Kommentar: „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ (KviAPol)
Die Ruhr-Universität Bochum (Juristische Fakultät – Lehrstuhl für Kriminologie) hat Anfang 2019 mit einer Forschungsstudie begonnen, die polizeiliche Gewaltanwendungen aus Sicht der Betroffenen untersucht. Am 17.09.19 wurde ein Zwischenbericht veröffentlicht, der eindeutige Tendenzen aufzeigt. Ich bin, als Betroffener, Teilnehmer der Studie.
Mein Referenzmoment
Im Rahmen der Studie, auf die ich eher zufällig gestoßen war, wurde ich im Onlinefragebogen nach meinem Referenzmoment gefragt. Also dem Moment, indem ich Opfer einer Körperverletzung durch PolizeibeamtInnen wurde. Ich musste kurz nachdenken und entschied mich aufgrund meiner Erlebnisse als akkredierter Fotojournalist beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg somit für diesen „Referenzmoment“. Es hätten auch andere Situationen in Berlin, Dortmund oder auch Kandel sein können; die rund vier Tage beim G20-Gipfel in Hamburg gelten jedoch für mich bis dato als das absolute „Negativ-Highlight“, in der Funktion des Pressevertreter und in Bezug auf die Studie.
Im Rahmen meiner journalistischen Arbeit beim und rund um den G20-Gipfel in Hamburg 2017 wurde ich mehrfach von PolizeibeamtInnen körperlich verletzt: Drei „Robocops“ (volluniformierte Beamte) rennen mich grundlos am Abend des 06.07., nach der gewalttätigen Auflösung der „Welcome to Hell“-Demo bei einer Spontandemo in Nähe des Schanzenviertels über den Haufen (G20-Akkreditierung und Presseausweis hatte ich offen getragen). Fazit: Prellungen, Hämatome und eine beschädigte Fotokamera.
Am Folgetag wurde ich nach der Demo der StudentInnen und SchülerInnen gegen den G20 auf der Reeperbahn von Uniformierten durch Pfefferspray-Einsatz verletzt. Auch hier trug ich den G20-Akkreditierungs- und meinen Presseausweis offen und für jeden Menschen zu sehen. Dank des medizinischen Teams im Stadion des F.C. Sankt Pauli wurden meine Augen gespült, sodass ich meine Arbeit zeitversetzt fortführen konnte.
Nach dem Ausfüllen des Onlinefragebogens, irgendwann im Frühjahr 2019, folgte über die Sommermonate noch der ein oder andere Austausch zwischen Studienleitung und mir per E-Mail und auch telefonisch.
Habe ich Anzeige erstattet?
Nein, dies habe ich bisher noch nie getan. Damit entspreche ich im Mittel den Ergebnissen des Zwischenberichts. Explizit habe ich nach meinen Erlebnissen in Hamburg 2017 keine Anzeigen gestellt, weil ich mir davon keinen Erfolg versprochen habe. Somit verbuche ich den G20 und weitere Veranstaltungen bei denen ich als freier Fotojournalist tätig war, als zusätzliches „Berufsrisiko“ was das Thema der Studie angeht.
Ergänzung:
„Rechtswidrige polizeiliche Gewaltausübungen können prinzipiell in allen Einsatzsituationen vorkommen“
Die Befragten der Studie schilderten sehr vielfältige Situationen, in denen es zu Vorfällen polizeilicher Gewaltanwendung kam – von der zufälligen Begegnung im öffentlichen Raum über eine gezielte Verhaftung bis hin zu politischen Aktionen und u.a. Großveranstaltungen.
Laut Zwischenbericht wurde besonders häufig berichtet über die herausgehobene Rolle bei Demonstrationen und bei politischen Aktionen (55 %) sowie über Vorfälle im Kontext von Fußballspielen und weiteren Großveranstaltungen (25 %).
Link zum Zwischenbericht der Ruhr-Universität Bochum:
(Kommentar: Christian Ratz / Bilder: Christian Ratz und Ruhr-Universität Bochum)