„Super-Härtefall“ in Ludwigshafen – nach mehr als 45 Jahren soll eine Roma-Frau abgeschoben werden
Inhumaner Abschiebeplan – Familie in Aufruhr
Eine 52-jährige Frau, sie lebt seit ihrer Kindheit in der Pfalz, jetzt soll sie plötzlich von ihrer Familie, den Verwanden, Freunden und Bekannten gewaltsam getrennt werden und umgehend in die Republik Serbien abgeschoben werden. Dies hat das Land Rheinland-Pfalz zusammen mit der Ludwigshafener Ausländerbehörde so angeordnet.
Wegen dem inhumanen Abschiebeplan ist nicht nur die die Familie verständlicher Weise in heller Aufregung, auch die Mitglieder der Bürgerinitiative Respekt Menschen e.V. sind entsetzt. Selbst die Kinder, zwei kleine Enkel und die schulpflichtige Enkelin, die seit Babytagen im Haushalt der Oma lebt, haben die behördliche Abschiebeaktivitäten realisiert und jetzt Angst von der Oma getrennt zu werden.
Zur Vorgeschichte: Seit Anfang der 70er Jahren ist die Roma-Familie in Deutschland. Die von Abschiebung bedrohte Frau ist mit ihren Geschwistern im beschaulichen Frankenthal aufgewachsen. Ihr Lebensweg macht deutlich, wie schwer es ist, unter prekärem Aufenthalt und verschärfter sozialer Benachteiligung aufzuwachsen.
Nach dem 18-jährigen Geburtstag musste sie zum ersten Mal persönlich einen sog. Duldungsausweis bei der Frankenthaler Ausländerbehörde beantragen. In der Regel gilt dieser drei Monate. Und mit der Volljährigkeit begann für sie das Spießrutenlaufen – sozusagen als ein „Dauergast“ bei den Ausländerbehörden – bis zur plötzlichen Ausweisungsmitteilung 2024!
Diese Bürgerin wird also seit Jahrzehnten von amtlicher Seite nur geduldet, einen dauerhaften Aufenthalt wurde ihr und anderen Familienmitgliedern bis heute versagt. Von demokratischen Bürgerrechten, z.B. eine Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu erhalten oder an einer Kommunalwahl teilzunehmen – das Heimatland Deutschland hat bei dieser Familie bezüglich staatlicher Integration leider total versagt.
Und jetzt will Mann/Frau im Ludwigshafener Ausländeramt eine bereits gesundheitlich beeinträchtigte und traumatisierte Mutter und Oma aus der Familie herausnehmen, sie in ein ehemals jugoslawisches Land, dessen Kultur und Sprache sie nicht kennt, einfach per amtlichen „Federstich“ abschieben?!
Genau genommen ist dies laut der Europäischen Menschenrechtskonvention gegen die Würde eines Menschen, diesen Vertrag haben die BRD und auch die Republik Serbien (als EU-Beitrittskandidat) unterzeichnet. Sollte diese Abschiebeankündigung vollzogen werden, wäre dies z.B. ein klarer Verstoß gegen den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im einzelnen geht es hier um die Wahrung der gesundheitlich Beeinträchtigung der Betroffenen, aber auch um den Schutz bezüglich Trennung von Familienangehörigen.
Was heute nicht mehr vorstellbar ist, von den Kindern der Familie ist in der 70er, 80er und 90er Jahren keiner in die Schule gegangen. Eine Allgemeinbildung (Lesen, Schreiben, Naturkunde oder Geschichte) gab es damals für Roma-Kinder in Rheinland-Pfalz nicht. Keine Behörde (z.B. das Jugendamt) hat für die Kinder dieser Familie die Schulpflicht angeordnet. Dies änderte sich für Roma-Kinder erst Jahrzehnte später per Landesgesetz. Von dieser elementar sozialen und kulturellen Benachteiligung wissen unsere Behörden, entsprechende Rücksicht auf diese jetzt geschichtliche Benachteiligung nehmen sie im Fall der aktuell von einer Abschiebung betroffenen Frau aber nicht; im Gegenteil, sie verschärfen die soziale Repression gegen eine kranke Roma-Frau.
Kurzer Rückblick: Erinnert sei an die grausame Verfolgung der Sinti und Roma unter dem Nazi-Regime. Dazu gab es kürzlich in Ludwigshafen am Mahnmal der Sinti- und Roma-Opfer, 80 Jahre nach Kriegsende eine Gedenkfeier, zu der auch die Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck eine Rede hielt. Eine humanitäre Verantwortung für diese ethnische und sozial integrierte Minderheit sollte allein aus dem historischen Blickwinkel in unserer Zeit eigentlich selbstverständlich sein, so der Tenor der Veranstaltung.
Aber speziell in diesem Abschiebefall tritt zu Tage, dass Roma und Sinti gesellschaftlich immer wieder erneut ausgegrenzt werden. Zu hoffen bleibt, dass im Ludwigshafener „Super-Härtefall“ die rheinland-pfälzische Politik hellhörig wird und eine menschenwürdige und realitätsbezogene Abschiebe-Stopp-Entscheidung herbeiführt. In diesem Sinne engagieren sich Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich gegen Antiziganismus (eine spezielle Form des Rassismus) und amtlich gesteuerten Repressionsmaßnahmen.
Hajo Ehrenberg