Linke und LI.PAR.Tie: “Eine ‘zweite IGMH’ für den Mannheimer Süden!”
Länger gemeinsam lernen fördert nachweislich die Bildungschancen für junge Menschen, die aus bildungsfernen oder benachteiligten Haushalten kommen. In vielen Bundesländern wie etwa in Hessen haben sich deshalb seit Jahrzehnten Integrierte Gesamtschulen etabliert. In Baden-Württemberg sind gerade mal drei dieser Schulen zugelassen. Eine davon ist die Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried, kurz: IGMH.
Die Landesregierungen wechselten, die Dreiteilung des Schulsystems und damit die Zementierung der Bildungs-Klassengesellschaft blieb. Zwar sind inzwischen viele Gemeinschaftsschulen als abgewandelte Form der Gesamtschule mit festen Klassenverbänden dazugekommen, doch davon nur sehr wenige mit gymnasialer Oberstufe, in Mannheim bisher keine einzige, wahrscheinlich um die Gymnasien nicht zu schwächen. Der „Run“ auf die IGMH bei den Bewerbungen belegt jedoch, dass viele Eltern bei der Schulanmeldung zur 5. Klasse eine gangbare Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem suchen.
Viele dieser Eltern kommen aus den südlichen Stadtteilen Mannheims und nur wenige ihrer Kinder werden an der IGMH angenommen. Diese Wenigen haben dann sehr weite Schulwege. Während die Stadtteile nördlich des Neckars bis voraussichtlich 2026 eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe auf Spinelli (Käfertal Süd) bekommen, bleibt der Süden auf Jahre hin abgehängt. Pläne für die 2030-er Jahre kommen viel zu spät für die Schüler*innen-Generation, die jetzt nach einer fortschrittlichen Schulform in erreichbarer Nähe sucht.
Deshalb hat sich die Fraktion LI.PAR.Tie. im Mannheimer Gemeinderat die Forderung der Linken zu eigen gemacht, dass eine „zweite IGMH“ oder eine Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe im Mannheimer Süden, bevorzugt in Neckarau oder auf der Rheinau, gebraucht wird. Dort gibt es bisher wenige Möglichkeiten, das Abitur zu machen. Welche der beiden Schulformen zu bevorzugen ist, darüber gibt es verschiedene Einschätzungen.
Das Landes-Schulgesetz sieht in § 4 Abs. 1 Integrierte Gesamtschulen nicht vor und räumt erst in § 107 ihre Existenz als „Schulen besonderer Art“ ein, was die Genehmigung einer weiteren derartigen Schule nahezu ausschließt. Aber das ändert nichts daran, dass die Forderung danach berechtigt ist. Allerdings fehlt für den direkten Vergleich mit der Gemeinschaftsschule mit Oberstufe eine wissenschaftliche Bewertung, wohl auch weil es jene Schulform erst seit ca. einem Jahrzehnt in Baden-Württemberg gibt. So ist eine objektive Abwägung zwischen den beiden Schulformen nach wie vor kaum möglich. Baden-Württemberg bleibt vorerst bildungspolitisches Entwicklungsland.
Das kritisiert auch Stadträtin Nalan Erol (Die Linke) scharf: „Zwischen Integrierter Gesamtschule und Gemeinschaftsschule mit Oberstufe sollte nach wissenschaftlichen Kriterien und Erfahrungswerten entschieden werden. Beide Schulformen können gute Argumente vorweisen. Für uns als Fraktion geht es jetzt aber vor allem darum, dass der Bedarf an fortschrittlichem gemeinsamem Lernen bis zum Abitur im Mannheimer Süden schnell gedeckt wird.“
Das gemeinsame Lernen schließt auch Inklusion, also die Einbeziehung von Schüler*innen mit körperlichen, geistigen oder Lern-Einschränkungen ein. Hier besteht an fast allen Schulen und Schulformen in Mannheim großer Entwicklungsbedarf. Selbst junge Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen können aufgrund fehlender Barrierefreiheit nur einen kleinen Teil der Schulen in der Stadt besuchen, wie eine Anfrage der Fraktion LI.PAR.Tie. im Jahr 2020 ergeben hat. Auch hier fordert die Fraktion, dass die Stadt ihren Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit entschiedener umsetzt, schon um ihrem eigenen Anspruch gemäß der städtischen Leitbilder 1 Bildungsgerechtigkeit und 3 Vielfalt (einschließlich Inklusion) gerecht zu werden.
Nalan Erol kündigt an, die Bildungsmisere zum Wahlkampfthema der Linken zu machen: „Neben den fehlenden Kita-Plätzen, die verstärkt von profitorientierten Anbietern kompensiert werden, sind auch die fehlenden Angebote für längeres gemeinsames Lernen und unterstützende Lernangebote ein Zeichen mangelnder Bildungsgerechtigkeit. Diese ist aber eine zentrale linke Forderung, die wir im Wahlkampf, im Gemeinderat und in den Parlamenten gemeinsam mit den Eltern vorantreiben müssen. Leider scheinen wir die Einzigen zu sein, die das Thema im Wahlkampf so hoch hängen wie der Bedarf, der bei den Schülerinnen und Schülern in der Stadt besteht. Wir werden da nicht locker lassen, auch nicht nach der Kommunalwahl!“
Die Linke gemeinsam mit der LI.PAR.Tie-Fraktion im Gemeinderat