Straßenumbenennung in Rheinau-Süd: Empörung über “entdemokratisierendes Verfahren”
Vorauswahl alleine durch Bewohner:innen aus Rheinau-Süd?
Nach dem Willen der BASF-Siedlergmeinschaft Rheinau-Süd soll es keine Straßennamen mit Bezug zu den deutschen Kolonien in Afrika geben. Dem kommt die Mannheimer Stadtverwaltung mit einem aktuellen Beschlussantrag entgegen. Er sieht vor, dass im ersten Schritt die Einwohnerschaft von Rheinau-Süd aus der Vorschlagliste von 18 Personen eine “Shortlist” mit 8 Personen erstellt. Darin sollen die beiden Frauen mit den meisten Stimmen “gesetzt” sein. In Rheinau-Süd rührt die Siedlergemeinschaft die Werbetrommel und kann erreichen, dass die Vorschläge des AK Kolonialgeschichte entfallen. Alle anderen Mannheimer:innen sollen nur noch aus dieser “Shortlist” auswählen können.
Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden. Das stößt die bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen, die den Aufruf des AK Kolonialgeschichte unterzeichnet haben, ebenso vor den Kopf wie alle Mannheimer:innen, die im Beteiligungsverfahren Vorschläge eingereicht haben.
Der Hauptausschuss des Mannheimer Gemeinderats berät den Beschlussantrag am Dienstag, 30. Januar 2024 in der Zeit von 16:30 bis 19 Uhr im Ratssaal, Stadthaus N1. Der AK Kolonialgeschichte wird die Stadträt:innen zu Beginn mit Plakaten begrüßen – Unterstützende sind willkommen.
Stellungnahme des AK Kolonialgeschichte Mannheim
Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte ist empört über den Versuch, das Verfahren zur Namensfindung zu entdemokratisieren. Die Bewohner*innen des Stadtteils Rheinau-Süd sollen das Recht bekommen, aus der Liste der Namensvorschläge mehr als die Hälfte zu streichen bevor andere Mannheimer:innen darüber abstimmen können. Eine sogenannte Shortlist soll dazu führen, dass 10 von den 18 geprüften Vorschlägen auf der Liste nicht berücksichtigt werden. Die Vorschlagsliste ist aus den eingereichten Vorschlägen aus der gesamten Mannheimer Bevölkerung entstanden.
Der Gemeinderat hat im Feb 2022 das Verfahren klar geregelt. Nur die AfD hat damals dagegen gestimmt. Nach diesem Beschluss wird das Meinungsbild im gesamten Stadtgebiet erhoben,
wobei das Meinungsbild von Rheinau-Süd separat ausgewiesen wird. Die Verwaltung bezeichnet die „Shortlist“ und das Sonderrecht von Rheinau-Süd als Anpassung des bestehenden Gemeinderatsbeschlusses „infolge von Diskussionen in der Stadtgesellschaft“ und als Kompromissvorschlag, der „allen Seiten weitgehend gerecht“ werde und die besondere
Betroffenheit der Anwohnenden der Straßen berücksichtige.
Tatsächlich ist der Beschlussantrag, der die Idee von drei gleichlautenden Anträgen von FDP, ML und CDU aufnimmt, vor allem dazu geeignet, der Stadtgesellschaft als Ganzes die Möglichkeit
demokratischer Einflussnahme zu entziehen und Diskussionen über die rassistischen und kolonialistischen Verflechtungen Mannheims zu unterdrücken.
Der Stadtteil Rheinau-Süd besteht nicht nur aus den Anwohnenden der betroffenen Straßen. Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden.
Wem kommt der Vorschlag entgegen, dass zehn Namensvorschläge in Rheinau-Süd aussortiert werden können?
Im MM vom 20.4.23 wird der Vorsitzende der im Stadtteil gut vernetzten BASF-Siedlergemeinschaft („fast 300 Mitglieder“) zitiert: „Wenn es keine Seen sein können, dann können es aber auch
keine Widerstandskämpfer sein“ Auf ihrer Homepage erklärt die BASF-Siedlergemeinschaft in ihrer Stellungnahme vom Mai 2023, dass sie von den Vorschlägen des AK Kolonialgeschichte mit „Protagonisten des antikolonialen Widerstands in Kamerun, Sänger, Dichter und andere Widerstandskämpfer… die Nase voll“ habe.
Damit drückt die Siedlergemeinschaft deutlich aus, dass sie eine Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte aus politischen Gründen ablehnt. Sie hat im Stadtteil Einfluss genug, um durch
die Propagierung bestimmter Namen zu erreichen, dass die vier Vorschläge des AK Kolonialgeschichte aus der „Shortlist“ entfallen.
Die vom AK Kolonialgeschichte vorgeschlagenen Namen kommen aus einem international geführten Diskussionsprozess und wurden in Mannheim mit vielen Menschen diskutiert. Für die Vorschläge haben sich bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen ausgesprochen. Das ist ebenso ein relevanter Teil der Mannheimer Stadtgesellschaft. Ihn stößt der Beschlussentwurf vor den Kopf.
Worum geht es dem AK-Kolonialgeschichte Mannheim?
Er will „klare Signale gegen Rassismus und für ein Zusammenleben in Vielfalt“ setzen. Anstelle der Kolonialisten sollen Personen geehrt werden, die sich gegen Rassismus, für Frauenrechte, für
Umwelt- und Klimaschutz sowie für globale Gerechtigkeit eingesetzt haben, und deswegen Vorbilder sind. Mannheim ist eine Zuwanderungsstadt, in der Menschen aus der ganzen Welt
leben. Straßennamen sollen diese Vielfalt abbilden und auch Zugewanderten öffentliche Bezugspunkte bieten.
Der Arbeitskreis bezieht sich auf die Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt und folgt den Empfehlungen des von der Stadt beauftragten historischen Gutachtens. Der AK Kolonialgeschichte spricht sich dafür aus, dass der Gemeinderat zu seinem Beschluss vom Februar 2023 steht und dass das gesamtstädtische Beteiligungsverfahren in der angekündigten Zeit und in seiner vorgesehenen Form zu Ende geführt wird.
AK Kolonialgeschichte Mannheim | https://kolonialgeschichtema.com