Wohnungsbau-Rekord in Mannheim – für wen, für wen nicht? Es führt kein Weg am kommunalen Wohnungsbauprogramm vorbei!
Der Mannheimer Morgen vermeldet am 23.08.16, bezüglich der erteilten Baugenehmigungen gebe es einen Rekord: 851 im Jahr 2015. In der Tat geht es rund in Mannheim mit Bebauungsplänen für Wohngebiete, mit Grundstücksverkäufen an Investoren, und mit ersten Fertigstellungen, z.B. auf Turley, wo die drei Wohngruppen Tempo vorgelegt haben und ihre Objekte bereits bezogen haben.
Laut MM rechnet Baubürgermeister Quast mit 9.300 neuen Wohneinheiten bis 2030 (!), und einer Nachfrage nach neuen Wohnungen von bis zu 10.000. Ist damit alles schön ausgeglichen und müssen wir uns keine Sorgen mehr machen über die Entwicklung auch auf dem Mannheimer Wohnungsmarkt? Ja – wenn es so einfach wäre! Selbst der Redakteur des MM gibt zu bedenken: „Die Frage ist nur: Passt das Angebot auch zur Nachfrage?“
Zuvor muss noch gefragt werden: Bedeuten 9.300 neue Wohneinheiten denn auch ein Plus von 9.300 Wohneinheiten auf dem Wohnungsmarkt? Es gehen immer auch Wohnungen verloren, durch Zusammenlegung kleinerer zu großen Wohnungen beispielsweise, aber auch durch Abriss von vielen und Neuerrichtung von weniger Wohnungen – wie jetzt gerade zwischen Carl-Benz- und Main-/Kinzig-Straße durch die GBG. Auch in Schönau-Nordwest wird die GBG noch eine nennenswerte Anzahl Wohnungen abreißen und dann wieder neu bauen.
Die Wohnungsnachfrage ist aber natürlich immer sehr differenziert, was die Größe und Preisklasse betrifft. Und genau hier liegt das eigentliche Problem. Der Zuwachs an neuen Wohnungen wird – wenn nicht ein bedeutender Umschwung passiert – im Wesentlichen auf das gehobene bis regelrecht teure Segment beschränkt sein. Man kann aus heutiger Sicht die Ausnahmen von dieser fatalen Regel an den Fingern abzählen: Da wären die Baugemeinschaften auf Turley, die allerdings so hohe Grundstückspeise zahlen mussten, dass sie wahrscheinlich nicht unter 8 – 8,50 Euro/m² kommen werden, trotz teilweise erheblichem Einsatz an Eigenleistung (im Häuslebauer-Jargon: Muskel-Kapital). Allerdings finanzieren diese Baugruppen in gewisser Weise auch der Öffentlichkeit zugutekommende Treff- und Kulturräume mit. Dann wäre da eine weitere Baugruppe (EpiZentrum) auf Sullivan, die gerade versucht, eine Baugenossenschaft zu gründen und mit noch höheren Bodenpreisen zurechtzukommen. Eine weitere Gruppe hat bereits aufgrund des hohen erforderlichen Aufwands kapituliert. Die Baugruppen erstellen etwa 100 Wohneinheiten. Das Gros der bezahlbaren Wohnungen „für breite Schichten der Bevölkerung“ wird jedoch in FRANKLN-Mitte bei verschiedenen Privatinvestoren und der GBG entstehen: 686 Mietwohnungen bis zu 7,50 Euro kalt, und 253 Eigentumswohnungen mit Kaufpreisen von bis zu 2.800 Euro/m². Das wären dann zusammengenommen knapp über 1.000 Wohneinheiten (ob in der Offizierssiedlung neben FRANKLIN noch ein paar preisgünstige Wohnungen entstehen werden, ist noch nicht sicher). Genau um diese 1.000 Wohneinheiten ist in Mannheim in den letzten acht Jahren das Angebot der GBG an Wohnungen in diesem Preissegment zurückgegangen.
Auf all den anderen Flächen wie Glücksteinquartier, vorher schon Lanz-Caré (südlich des Hauptbahnhofs), Postareal (nördlich des Hauptbahnhofs), die Quadrate T4 und T5, Q6 und Q7, das Quartier der ehemaligen „III. Medizinischen Klinik“ auf dem Waldhof, Wohnen am Wasser (Luzenberg), Rheinauer See, Centro Verde, Turley, der größere Teil von FRANKLIN-Mitte – Fehlanzeige im „bezahlbaren“ Segment. Die Mietpreise liegen absehbar bei 11 – 12 Euro/m² und darüber. In Kleinanzeigen wird im Mannheimer Morgen schon für die Anmietung von Wohnungen in Q6 / Q7 geworben. Der Quadratmeterpreis liegt bei 13,50 Euro. Auch die noch wenig konkreten Planungen für Käfertal-Süd am Rande der Spinelli-Konversionsfläche lassen nichts Preisgünstges vermuten. Es sei denn, der Gemeinderat wirft doch noch das Ruder herum. Der Baudzernent stellt dem MM gegenüber in Aussicht, nochmals darüber nachzudenken, ob man nicht künftig auch preisgünstigere Wohnungen bauen wolle. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht, sonst sind alle Flächen anderweitig verplant und verbaut. Angeblich denkt er auch darüber nach, das sog. „Münchner Modell“ in Mannheim vorzuschlagen. Dieses Modell verlangt für alle Wohnungsbauvorhaben ab einer bestimmten Größe einen Sozialwohnungsanteil von mindestens 20%.
Der springende Punkt freilich ist: München setzt Jahr für Jahr etwa 120 Mio. Euro für „sozial gerechte Bodennutzung“ ein. Die viel zitierten „Quoten“ sind nicht einfach der Erlass einer Satzung, sondern auch die Zurverfügungstellung erheblicher Zuschüsse an die Bauherren. Die immer wieder als positives Beispiel zitierte Stadt Wien mit ihren riesigen kommunalen Wohnungsbeständen zu billigen Mieten bringt jährlich etwa 300 Mio. Euro netto für ihre Wohnungswirtschaft auf, wie man ihrem Haushalt entnehmen kann.
Wenn Herr Quast nun tatsächlich begänne, in diese Richtung zu denken, dann müsste „nur“ noch die bisher gegen alle solche Forderungen resistente Gemeinderatsmehrheit überzeugt werden. Die zwei Stimmen der Linken reichen leider nicht. Immerhin hängt die SPD auf ihrer neuerdings wieder proklamierten nach Suche sozialer Gerechtigkeit Plakate mit der Forderung von 1.000 bezahlbaren Wohnungen (innerhalb drei Jahren) auf. Sie fordert – seit sie nicht mehr in der Landesregierung mit ihrem Schwarze-Nullen-Finanzminister Niels Schmidt vertreten ist – die hierfür erforderlichen Subventionen vom Land zu holen.
Richtig ist: Ohne Zuschüsse, die die in Mannheim wie in jeder Großstadt steigenden Bodenpreise wenigstens teilweise ausgleichen, gibt es keine preisgünstigen Wohnungen. Also braucht auch Mannheim ein kommunales Wohnungsbauprogramm – gerne natürlich gespeist aus Bundes- und Landesgeldern.
Die grün-schwarze baden-württembergische Landesregierung unternimmt freilich keinerlei Anstalten, die Kommunen hier zu unterstützen. Zwar will sie im September die Konkretisierung eines neuen Landeswohnraumförderungsgesetzes in den Landtag einbringen, das laut der Geheimvereinbarung mit ein paar Millionen Euro mehr ausgestattet sein soll. Sie hat auf ihrer Geheimagenda aber auch eine drastische Reduzierung des kommunalen Finanzausgleichs auf dem Programm, so dass hier nicht Gutes zu erwarten ist. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, mit der sich eine echte finanzielle Unterstützung eines langfristig mietpreisgebundenen bezahlbaren Wohnungsbaus abdecken ließe, lehnt der grüne Landesvater jedoch bekanntlich vehement ab.
Also muss die Stadt Mannheim die gegenwärtig munter und weit über Budget fließenden Steuereinnahmen teilweise für ein effektives kommunales Wohnungsbauprogramm mit 20 oder gerne auch mehr Millionen Euro auflegen. Sonst sind Unruhe und Abwanderungen (gar nicht der ärmsten Bevölkerungsschichten) vorprogrammiert.
Thomas Trüper