03. August: Gedenktag an das Shingal-Massaker und seine Folgen (mit Bildergalerie)
Gestern jährte sich zum sechsten Mal der Gedenktag an das Massaker in Shingal (Nordirak). An diesem Tag verübten 2014 IS-Einheiten (Islamischer Staat), mutmaßlich mit Unterstützung der türkischen Regierung in Ankara, einen Genozid an JesidInnen in diesem Siedlungsraum. Die Folgen dieses letzten Anschlags auf diese Minderheit sind bis heute spürbar. Interessensvertreter, wie die Kurdische Gemeinde im Rhein-Neckar-Raum, hatten an diesem Tag zu einer Gedenkveranstaltung nach Mannheim eingeladen. Rund 50 Menschen nahmen an der Veranstaltung am Plankenkopf, Nähe Wasserturm, unter strenger Beobachtung der Polizei teil.
Shingal – Myanmar – Vietnam / Politische und zivilgesellschaftliche Verantwortung werden eingefordert
Kerim Kurt (Kurdisches Gemeinschaftszentrum Rhein-Neckar) erinnerte in seiner Rede an über 1400 Jahre jesidische Geschichte und damit einhergehenden Leiden.
Seinen Worten zufolge wurde bislang jede jesidische Generation Opfer eines Genozids, zumeist bedingt durch islamistische Aktionen. 2014 fand der 70. Genozid an JesidInnen statt. Tausende Menschen fielen dem IS-Terror zum Opfer. Entweder wurden sie gleich hingerichtet, verletzt oder, wer Glück hatte, konnte die Flucht ergreifen. Die Menschen, in der Mehrzahl Frauen und Kinder, die dem IS in die Hände fielen, erlebten und erleben ein grausames Martyrium. Zumeist wurden die Frauen als Sexsklavinnen vom IS missbraucht. Nur wenigen Opfern gelang es bislang aus der Gefangenschaft freizukommen und um als Asylantragsteller in Deutschland und damit auch in Baden-Württemberg Zuflucht zu finden.
In diesem Kontext wurde auch an vergleichbare Genozide in Myanmar und Vietnam erinnert. Im ersten Fall religiös motiviert, gegen das Volk der Rohingya, und im zweiten, aus imperialistischen Gründen durch die USA.
Roland Schuster (Die Linke, Mannheim) sagte in seiner Rede sinngemäß:
“Heute genau vor 6 Jahren begann das Martyrium der Jeziden im Sindschargebiet im Nordirak. Die Folge in nackten Zahlen: eine halbe Million Flüchtlinge, Tausende getötete Menschen, über 7.000 Frauen und Kinder wurden versklavt und zum Teil als Sexsklaven gehandelt. Furchtbare Dinge spielten sich da ab. Und die Katastrophe wäre noch viel größer, wenn die tausenden Menschen auf der Flucht nicht von militärischen Einheiten der PKK vor den Milizen des IS geschützt worden wären. Darüber spricht man in Deutschland nicht gerne. Aber es ist eine Tatsache.“
„Das größte Flüchtlingslager Mexmûr im Nordirak, dass es seit diesem Massaker gibt, mit über 10.000 Menschen existiert heute immer noch. Ja, es gehört zu den Tragödien dieses Krieges, dass die Menschen, die vor dem IS geflüchtet sind, inzwischen Angriffen der türkischen Armee ausgesetzt sind. Die türkische Luftwaffe fliegt in den letzten Wochen vermehrt Bomben- und Drohnenangriffe auch gegen zivile Einrichtungen, angeblich um die PKK zu bekämpfen.“
„Wir fordern von der Bundesregierung: Statt Erdogans Türkei immer noch mit Waffen zu unterstützen, sollte die Bundesregierung endlich für eine politische Friedenslösung eintreten im Nahen-Osten für Rojava, für Syrien und für den Nordirak. Die Kriminalisierung kurdischer Organisationen, auch der PKK ist hierbei ganz im Sinne Erdogans und kontraproduktiv für einen Friedensprozess. Deshalb muss die Bundesregierung diese Kriminalisierung endlich beenden!”
Zwischen den Reden waren Rufe wie, „Erdogan – Terrorist“ und „Hoch lebe die internationale Solidarität“ zu hören.
Eine Jesidin für eine Schachtel Zigaretten
Der Abschlussredner in Mannheim berichtete, dass nach seinen aktuellen Informationen, in der Türkei ehemals vom IS im Jahr 2014 gefangen genommene Frauen auf illegalen „Sklavenmärkten“ für den Gegenwert einer Schachtel Zigaretten „gehandelt“ würden. Seiner Meinung nach müsse die Bundesregierung und die Zivilgesellschaft auch deswegen lauter und deutlicher werden. Für diese Worte gab es langanhaltenden Applaus.
Bildergalerie:
Weiterführende Links:
Dachverband des Ezidischen Frauenrats e.V. https://www.smje.de/
Audio-Mitschnitte der in Mannheim gehaltenen Reden am 03.08.20 https://www.freie-radios.net/103725
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)