 wurde in Mannheim einen Spitzenwert bei Pkws erreicht, trotz bereits langjähriger Diskussion um die Verkehrswende. Der Ausbau der Alternativen – Radverkehr und ÖPNV – muss also noch schneller vorangehen als bisher. Vor allem beim Radverkehr gehen Fortschritte nicht immer so schnell, wie es viele erwarten. Hier muss die Stadt prüfen, wie Maßnahmen im Verkehrsbereich beschleunigt werden können.
Der ÖPNV als weiteres wichtiges Standbein der Verkehrswende muss ebenfalls ausgebaut werden. Der Umbau der Haltestelle am Hauptbahnhof steht 2022 an, weitere Maßnahmen des RNV-Schienennetzes sind angestoßen worden. Doch auch das wird nicht ausreichen: Bus- und Bahnfahren muss noch attraktiver werden durch bessere Erschließung. Eine weitere Vernetzung mit dem Umland ist notwendig, wenn wir die zahlreichen Einpendler vom Auto wegbringen wollen.
2022 wird das Kurzstreckenticket in Mannheim eingeführt, was DIE LINKE im Gemeinderat schon vor einigen Jahren gefordert hat. Denn der ÖPNV muss günstiger werden, um die Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Mittelfristig müssen wir neue Ideen und Konzepte für die Finanzierung des ÖPNV entwickeln, natürlich in einer sozial gerechten Ausgestaltung.
Zudem fordern wir eine rasche Neuordnung des Gehwegparkens, um mehr Platz und Sicherheit für Fußgänger*innen herzustellen. Bei ausreichendem Platz muss das Gehwegparken vorübergehend noch geduldet werden.
Wir halten die flächendeckende Einführung des Anwohnerparkens sowie eine gerechtere Gebührengestaltung für sinnvoll.
Natur und Freiräume in der Stadt ausweiten!
Die Corona-Pandemie hat die Wahrnehmung und Nutzung des öffentlichen Raums spürbar ansteigen lassen. Viele Menschen in Mannheim leben in beengten Verhältnissen, weshalb sie auf einen attraktiven Freiraum angewiesen sind. Auch die aktuelle Stadtklimaanalyse zeigt auf, dass mehr Flächen in der Stadt entsiegelt und begrünt werden müssen, um die zunehmenden Hitzetage in Mannheim erträglicher zu machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Schaffung des Grünzugs Nordost auf militärischem Konversionsgelände und freuen uns über die Ausrichtung der BUGA 2023. Für die Innenstadtbezirke werden wir aber um großflächige Fassaden- und Bodenbegrünungen nicht herumkommen. Die Aufwertung und Ausweitung öffentlicher Plätze und wohnortnaher Grünflächen wichtiger denn je.
Nicht nur Mensch und Umwelt, auch Tierschutz und Tierwohl verdienen mehr Beachtung. Wir werden uns weiterhin für ihre Interessen einsetzen und fordern in diesem Zusammenhang als vordringlichstes Ziel endlich die Verabschiedung der Katzenschutzverordnung. An den Vogelstangseen muss ein besserer Schutz der Brut- und Rückzugsgebiete der dort ansässigen vielfältigen Vogelarten sichergestellt werden.
Wohnungsmarkt regulieren – preiswerten Wohnraum sichern und schaffen!
Die Mietpreise steigen trotz Neubautätigkeit weiter an. Daran dürfte auch die seit eineinhalb Jahren in Mannheim geltende Mietpreisbremse leider wenig geändert haben. Die neue städtische Grundstücksstrategie und den Bodenfonds begrüßen wir ausdrücklich. Es braucht aber Mittel aus dem kommunalen Haushalt, um ihn zu einem wirklich wirksamen Instrument der Wohnungspolitik zu machen. Die Stadt muss daher Grundstückserwerb und Wohnungsbau als weiteren Investitionsbaustein im folgenden Haushalt abbilden.
Eine Kapitalstärkung der GBG wäre ebenfalls notwendig, damit sie mehr Bestandsgebäude erwerben oder preiswerten Wohnraum neu schaffen kann. Insbesondere in der Neckarstadt-West erwarten wir von GBG und Stadt ein noch stärkeres Engagement als bisher. Die Stadt muss von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, um effektiv in den Wohnungsmarkt eingreifen und günstige Mieten sichern zu können. Abwendungsvereinbarungen sind in diesem Zusammenhang kein effektives Mittel, um unerwünschte Preissteigerungen zu verhindern.
Wir brauchen in Mannheim auch eine Offensive für preisgebundene Sozialwohnungen, von denen noch immer mehr aus der Bindung herausfallen als neue errichtet werden.
Auch gemeinschaftliche Wohnprojekte und gemeinwohlorientierte Bauträger müssen stärker unterstützt werden, um ihrer Rolle als soziale Alternative zum herkömmlichen Wohnungsmarkt in größerem Umfang gerecht werden zu können.
Vom Runden Tisch Wohnen erwarten wir Vorschläge zur Überarbeitung des 12-Punkte-Programms und zu weiterführenden Maßnahmen zur Schaffung und Sicherung bezahlbarer Wohnungen in der Stadt.
Kultur wiederaufleben lassen!
Mannheim hat ein breites kulturelles Angebot, das weit über die Stadtgrenzen hinausstrahlt. Das gilt es zu sichern und zu unterstützen: Beschäftigte im Kultur- und Freizeitbereich haben mit am stärksten finanziell unter den Corona-Auswirkungen gelitten und tun es immer noch. Die finanzielle Unterstützung seitens der Stadt muss also weiterhin gesichert sein.
Die Generalsanierung des Nationaltheaters mit der Schaffung von Ersatzspielstätten wird auf den Weg gebracht, was wir als Fraktion unterstützen. Bei Mehrkosten müsste die Stadt sich um zusätzliche finanzielle Unterstützung bei Land und Bund einsetzen. Die freie Szene darf trotz der enormen Kosten für das Nationaltheater nicht ins Hintertreffen geraten und muss auch weiterhin gestützt werden, um die kulturelle Vielfalt zu erhalten.
Personal entlasten und stärken bei Stadt und freien Trägern!
Das städtische Personal war einer außergewöhnlichen Belastung während der Corona-Pandemie ausgesetzt. Wir sind uns bewusst, dass zusätzliche Aufgaben nur über zusätzliches Personal abgedeckt werden können. Ehrenämter wie beispielsweise bei der Freiwilligen Feuerwehr müssen besser entschädigt werden. Bei Fort- und Weiterbildungen darf es keine Schlechterstellung zwischen Mitarbeitenden der Verwaltung und der Eigenbetriebe geben.
Aber auch die unzähligen Vereine, Initiativen und Einrichtungen, die im Auftrag der Stadtverwaltung oder in Eigeninitiative wichtige Aufgaben übernehmen, arbeiten häufig mit ihrer jeweiligen personellen Ausstattung am Limit. Dieses professionelle Engagement muss auch angemessen ausfinanziert werden. Die weitere Institutionalisierung der Förderung und Dynamisierung von Personalkosten ist daher zwingend erforderlich. Hier erwarten wir trotz der schwierigen Haushaltssituation eine ausreichende Berücksichtigung bei den Etatverhandlungen, denn ein Wegbrechen dieser Leistungen aufgrund von Finanzierungslücken würde längerfristig sicherlich die Stadt noch teurer zu stehen kommen.
Danksagung
Am Ende bedankt sich Fraktion LI.PAR.Tie. bei allen Beschäftigten der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und der städtischen Unternehmen. Vielen Dank auch an die Verwaltung für die Erarbeitung dieses Haushalts. Die letzten zwei Jahre waren besonders belastend. Dennoch haben Sie alle tatkräftig zum weiteren Wohlergehen unserer Stadt beigetragen. Vielen Dank auch an meine Fraktion, vor allem für ihr Vertrauen mir gegenüber. Und danke auch an die Fraktionsgeschäftsstelle– für die große Unterstützung sowie meinem Vorgänger Thomas Trüper, der diese Fraktion überhaupt erst zustande gebracht hat.