MVV auf dem Weg zur Energiewende?
von Günther Frey
Die Hauptversammlung der MVV für das Geschäftsjahr 2016 stand ganz im Zeichen der Botschaft: die MVV Energie AG übernimmt eine Vorreiterrolle in der deutschen Energiewende und sie unterstützt das Klimaziel des Pariser Abkommens von 2015 (Begrenzung der Klimaerwärmung auf 2 Grad Celsius). Gleichzeitig versucht die MVV das klassische Kerngeschäft, die Produktion von Strom und Fernwärme aus Kohlekraftwerken und den Verkauf von Strom, Erdgas und Fernwärme zu optimieren.
Wird der Übergang zur Energiewende ernsthaft verfolgt oder folgt sie lediglich einem Trend?
Ergebnissteigerung mit Nachhaltigkeit?
Erstmals konnte 2016 eine Ergebnissteigerung verkündet werden, nachdem seit 2014 immer Rückgang oder Stagnation zu vermelden war.
Das Ergebnis (Adjusted EBIT) stieg um 52 Mio. € (22%) auf 213 Mio. € und liegt damit in etwa auf dem Niveau von 2013.
Der Hauptbeitrag der Ergebnissteigerung nämlich 22 Mio. € kam aus dem Bereich Erzeugung und Infrastruktur und wurde durch die vollständige Übernahme von juwi in den Konzern (Vollkonsolidierung) erzielt. Das Unternehmen juwi wurde 2015 übernommen und ist mit Projektentwicklung und Betriebsführung von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen beschäftigt.
Das Handelsergebnis, das seit 2012 in Folge negativ ist, erreicht mit -31 Mio. € den vorläufigen Tiefpunkt. Dazu gehört übrigens auch die Direktvermarktung von erneuerbarem Strom. Der Verweis auf niedrige Rohmargen im Stromhandel auf der Hauptversammlung lässt erahnen, dass auch der neue Block 9 hier nicht wirklich punkten konnte.
Offensichtlich kann mit dem Handel von Strom (an der Börse und mit Großkunden) kein wirklich profitables Geschäft mehr gemacht werden.
Das Vertriebsergebnis ging um 13 Mio. € (-31%) zurück. Witterungseffekte und Verluste im Contracting-Geschäft wurden hier als Ursache genannt. Der hohe Rückgang lässt aber eher darauf schließen, dass insbesondere der Verkauf von Strom und Erdgas an Kunden ebenfalls wenig profitabel ist.
Schließlich wurde nur mit einem Einmaleffekt, nämlich dem Verkauf von Anteilen im Wassergeschäft der Stadtwerke Kiel, 42% der gesamten Ergebnissteigerung erzielt.
Ohne diesen Einmaleffekt läge das Ergebnis also immer noch unter dem Niveau von 2013.
Durch die Dividendenzahlung in Höhe von 0,9 €/Aktie konnte die Stadt Mannheim wiederum eine Entlastung des ÖPNV in Höhe von 30 Mio. € realisieren. Über die Konzessionsabgabe (Gebühr für die Wegenutzung Strom- u. Erdgasnetze) flossen außerdem 19 Mio. € in den Stadthaushalt.
Die Prognosen für das laufende Jahr sind verhalten optimistisch. Der Umsatz soll wiederum bei ca. 4,1 Mrd. Euro liegen, das Ergebnis soll leicht ansteigen. In den nächsten Jahren sind Investitionen in Höhe von 3 Mrd. Euro geplant. 2017 jedoch wird nicht mit bedeutenden Investitionen gerechnet, so der Vorstandsvorsitzende auf der Hauptversammlung.
Änderungen im Gesellschafterkreis der MVV
Ein paar Tage nach der Hauptversammlung wurde die Öffentlichkeit von der Nachricht überrascht, dass die EnBW durch Anteilskauf des Anteils der französischen Engie SA an der MVV Energie AG seinen Gesellschafteranteil auf 28,76% erhöht hat. Damit erhält die EnBW eine qualifizierte Minderheitenposition mit einer Sperrminorität und damit ein Vetorecht
bei wichtigen Entscheidungen (der Kauf steht noch unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Kartellbehörde).
Während der Kurs der MVV Aktie stieg, gab der Kurs der EnBW Aktie nach.
Branchenanalysten gehen davon aus, dass sich nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland weitere Übernahmen im großen Stil ereignen könnten. RWE und E.ON mussten 2016 weitere große Verluste verzeichnen. Es rächt sich das jahrelange Festhalten an Kohle und Atom. Durch Um- und Ausgründungen wurde versucht das Ruder rumzureißen. Allerdings hat nun beispielsweise Engie SA Interesse an Innogy, einem Konzern ohne Atom- und Kohlekraftwerke, an dem RWE noch mit 67% beteiligt ist. Ein Übernahmekandidat ist Uniper, der von E.ON abgetrennt wurde.
Marktbereinigung, durch Niedergang von RWE, E.ON u.a., sowie Konzentration, insbesondere der Geschäftsteile mit erneuerbaren Energien und Dienstleistungen, in wenigen Konzernen, könnte in den nächsten Jahren den Energiemarkt kennzeichnen.
Insofern sind einerseits für die MVV stabile Verhältnisse durch die Aufstockung des Anteils durch EnBW von Vorteil, andererseits erwachsen starke Wettbewerber im Feld der erneuerbaren Energien.
Energiewende und Nachhaltigkeit?
In den letzten 5 Jahren wurden 730 Mio. € in erneuerbare Energien investiert (Anlagen und Projektentwicklung). Ein großer Teil ging allerdings in das Biomassekraftwerk und das Müllheizkraftwerk in Großbritannien (390 Mio. €).
Für den Erfolg entscheidend sind aber auch hier letztlich die Ergebnisse.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromproduktion des Konzerns betrug 2016 23,5% (Vorjahr 21,2%; der Anteil bezieht sich auf alle Teile nicht nur Deutschland). Obwohl also die Erzeugung von erneuerbarem Strom um 25% gesteigert werden konnte, verhagelt die dominante Kohlestromproduktion das Gesamtergebnis.
Im Bericht wird übrigens seit 2016 die Stromerzeugung der sog. Vollkonsolidierten Unternehmen im Konzern getrennt ausgewiesen (nach einer EU Richtlinie). Da hier die Beteiligungen am GKM und Kraftwerk Kiel nicht dazugehören, wurde lauthals verkündet: “Im Geschäftsjahr 2016 lag der Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen (einschließlich Biomasse-KWK und biogenem Anteil Abfall/Ersatzbrennstoffe) an unserer gesamten Stromerzeugung bei 58 % (Vorjahr 55 %) ” (Seite 24, Geschäftsbericht MVV 2016).
Das Management nutzt offenbar jede Gelegenheit den Kern der Stromproduktion aus Kohle vor der Öffentlichkeit kleinzureden!
Der Großteil der erneuerbaren Stromproduktion (67,9%) findet nach wie vor in Biomasse/Biogas und Müllkraftwerken (biogener Anteil) statt. Lediglich 31,5% wird in Windkraftwerken produziert. Wasserkraft und Photovoltaik spielen keine Rolle.
Wie kann sich diese Situation ändern? In einem Interview mit dem RNF wurden durch Dr. Müller weitere möglich Projekte im Bereich Biomasse und Abfallverwertung angedeutet.
Eine grobe eigene Abschätzung zeigt allerdings: investierte die MVV in den nächsten Jahren 1 Mrd. € in den Bau von Windkraftanlagen, so könnte der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung, bei ansonsten konstanter Erzeugung der konventionellen Kraftwerke, auf schätzungsweise 45% steigen.
Vorzeitige Stilllegung von Kohlekraftwerken könnten diesen Prozess beschleunigen. Zu Letzterem braucht es weitere ordnungsrechtliche und sonstige Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, sowie den Protest der Bürgerbewegungen in der Region.
Nimmt man die neuesten Studien zur Kenntnis (z.B. Öko-Institut, Prognos 2017), so ist doch klar, eine Umsetzung des 2 Grad Zieles des Pariser Abkommens von 2015 erfordert zwingend ein Abschalten der aller Kohlekraftwerke in Deutschland bis spätestens 2035, also bereits in 18 Jahren!
Damit müsste die MVV bereits jetzt für die Zukunft, unter anderem auch der Fernwärmeversorgung in Mannheim, planen. Im besagten Interview des RNF wird angedeutet, dass in 20 Jahren Überschussstrom mit einem “Tauchsieder” in Wärme umgewandelt und in das Fernwärmenetz eingespeist werden könnte.
(Nach einer Greenpeace Studie wird übrigens ein Überschuss an Strom vor allen Dingen entweder durch mangelnde Netzkapazitäten oder nicht leistungsreduzierte Braunkohlekraftwerke bei starkem Windstromaufkommen verursacht. In der Folge muss dann die Leistung von Windkraftwerken reduziert werden, was natürlich nicht sinnvoll ist).
Nun sollte man eigentlich wissen, dass bis dahin Überschussstrom kein Thema mehr sein dürfte, da dann eben alle Kohlekraftwerke abgeschaltet wurden, deren Strom ansonsten die Netze verstopft hatte. Außerdem sind dann genügend Speicher- und Netzkapazitäten vorhanden. Das allerdings unter der Voraussetzung das es gut läuft und nicht die neoliberale Energiepolitik der letzten Jahre fortgesetzt wird.
Die ineffiziente Energiewandlung ist gut für die Rendite, weil aus billigem Strom, der längst nicht immer Überschussstrom ist, teure Fernwärme gemacht wird (siehe MVV Projekte: “Elektrodenkessel” in Kiel oder Speicherheizung “RealValue”), aber schlecht für die Ressourceneffizienz und damit Nachhaltigkeit. Überschussstrom sollte, sofern er denn vorhanden ist, in Batteriespeichern effizient genutzt werden. Beispielhaft sind Projekte bei den Stadtwerken Schwäbisch-Hall und demnächst auch bei der TWL in Ludwigshafen.
Die Entwicklung und Erprobung anderer Alternativen der Wärmebereitstellung für Nah- oder Fernwärmenetze, wie die großflächige Solarthermie und die Tiefen-Geothermie, überlässt man anderen kleineren Stadtwerken bzw. Gemeinden in Baden-Württemberg. Dr. Müller im Interview des RNF: “…Geothermie nur wenn uns was vor die Flinte läuft…”.
Solch eine passive Haltung gegenüber der Geothermie widerspricht der Behauptung von der Vorreiterrolle.
Mittlerweile propagiert die MVV die sog. “Grüne Fernwärme”. Eine Variante der Verbesserung der Umweltqualität der Fernwärme in Mannheim durch Beimischung von Wärme aus Wärmepumpen, die teilweise ihren Antriebsstrom aus Photovoltaik-Anlagen beziehen, für Fernwärme-Kunden mit Aufpreis versteht sich. Ausprobiert werden soll dies im Konversionsgebiet Benjamin-Franklin (mehr dazu später).
Hier zeigt sich wiederum das Dilemma des Baus von Block 9, der im Jahr 2015 in Betrieb ging. Solange diese Fernwärme aus Kohle in Mannheim vorherrscht, wird sie aus wirtschaftlichen, aber auch aus energiepolitischen, Gründen leider “durchgesetzt”.
Günther Frey