Haushaltsberatungen: Der Rechten geht es um mehr als die Bewältigung „engerer finanzieller Spielräume“. Das Neuverschuldungsverbot muss fallen.
„Der kommende Doppelhaushalt bietet erstmals seit langem, die Möglichkeit die Finanzierung rot-rot-grüner Gesellschaftsexperimente ein für alle Mal zu beenden! Seit der Kommunalwahl im Juni diesen Jahres ist eine bürgerliche Mehrheit in greifbarer Nähe. Mit der entscheidenden Stimme des Oberbürgermeisters sind wir hier in der Lage diesen Spuk zu beenden.“ Das verkündet der AfD-Fraktionsvorsitzende Finkler in seiner Haushaltsrede. Er fordert zu dieser „Spuk“-Beseitigung den Schulterschluss der gesamten Konservativen und Rechten, einschließlich seiner AfD und der Stimme des OB, also 25 von 49.
Sparvorschläge
Und dann geht es los mit der verblödenden Millionen-Jongliererei. Die AfD hasst bekanntlich das JUZ und das Queere Zentrum: Dorthin würden „jedes Jahr Millionen (!) an Steuergeldern an unseriöse Organisationen und zur Versorgung von Parteisoldaten mit lukrativen Pöstchen gehen.“ Diese „Millionen“ würden beim Straßenbau und der Brückensanierung fehlen. Er fordert „Queeres Zentrum Mannheim: 100.000 € STREICHEN! – Das JUZ als Ausgangbasis für verfassungsfeindliche Aktivitäten: 154.000 € STREICHEN!“ Usw. „Dann ist wieder Geld für die wichtigen Sachen da. Geld für Schulen, Straßen und Brücken.“ Als Nächstes fordert er den Hebesatz für die Grundsteuer auf 0 zu setzen.“ „Diese Maßnahme würde ca. 50 Millionen Euro kosten aber dafür ALLE Mannheimer entlasten. Das ist finanzierbar, wenn man bereit ist zu sparen.“ In Wirklichkeit wären es 75 Mio. EUR. Ein wahrer Geniestreich der „Gerechtigkeit“. Eine Familie in einer GBG-Wohnung auf der Schönau würde zwischen 100 und 200 EUR im Jahr sparen, und der Benz eine halbe Million. Natürlich darf bei den AfD-Sparvorschlägen auch nicht ekelerregende rassistische Hetze gegen die „lebenslange Alimentation illegaler Ausländer“ fehlen. Und natürlich: „Klimafonds: 10 Millionen € im Jahr STREICHEN!“.
Nun würde man den anderen Parteien der rechten Seite des Hauses Unrecht tun, wenn man ihnen solche Hirnrissigkeiten unterstellen würde. Aber die Finanzknappheit ist auch z.B. der CDU-Fraktion eine gute Gelegenheit, „Aufgabenkritik“ zu fordern, so, als würde nicht ohnehin schon um jede Aufgabe gerungen, ob sie sein muss. Fraktionsvorsitzender Kranz nennt in diesem Zusammenhang die ausstehende Klinikumsfusion Mannheim-Heidelberg. Die hat aber nichts mit „Aufgabenkritik“ zu tun, sondern mit Verlagerung von für die Stadt Mannheim untragbaren Kosten der Aufgabe „universitäres Klinikum der Maximalversorgung“ auf das Land. Als weiteres Beispiel nennt er die Transferleistungen nach ALG II und Sozialhilfe. „Offensichtlich ist es durch unsere Sozialpolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht gelungen, Bezieherinnen und Bezieher von Sozial- und Transferleistungen im größeren Maße dauerhaft aus dem Bezug der Leistungen herauszubringen. Dies mag systemisch sein, weil der Ansatz der Sozialhilfe, die einmal überschrieben war mit ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ nicht mehr funktioniert.“ Die hauptsächlichen Kostensteigerungen resultieren jedoch aus der Jugendhilfe und den Kosten von Heimunterbringungen.
Wie ist die finanzielle Lage der Stadt Mannheim?
Tatsächlich geht die Investitionskraft und die Liquidität der Stadt nach Berechnungen des Kämmereiamtes in den nächsten vier Jahren deutlich nach unten. Diese Investitionskraft basiert auf dem Überschuss aller kommunalen Einnahmen (Erträge) gegenüber den nicht-investiven Ausgaben (Aufwand). Das waren 2023 noch knapp 100 Mio EUR, 2025 sollen es lt. Planung -14,3 Mio. EUR sein, also negativ. Bei näherer Betrachtung fallen zwei Positionen auf, die ein Loch reißen: Die „Zuweisungen und Zuwendungen, Umlagen“ z.B. des kommunalen Finanzausgleichs betrugen 2023 noch 722 Mio. EUR; dieses Jahr wird mit 50 Mio. EUR weniger gerechnet. Dann steigen sie wieder an; allerdings 2025 immer noch 24,5 Mio. EUR unter dem Wert von 2023. Die Verantwortung liegt hier beim Land.
Die Steuereinnahmen (hauptsächlich Gewerbesteuer) werden für 2025 56,5 Mio. EUR über denen von 2023 angesetzt (766,9 Mio. EUR) – eine Steigerung, an die angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklung niemand so recht glaubt. Und auch der OB nennt diesen Posten als einen risikobehafteten. Die schon erwähnten Transferleistungen steigern zwischen 2023 und 2026 lt. Planung um 83 Mio. EUR auf 915,7 Mio. EUR. Es sieht also in den nächsten Jahren tatsächlich schlecht aus mit der Investitionskraft.
Wir leben jedoch in einer Zeit, in der gleich mehrere „Wenden“ von den Kommunen gepackt werden müssen – in einer Zeit, in der es im produzierenden Gewerbe erheblich grummelt wegen einer gerade von den Großen verschlafenen technischen und digitalen Revolution, und einer Zeit, vor der Jahrzehnte der nicht werterhaltenden kommunalen Finanzpolitik liegen (Verfall der Infrastruktur und öffentlicher Liegenhscaften). An Investitionen zu sparen ist im großen Ganzen vollkommen fehl am Platz. Wie soll das aber anders gehen?
Das Netto-Neuverschuldungsverbot in der jetzigen Form muss fallen.
Investitionen ab- oder unterbrechen oder in weite Ferne zu schieben ist vor allem noch teurer, als sie mögli
chst wie geplant oder sogar früher zu beginnen. Der volatilen Einnahmensituation der Kommune muss eine Konstanz bei den Investitionen entgegengestellt werden. Und das geht nur, wenn das inzwischen wieder – selbst auf Bundesebene – stark diskutierte Thema der Aufhebung oder Modifizierung des Netto-Neuverschuldungsverbots in Angriff genommen wird, welches in Mannheim die CDU zusammen mit der FDP um die Jahrtausendwende durchgesetzt hat.
Was ist verwerflich an einer kreditbasierten Dehnung der Refinanzierung z.B. eines neuen Schulgebäudes auf z.B. 25 Jahre – eines Gebäudes, welches mindestens 50 oder am besten 100 Jahre halten soll (wie die Jugendstilschulen in Mannheim)? Das Neuverschuldungsverbot verlangt, einen Schulbau von z.B. 60 Mio. EUR innerhalb der Bauzeit aus den laufenden Einnahmen der Stadt zu finanzieren. Eine gestreckte Refinanzierung erfordert zwar zusätzlichen Zinsaufwand. Sie ist aber aufgrund kleinerer Raten nicht so anfällig in der sich jetzt abzeichnenden Situation.
Für den “Konzern” Mannheim wurde es glücklicherweise sowieso nie angewandt.
Die städtischen “Konzern”-Töchter tragen den Hauptteil der öffentlichen Investitionen und nehmen dazu Bankkredite auf. Die konservativen Vertreter des Netto-Neuverschuldungsverbotes kritisieren diesen Umstand als “Schattenhaushalte”. Aber sie nennen keine Alternative.
Die Stadt wäre auch schon längst in der Nichterfüllung ihrer Aufgaben zusammengebrochen, wenn sie nicht z.B. Wohnungen auf Pump durch ihre Tochter GBG bauen ließe, die einen höheren Schuldenstand als der städtische „Kernhaushalt“ aufweist. Die Stadtentwässerung mit ihren ca. 300 Mio. Schulden ist schon längst aus dem Kernhaushalt in einen Eigenbetrieb ausgegliedert worden, für dessen Schulden die Stadt trotzdem haften muss. Schulen und Kitas werden von der GBG-Tochter BBS GmbH saniert und unterhalten mit verstetigten Betriebskostenzuschüssen der Stadt. Und als das Nationaltheater vor einer Zwangsschließung durch die Brandschutzbehörde stand und die Sanierung nicht mehr zu umgehen war, bürdete man die Kreditfinanzierung kurzerhand dem Eigenbetrieb NTM auf mit städtischen Bürgschaften. Im Haushalt ist von den mehrere 100 Mio. EUR nichts zu sehen. Die Raten werden über einen erhöhten Betriebskostenzuschuss bedient. Ebenso wird die „neue Mitte“ des Luisenparks kreditfinanziert. Allerdings müssen nun die Betriebskostenzuschüsse erhöht werden. Einer Finanzierung über zu teure Eintrittspreise muss strikt entgegengetreten werden – die erste Erhöhung des Parkeintritts mit der Begründung Neue Mitte ist schon umgesetzt.
Nicht die erneute „Aufgabenkritik“ und die Zurücknahme wichtiger Investitionsentscheidungen wie bei der Zentralbibliothek sind das Gebot der Stunde, sondern eine offene und ehrliche Diskussion über das Neuverschuldungsverbot.
Thomas Trüper