„Die neue Innenstadt“ – Die neue CDU? – Löbel-Hornung!

Großer Aufmacher auf der Titelseite des  MM und Sonderseite im Lokalteil über die „Neue Innenstadt“ der CDU

 

„Die neue Innenstadt“

Mit Antrag 291/2019 landet die CDU Mannheim einen (erneuten) Knaller: Im Rahmen einer professionell gesteuerten PR-Kampagne prangt die Gemeinderatsfraktion auf der Titelseite des Mannheimer Morgen vom 28. September mit der Schlagzeile: „CDU will Fußgängerzone erweitern“. Im Lokalteil sieht man Stadtrat Nikolas Löbel, der wie ein Stratege dem erfreut guckenden Fraktionschef Claudius Kranz die Pläne scheinbar erklärt; im Hintergrund ist das Plakat zu sehen, mit dem eine öffentliche Diskussion am 10.10. ankündigt und mit Erscheinen des MM in der ganzen Stadt zu sehen ist. Der vom 16.9. datierte CDU-Gemeinderatsantrag ging am 27.9. bei der Stadtverwaltung ein.

Die Überschrift des Antrags lautet: „Die neue Innenstadt – mehr Aufenthaltsqualität für Bewohner und Besucher. Fußgängerzone erweitern, Parkraum neu ordnen und Erreichbarkeit der City verbessern, Freiflächen und Raum für Ruhe. Luft und Grün im Zentrum der Stadt schaffen“

Die CDU schlägt dazu folgende Einzelmaßnahmen vor: Die Fressgasse und die Kunststraße zwischen Breiter Straße und Friedrichsring so weit sperren, dass gerade noch die anliegenden Parkhäuser erreicht werden können. Der bisher nicht unerhebliche Durchgangsverkehr von und nach Ludwigshafen soll über den Ring fließen, die gesperrten Abschnitte der beiden Planken-Parallelen sollen als Fußgängerzonen mit hoher Aufenthaltsqualität ausgestaltet und mit Fahrradspuren versehen werden. „Das Angebot an Stellflächen in den innerstädtischen Parkhäusern muss in quantitativer Sicht zumindest gesichert, in Zukunft wohl ausgebaut werden.“ Auch die Anwohner sollen in den Parkhäusern parken; es soll eine neue Tarifstruktur geben. In den beiden City-Straßen sollen in den gesperrten Abschnitten logischerweise alle Parkplätze entfallen. Als Begleitmaßnahmen sollen Park & Ride-Plätze z.B. auf Franklin, auf dem Friedensplatz und bei der SAP-Arena gebaut bzw. ausgewiesen. „Für den ÖPNV ein gesondertes Tarif- und Taktangebot geschaffen werden.“ Selbstverständlich soll auch ein „intelligentes Verkehrsleitsystem“ bereitgestellt werden. Das Ganze soll „in ein regionales Verkehrsentwicklungskonzept einfließen“. Die Umsetzung der „neuen Innenstadt“ soll bis zur BUGA 2023 erfolgen. (Man erinnert sich: Die Einführung der City-Fußgängerzonen Planken und Breite Straße erfolgte zur BUGA 1975).

Die neue CDU?

Neu an den Plänen der CDU eigentlich gar nichts, außer dem Versuch, das Verkehrsaufkommen in der City in die Parkhäuser der Ctiy zu verfrachten und den Rest um die City herum zu lenken, aber im Prinzip im Umfang zu erhalten. Eher halbherzig kommen die P&R-Plätze ins Spiel und der ÖPNV lediglich als verbindender Zubringer. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, lautet die Devise. Dahinter steckt das Bemühen, den Erlebnis-Einzelhandel, der zu 50% von Kaufkraft aus dem Umland lebt, zukunftssicher zu machen gegenüber der Konkurrenz aus dem Versandhandel. Für die kommunalen Finanzen ein ebenso wichtiges Unterfangen wie für die City-Arbeitsplätze. Trotzdem jaulte der Einzelhandel zunächst mal auf – für CDU-Verhältnisse ein seltenes Ereignis. Allerdings stimmte der City-Platzhirsch Engelhorn & Sturm nicht in den shitstorm ein. Eine autofreie Verbindung zwischen seinem Bekleidungshaus in den Planken und seinem gegenüberliegenden, durch den Eventplatz Kapuzinerplanken und die Kunststraße getrennten Sporthaus kann Engelhorn nur gelegen kommen. Vor Begeisterung plant er jetzt auch ein Restaurant in eben diesem Sporthaus (MM15.10.19). Das Engelhorn-Management weiß mit Sicherheit, was die Stunde geschlagen hat.

Der Mannheimer Morgen kommentiert zu Recht: „Ist der Vorschlag der Christdemokraten neu? Nein, diskutiert wurde darüber schon öfter. Von den Grünen gab es mehrfach und bereits vor längerer Zeit, etwa 2012 und 2014, ähnlich auch von SPD und Freien Wählern Vorstöße in die Richtung. Die Stadt-verwaltung hatte Kunststraße und Fressgasse beim Fahrradjubiläum Monnem Bike im Sommer 2017 für den Autoverkehr gesperrt, um zu zeigen, dass in der City auch eine„ andere Aufenthaltsqualität“ möglich ist. Auch im aktuellen Beteiligungshaushalt gibt es Vorschläge von Bürgern zur Reduzierung des Autoverkehrs in der City.“ (MM 27.9.19). Die Grünen schlugen 1995 erstmals die Unterbrechung der Kunststraße an der Breiten Straße vor, und es gab einen unter großem Geschrei v.a. der CDU schnell wieder abgebrochenen Verkehrsversuch. Grüne, LINKE und auch die SPD haben die Verkehrsentlastung der City schon mehr oder weniger lang in ihren Programmen. Zu ergänzen ist, dass die Entwicklung eines regionalen Verkehrsentwicklungsplans bereits in der Vorplanung ist und dass auf Initiative der LINKEN, der SPD und der Grünen bereits im letzten Doppelhaushalt Mittel hierfür eingestellt wurden. Dabei sind sich eigentlich alle seriösen Verkehrsplaner darin einig, dass eine Verkehrswende v.a. aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes der Bevölkerung den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr (ob mit Verbrennungs- oder E-Motor) auf ÖPNV, Fuß- und Radverkehr in großem Maße befördern muss. Die CDU jedoch präsentiert jetzt im Nebensatz die Ambition, noch weitere Parkhauskapazitäten in der City zu platzieren.

Löbel-Hornung!

Dem CDU-Kreisvorsitzenden Löbel ist mit dem „Neue-Innenstadt“-Coup mal wieder eine Überraschung gelungen. Nachdem die CDU sich von der LINKEN immer anhören musste, sie könne maximal Kreisstadt, aber nicht Metropole, bringt sie jetzt mal einen Metropolen-Hit. Alle Leser*innen (einschließlich der Einzelhändler*innen) werden sich verwundert die Augen gerieben haben: „Häää? Die CDU?“ Der Coup erinnert an die große Kampagne der CDU zum Erlass der Kita-Gebühren in der sog. „Regelversorgung“. Das Prinzip lautet wieder: Nach langem Widerstand setzen wir uns an die Spitze der Bewegung.

Wer denkt da nicht sofort an den neuen vermeintlichen Schutzheiligen der Geflüchteten, Seehofer, der erst über der „Flüchtlingsfrage“ fast die GroKo platzen lässt und dann mal eben ankündigt, Deutschland werde 25% aller geretteten Bootsflüchtlinge übernehmen. In Bayern mausert sich Söder zum neuen Klimaschutz-Apostel. Beide haben nach den letzten Wahlen ausgerechnet: Die eigentliche Gefahr für CDU/CSU-Mehrheiten bzw. –Regierungsaufträge kommt nicht von der auf hohem Niveau stagnierenden AfD sondern vom Höhenflug der Grünen. Deswegen nach der Anpassung an die AfD jetzt die Kaperung von Grünen-Themen.

Da ist ein ambitionierter Jungpolitiker und Karrierestratege wie Löbel auf jeden Fall mit von der Partie, allerdings erst mal kommunalpolitisch, citymäßig. Wenn man sich fragt, wo der Jungpolitiker eigentlich steht, muss man lange nachdenken und kommt doch nur zu dem Ergebnis: Im Zweifelsfall rechts.

So findet er parallel zu seiner Innenstadt-Wende harsche Worte für sein Wende-Vorbild Seehofer, weil der auf der falschen Strecke wendet. Am 30.09.19 zitiert der MM den Bundestagsabgeordneten Löbel: „Seehofer hat (…) persönlich eine 180-Grad-Wende hingelegt und betreibt plötzlich die Politik, die er vor wenigen Jahren als bayerischer Ministerpräsident noch scharf kritisiert hat. (…) Was wir nicht brauchen, ist eine Verteilungsquote, sondern eine funktionierende Grenzsicherung und ein europaweit einheitliches und funktionierendes Asylsystem.“ Also: Wüste und Mittelmeer für die Flüchtenden. Harter Klartext. Während zur türkischen Militäroffensive gegen die Kurden und Syrien alle regionalen MdB im Mannheimer Morgen am 10.10.19 auf Nachfrage ihr Entsetzen äußern, weiß Löbel es besser: „Ich mache mir große Sorgen, dass die Grenze zwischen der Türkei und Syrien nicht mehr lange hält und wir sodann eine neue Flüchtlingswelle erleben werden. (…) Der Vormarsch der Türkei ist ein Alleingang, den die westliche Welt und maßgeblich die USA zu verantworten haben. In den vergangenen Jahren war niemand bereit, in Syrien zur richtigen Zeit militärisch Verantwortung zu übernehmen.“ Also: Auch Deutschland hätte längst in Syrien einmarschieren und „Verantwortung übernehmen“ sollen, um nicht zu „niemand“ zu gehören. Weit her ist es mit Löbels Wende also wirklich nicht, zumindest nicht im Großen.

Für das Kleine – und das reicht bis Stuttgart – wendet Löbel ein bisschen ins Grüne. Sein Freund und MdB-Büroleiter und Grünenüberläufer Thomas Hornung soll ihm dabei eine Stütze sein. Hornung hatte ja nach seinem Parteiwechsel schon überall verkündet: „Ich mache die CDU grüner“. Man muss nicht viel spekulieren um in Hornung Löbels Mann für den Landtag 2021 zu erkennen. Und zwar als Direktmandat (anders kommt die CDU von Mannheim aus nicht in den Landtag, weil die CDU-Kandidaten des „ländlichen Raums“ alle Direktmandate einfahren und für urbane CDU-Kandidat*innen ohne Mehrheit keine Überhangmandate zur Verfügung stehen). Und schließlich hat ja Nikolas Löbel den Bundestag auch ohne Absicherung auf der Landesliste im Direktsturm erobert. Thomas Hornung wiederum kennt sich als ehemaliger Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion in diesem Parlament und auf dem Weg dorthin bestens aus. Und noch ein Schmankerl: Dann kann der gewählte Stadtrat Prof. Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Reiß-Engelhorn-Museen, derzeit noch durch sein städtisches Amt an der Mandatsausübung gehindert, als Pensionär nachrücken und die Flanke zum gut bürgerlichen Lager absichern.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.