Linkspartei gedenkt Esther Bejerano
Die Linke in Ludwigshafen/Rhein hatte vergleichsweise kurzfristig für den 17.07.21, zur einer Gedenkkundgebung aufgerufen. Etwa ein dutzend Menschen folgten dem Aufruf. Reden wurden gehalten von einer Vertreterin der Partei und einem Vertreter von Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar. Bernhard Wadle-Rohe, Stadtrat in Ludwigshafen, verlas ein Gedicht von Paul Celan.
Dieser Forderung von Esther Bejarano schließen wir uns an!
“Liebe Antifaschistinnen, liebe Antifaschisten,liebe Freundinnen, liebe Freunde,
mit unserer Veranstaltung heute gedenken wir Esther Bejarano. Sie ist vor einer Woche, am 10. Juli im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben. Esther Bejarano war Jüdin und Holocoust-Überlebende, und sie war bis zuletzt eine aktive, unerschrockene und kämpferische Antifaschistin.
Geboren wurde Esther Loewy, wie sie damals hieß, am 15. Dezember 1924 im Saarland. Sie wuchs mit drei Geschwistern auf; ihr Vater war Kantor in der jüdischen Gemeinde und führte die kleine Esther an die Musik heran. Ein Umstand, der ihr später das Laben retten sollte. Als sich ab 1936 die Lage der judischen Bevölkerung in Deutschland zunehmend verschlechterte, fliehte Esthers Bruder in die USA, ihre Schwester nach Palästina. Esthers eigene Auswanderung nach Palästina scheiterte.Ihre Eltern wurden 1941 von den Nazis nach Litauen verschleppt und ermordet, ihre Schwester Ruth starb 1942 in Auschwitz.
Lange Zeit arbeitete Esther in einem Zwangsarbeitslager in Fürstenwalde in Brandenburg. Am 20. April 1943 wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie zuerst schwere Arbeiten verrichten musste. Da sie sehr musikalisch war, singen und Akkordeon spielte konnte, wurde Esther in das Mädchenorchester des Lagers “Auschwitz-Birkenau” aufgenommen. Immer dann, wenn neue Transporte ankamen, die direkt für die Gaskammern bestimmt waren, spielte das Mädchenorchester zur Begrüßung am Lagertor. Das spielen im Orchester belastete sie psychisch sehr, sie wusste ja ganz genau, was mit Menschen geschieht und dieses Wissen zerriss sie innerlich. Gleichzeitig half ihr das Spielen die Zeit in Auschwitz zu überstehen.
Im November 1943 wurde sie ins KZ Ravensbrück verlegt. Kurz vor der Befreiung des Lagers wurde sie auf einen Todesmarsch getrieben, konnte aber gemeinsam mit anderen Gefangenen fliehen. Nach dem Krieg wanderte Esther nach Palästina zu ihrer Schwester aus. Dort lernte sie ihren Mann Nissim kennen, die beiden bekamen zwei Kinder. 1960 kehrte die Familie nach Deutschland zurück und liess sich in Hamburg nieder.
Als sie eines Tages auf offener Starße von Neonazis beschimpft wurde, beschloss sie, sich gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus zu engagieren.
Sie gründete 1986 das deutsche Auschwitz- Komitee, dessen Vorsitzende sie bis zu ihrem Tod war. Immer wieder trat sie als Zeitzeugin auf. Auf der Bühne, in Schulen und in Gedenkstätten berichtete sie über die dunklen Zeiten der Nazi-Herrschaft.
- Larissa Fritsch (Die Linke Ludwigshafen)
Im Jahr 2020 forderte sie in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu auf, den 8. Mai zu einem Feiertag zu erklären. Ein solcher Feiertag könnte helfen, “zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes.” Das sei nun “seit sieben Jahrzehnten” überfällig. Dieser Forderung von Esther Bejarano schließen wir uns an!
Auch künstlerisch war sie bis zuletzt aktiv. Zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter sang sie jüdische und antifaschistische Lieder; zuletzt tratt sie mit der Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia in ganz Deutschland auf.
Ich habe Esther Bejarano 2018 auf einem Fest persönlich kennengelernt und diese Begegnung mit ihr wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben. Ihr Kampfgeist, aber auch ihre Lebensfreude und ihr Optimismus waren ansteckend und mitreißend. In einem Interview sagte sie einmal: “Wenn man sich nicht erinnert oder nichts darüber weiß oder nichts wissen will, dann kann es immer wieder geschehen.”
Deswegen stehen wir heute hier! Wir erinnern uns und wir kämpfen!
Vielen Dank!” (Rede von Larissa Fritsch, Die Linke Ludwigshafen)
Das hat mit den demokratisch verbrieften Rechten in Deutschland nichts zu tun
“Wir stehen hier im Gedenken an Esther Bejarano, die im Konzentrationslager einsaß. Die versuchte Vernichtung der Juden- der Holocaust- ist das Ergebnis einer Ideologie wie sie leider auch heute noch weiter fortbesteht. Wenn die Zeitungen aufgeschlagen werden, kann gelesen werden, dass es eine Vorbereitung von Anschlägen in der jüngsten Zeit gab und es gab Anschläge.
Diese Anschläge haben ihren Ausgangspunkt in Ideen, die sich beispielsweise auf Antisemitismus stützen, schlicht Menschenfeindlichkeit. Es wird bei den Anschlägen in der Begründung der Attentäter immer wieder auf diesen Hass zurückgegriffen. Dem wird von der großen Politik die Vorlage geliefert. So in dem jüngsten Urteil zum Verbot Kopftuch im öffentlichen Dienst zu tragen.
Das hat auch in der letzten Zeit so angefangen mit Tilo Sarrazin, der zuvor noch in der SPD war, mittlerweile ausgeschlossen wurde und, wenn er nicht wieder SPD-Mitglied wird, ausgeschlossen bleibt. Er schrieb das Buch mit dem Titel „der Islam gehört nicht zu Deutschland. „Damit landete der einen Bestseller. Die AfD vertritt einen Rassismus, den sie nicht in erster Linie auf die Hautfarbe zurückführen, sondern sie wollen die Ausgrenzung dieser Menschen aus der Gesellschaft aufgrund deren Zughörigkeit zum Islam. Das hat mit den demokratisch verbrieften Rechten in Deutschland nichts zu tun. Hier sind im Grundgesetzt die Rechte der Gleichstellung verankert.
- Ewald Heimann (Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar)
Wie überhaupt diese Partei nicht demokratisch ist, sondern die AfD will eine offene Diktatur. Dabei sind in der AfD Kräfte, die daran arbeiten, und das Ziel verfolgen, eine faschistische Massenbewegung aufzubauen. …
…Es ist zu hoffen das diese Partei 2021 nicht wieder in den Bundestag kommt und wir werden, wie Esther Bejarano, als sie noch unter uns Lebenden war auch vertreten hat, uns nicht darauf verlassen das dies durch staatliche Hilfe geschieht, sondern selbst aktiv werden. …” (Auszüge aus der Rede von Ewald Heimann, Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar)
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
Der Ludwigshafener Stadtrat Wadle-Rohe trug das Gedicht “Todesfuge” von Paul Celan vor. Zitat:
“Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
…..
- Bernhard Wadle-Rohe verliest
- “Todesfuge” von Paul Celan
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus
Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith”.
Weitere Bilder der Veranstaltung:
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)