Ausstellung im Herschelbad – Chance, in einer verfahrenen Situation neuen Tritt zu gewinnen?
Thomas Trüper – Das Herschelbad, testamentarische Stiftung des jüdischen Kaufmanns und Stadtrates Bernhard Herschel aus dem Jahr 1905, kriegsbedingt erst 1920 eröffnet, im 2. Weltkrieg sehr stark beschädigt, wiederaufgebaut und nun in die Jahre gekommen. Badeanstalt im Herzen der Stadt, sozialer Auftrag – Bad für alle, vor allem für die, die sich keinen Luxus leisten können, wichtige Einrichtung für das Schulschwimmen und für Vereine, Saunaabteilung zu erträglichen Preisen, und immer noch (und wieder zunehmend) genutzt: Das Wannenbad. Denkmalgeschütztes Baudenkmal der Kultur der Jugendstil-Volksbäder. Die drei Schwimmhallen und die Sauna machen nur einen Teil des Bauvolumens aus. Es gibt große nicht- oder fremdgenutzte Flächen und es gab eine mehrfach gescheiterte kleine Gastronomie.
Seit 10 Jahren: Sanierungsschritte, Überlegungen, Ausschreibungen
In den Jahren 2005/ 2006 (wurde) eine Überprüfung und Fortschreibung der notwendigen Sanierungsmassnahmen und –kosten durch die Verwaltung auf den Weg gebracht. Die hierzu beauftragte Firma Drees & Sommer, Stuttgart, hat, bedingt durch fortschreitenden Verfall der Bausubstanz, Technikalterung und allgemeiner Kostenerhöhung, einen Sanierungsbedarf in einer Bandbreite zwischen 35,26 Mio. Euro und 40,06 Mio. Euro (brutto) geschätzt. In diesem Zusammenhang wurde auch geprüft, ob eine Beteiligung privater Investoren möglich erscheint (Public Private Partnership = PPP). Als Fazit zieht die Fa. Drees & Sommer aus ihrer bisherigen Arbeit, dass private Finanzierungsmöglichkeiten derzeit nicht zu realisieren sind und sowohl Sanierung als auch Weiterbetrieb des Herschelbades nur über die öffentliche Hand, also die Stadt Mannheim, möglich ist. (Informationsvorlage 090/2008)
Diese Aussage leuchtet unmittelbar ein: Denn welcher Investor soll selbst die enormen Sanierungskosten finanzieren und – unter Beibehaltung des Stiftungszweckes – das Bad wirtschaftlich erfolgreich betreiben?
Man entschloss sich also 2008 mit einer Dach- und Fassadensanierung zunächst die Substanz vor dem weiteren äußeren Verfall zu sichern. Das kostete schließlich 10 Mio. Euro und dauerte bis 2013/14. „Darüber hinaus beabsichtigt die Verwaltung, ab dem Jahr 2011, voraussichtlich bis 2015 die Umsetzung der weiteren Generalsanierung anzugehen,“ heißt es abschließend in der I-Vorlage aus 2008. Es folgten 2011 und 2013 Beschlüsse des Gemeinderats, Eine „Konzeption Herschelbad“ zu entwickeln und ein Vergabeverfahren als „Wettbewerblicher Dialog“ auszuschreiben. Der zweite Beschluss war erforderlich (?), weil der erste Anlauf mit nur zwei Interessenten gescheitert war. Und auf das Ergebnis des zweiten Anlaufs warten wir bis heute vergeblich, obwohl die Vorlage 098/2013 beteuert: „Es ist vorgesehen, die Mitglieder des Ausschusses für Sport und Freizeit sowie den Verein Freunde und Förderer des Herschelbades e.V. frühzeitig in die weiteren die Phasen des wettbewerblichen Dialogverfahrens einzubeziehen.“ Die Kostenschätzungen für die Innen- und Techniksanierung haben sich lediglich weiter nach oben bewegt: 40 Mio. Euro – ein unverdaulicher Brocken.
Doppelhaushalt 2016/17 und Finanzplanung ohne Lösungsansatz
Der nun verabschiedete Doppelhaushalt enthält 2016 einmalig 2 Mio. Euro für „Konzeptionen Herschelbad und Carl-Benz-Bad“. Finanziell kann es demnach erst 2020 weitergehen. Angeblich stand das Bad im vergangenen Jahr wegen konkreter statischer Probleme zweimal kurz vor der Schließung. Eine Untersuchung hat inzwischen eine doch erstaunliche Stabilität bescheinigt. Es ist also Zeit, Schritt für Schritt an der weiteren Sanierung zu arbeiten, in langgestreckten „Häppchen“ bzw. Happen.
DIE LINKE hatte in den Haushaltsberatungen erfolglos versucht, gegen die Logik der Komplett-Ausschreibung für eine Komplettlösung zu durchbrechen, und stattdessen erst einmal sinnvolle Einzelschritte zu definieren und jährlich eine halbe Million (gern auch mehr) zu investieren, und dabei gleichzeitig die Flächenvermietung und bestimmte Wellness-Angebote voranzutreiben. Keine Investorensuche, keinen Berg, der nicht ersteigen werden kann (A412/2015).
Die Ausstellung nutzen
Die Wanderausstellung wurde in Halle/Saale konzipiert. In der Ankündigung heißt es:
Historische Volks- und Stadtbäder sind nicht nur Kulturdenkmale von europäischem Wert, sondern oft auch aktive Sportstätten – häufig mit erheblichem Sanierungsstau. Nur wenige dieser Bäder sind komplett saniert und vollständig in Nutzung.
Das Ziel der Ausstellung ist es eine Auswahl dieser bedeutsamen Einrichtungen in Deutschland und Frankreich vorzustellen und damit einen ersten Schritt in Richtung ihrer europäischen Vernetzung zu gehen. (…)Protagonisten der Ausstellung sind die historischen Bäder in Halle (Saale) und Strasbourg. Zudem werden u.a. die Volks- und Stadtbäder in Zwickau, München, Nordhausen, Darmstadt und Mulhouse thematisiert.
Es soll um die Problemerfassung und auch um „best practice Beispiele“ gehen. Vielleicht kann Mannheim tatsächlich etwas lernen. Es wäre sinnvoll, wenn im Anschluss an die bis 12. März laufende Ausstellung ein Symposion stattfinden würde mit ExpertInnen aus einigen der genannten Volksbad-Standorte. Denn: Man kann das Herschelbad, das nicht unter üblichem Bäder-Konzeptions-Blickwinkel betrachtet werden darf, nicht ewig weiter vor sich herschieben, auch wenn es für Effizienz-Strategen ein Graus ist. Es geht um soziales Bad und Baukultur.
Die Ausstellung kann in der Eingangshalle des Mannheimer Herschelbad, in U3, 1, vom 16. Januar bis 12. März zu den regulären Öffnungszeiten des Bades besucht werden.