Greta Thunberg in Mannheim: Durchhalteparolen für die Palästina-Bewegung
Der Besuch von Greta Thunberg auf dem Mannheimer Marktplatz erfüllte seinen Zweck. Der Platz war voll, die Aufmerksamkeit war bei der palästinensischen Sache. Wer antisemitische Hetzreden erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wer auf ein diskursives und informatives Gespräch gehofft hatte, ebenso.
Prominenz schafft Aufmerksamkeit
Ein Sprecher der pro palästinensischen Organisation Zaytouna Rhein-Neckar begrüßte um kurz nach 18 Uhr die berühmte schwedische Klimaaktivstin, sowie Palästina-Aktivist Hasan Özbay, der sich ebenfalls in der Klimabewegung politisiert hatte und Moderatorin Hebh Jamal, außerdem eine große Menschenmenge, die sich vor der Bühne auf dem Marktplatz versammelt hatte.
Die Polizei hatte 750 Personen gezählt, die Veranstalter*innen sprachen später von „Tausenden“. Der größte Teil der Anwesenden dürfte sich der pro palästinensischen Bewegung zugehörig fühlen, es kamen aber auch Neugierige und kritische Zuhörer*innen. Einige wenige hatten sogar Botschaften auf Schildern mitgebracht, wie „Bring them home“ in Bezug auf die von der Hamas entführten israelischen Geiseln.
Bevor das Podiumsgespräch begann, wurden die Anwesenden mit gemeinsamen Parolen rufen in Stimmung gebracht. Auch eine deutliche Positionierung gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus war dem Zaytouna Sprecher an dieser Stelle wichtig. Er betonte seine Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft, wo „Juden, Christen und Muslime“ friedlich zusammen leben – allerdings müsse der Staat Palästina und nicht Israel heißen.
Wenig Diskussion und viel Selbstbestätigung auf dem Podium
Dass es keine spannende, kontroverse Podiumsdiskussion werden sollte, dürfte den meisten klar gewesen sein. Drei Personen, die weitgehend die selben Positionen zum Nahost Konflikt teilen, unterhielten sich mit sich selbst.
Es wurde viel über die Verantwortung von Europa für die Kriegsverbrechen in Gaza und im Libanon gesprochen. Es wurde über (post-)koloniale Verantwortung und über den Aufbau von sozialen Bewegungen diskutiert, über Privilegien (Israel) und Unterdrückung (Palästina) und kurz klang es wie eine Abrechnung mit dem verbürgerlichten Teil der Klimabewegung, namentlich mit den Grünen. Der in der Ankündigung hervorgehobene Zusammenhang zwischen Klimagerechtigkeit und Palästina-Solidarität wurde mit kolonialen Machtstrukturen begründet. Wer sich gegen die Ungerechtigkeit der Klimakrise engagiere, müsse sich auch gegen andere Unterdrückungsverhältnisse positionieren, konkret gegen koloniale Ausbeutung und Unterdrückung. Israel wird in diesem Sinne als Kolonialmacht angesehen, welche das historische Palästina ausbeutet.
Hasan Özbay begründete seine Positionen mit historischen Ereignissen und Entwicklungen in Palästina und Israel. Die Beiträge von Greta Thunberg hingegen waren sich ständig wiederholende Parolen, die man auch mit einer Aneinanderreihung der vielfach wiederholten buzzwords zusammen fassen könnte: „pivileges“, „crisis“, „occupation“, „apartheid“, „genocide“, „reclaim power“, „power to the people“, „repression“, „hope“, „change“, „justice“, „liberation“ – viel Selbstbestätigung und Identitätsfestigung, wenig Diskurs und schon gar keine neuen Ideen.
Interessant für Außenstehende waren die Berichte über Repression und rassistische Zuschreibungen, die palästinensische Aktivist*innen in Deutschland vielfach treffen.
Zum Abschluss kamen noch einmal die lokalen Organisator*innen auf die Bühne zum kollektiven Parolen rufen und singen. Das Konzept der etwa zweistündigen Veranstaltung ging jedenfalls auf. Im Mittelpunkt stand die Präsentation der weltberühmten Klimaaktivistin als Unterstützerin der pro palästinensischen Bewegung. Und das ist gelungen.
Absurdes Theater im Vorfeld
Gegen die Veranstaltung mit Thunberg hatte es im Vorfeld einen kuriosen Wettbewerb gegeben, welche Partei am lautesten Kritik übt. Grüne, FDP und CDU inklusive Parteijugend hatten sich stark daran beteiligt und die Agitation in sozialen Netzwerken lief teilweise aus dem Ruder, als Personen geoutet, Politiker für Aktionen anderer verantwortlich gemacht und immer wieder antisemitische Aussagen von Thunberg prophezeit wurden.
So heftig die Schlacht in den (Sozialen) Medien geführt wurde, so friedlich blieb es dann auf dem Marktplatz. Die vereinzelten pro israelischen Gegendemonstrant*innen wurden toleriert. Antisemitische Aussagen von der Bühne gab es keine zu hören. “Fuck Germany. And fuck Israel” war dem Mannheimer Morgen eine Schlagzeile wert – die vermutlich „radikalsten“ Zitate der Klimaaktivistin an diesem Abend.
Weit entfernt von Lösungen
Es war ein ruhiger Abend trotz großer Menschenmassen und ein großer Erfolg für die pro palästinensische Bewegung der Region – so könnte man die Veranstaltung zusammen fassen.
Dass der Nahost Konflikt damit nicht gelöst wird, ist aber auch klar. Die zwei nationalistischen Blasen (pro palästinensisch und pro israelisch) werden weiterhin nebeneinander existieren und mal mehr, mal weniger konfliktreich in Mannheim die Politik umtreiben.
Das Konzept ist immer das selbe. Beim Gespräch mit Greta Thunberg wurden ausschließlich Verbrechen der israelischen Regierung angeprangert, kein Wort zum Massaker vom 7. Oktober, zur Situation der Geiseln, zu Selbstmordanschlägen und worüber man sonst noch kritisch diskutieren könnte. Bei der Kundgebung der deutsch-israelischen Gesellschaft am 7. Oktober ging andererseits nur um das Massaker der Hamas. Kriegsverbrechen, Aushungern der Zivilbevölkerung, Siedlergewalt und illegale Landbesetzungen – darüber zu reden war auf jener Veranstaltung tabu.
In Mannheim hat sich die pro palästinensische Bewegung durchaus verändert. Blicken wir nur drei Jahre zurück, war da ein aggressiver Mob, angestachelt von einem religiösen Fanatiker mit aggressiven „Allahu Akbar“-Rufen, begleitet von syrischen Dschihadisten und türkischen Faschisten. Sie verbrannten Israelfahnen und bewarfen die Polizei mit Steinen. Jetzt aber steht ein Mann von Zaytouna auf der Bühne und sagt: Juden, Christen und Muslime sollen in einer multikulturellen Gesellschaft friedlich zusammen leben.
Das ist ein Unterschied, den auch die Deutsch-Israelische-Gesellschaft bei allen Differenzen anerkennen sollte.
Andererseits sollte sich Zaytouna fragen, ob sie nicht glaubwürdiger wären, wenn sie auch palästinensische Verbrechen beim Namen nennen. Weder die israelische Regierung, noch die Autoritäten in den palästinensischen Autonomiegebieten wollen eine multikulturelle, multiethnische Gesellschaft, die friedlich zusammen lebt. Das, was dort entschieden wird, führt nicht zum friedlichen Zusammenleben, sondern zum nächsten blutigen Kritik, den in der aktuellen Weltlage die Palästinenser*innen verlieren werden. Nur wer sich von den nationalistischen Zwängen beider Seiten löst, kann eine Perspektive jenseits von Krieg und Gewalt eröffnen. (cki)
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