Wahlerfolg der AfD in der Analyse – aber was machen eigentlich die anderen Nazis?
Die AfD hat beinahe alles, was im rechten Lager zu holen ist, aufgesaugt. Die 12,6% im Wahlergebnis der Bundestagswahl 2017 bedeuten in absoluten Zahlen erschreckende 5.877.094 Menschen, die bei der rechtsradikalen Partei ein Kreuz gemacht haben und sich auch von offenem Rassismus, Rassenwahn und Verharmlosung der Nazi-Verbrechen nicht haben abschrecken lassen. Im Gegenteil, das Übertreten von roten Linien, das Provozieren mit Parolen aus der Nazi-Ecke, scheint positiv zum Gesamtergebnis beigetragen zu haben.
Zur Analyse der AfD gleich mehr. Doch wir wollen auch den Blick auf die 3,1% Sonstige richten. Den darunter tummeln sich weitere rechte Parteien.
Die NPD verschwindet hinter dem Erfolg der AfD
Die NPD bekommt bundesweit 0,4% der Zweitstimmen und scheitert damit an der “0,5%-Hürde” der Wahlkampfkostenerstattung. Das bedeutet, dass sie keine Kosten für Wahlwerbung erstattet bekommt und auf sämtlichen Ausgaben sitzen bleibt. Für die finanziell angeschlagene NPD ist das hart. Das schlechte Ergebnis wurde vermutlich befürchtet, hat man doch im Gegensatz zu vergangenen Jahren kaum ein einziges NPD Plakat hängen sehen.
Auch der Straßenwahlkampf war praktisch nicht wahrnehmbar. Im August sorgte die NPD kurzfristig für Aufsehen, als sie einen Kundgebungsmarathon durch den Rhein-Neckar-Kreis veranstaltete. Etwa ein dutzend Gemeinden wurden in zwei Tagen heimgesucht. Doch von der NPD kamen nur eine Handvoll Parteianhänger, die verloren auf den Plätzen der Orte herum standen. Vereinzelt kam es zu Gegenkundgebungen. Ein starker Auftritt war das nicht.
Vor 4 Jahren hatte die NPD bundesweit noch 1,3% der Zweitstimmen bekommen. Im Wahlkreis Mannheim bekam sie damals 1,2%. Auch lokal ist die NPD 2017 auf 0,3% im Stadtgebiet abgesackt. In ganzen Zahlen sind das 381 Stimmen.
Weitere rechte Parteien waren nicht wahrnehmbar
Die Rechte, eine Kleinpartei um den Neonazi Christian Worch, bekam bei der Bundestagswahl abgerundet einen Stimmenanteil von 0,0%. In ganzen Zahlen sind das bundesweit (!) 2070 Stimmen – ein ähnlich schlechter Wert, wie vor 4 Jahren. In Mannheim bekam Die Rechte lediglich 33 Stimmen. Vor Ort hat sie aber auch keinerlei Personal. Wahlkampf gab es nicht.
Die NS-Partei “Der III. Weg” ist gar nicht zur Bundestagswahl angetreten.
Die schlechten Wahlergebnisse sollten jedoch nicht über die Gefahren der Nazi-Kleinparteien täuschen. Die Politisierung findet auf anderen Ebenen statt. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt entwickeln sich neonazistische Subkulturen bei Schulungsveranstaltungen, Rechtsrockkonzerten oder Demonstrationen. Da das politische System der BRD abgelehnt wird, gibt es auch ein instrumentelles Verhältnis den Wahlen gegenüber. So sieht der „III. Weg“ aktuell in den Wahlen richtigerweise keine Möglchkeit des politischen Erfolgs, während in einigen Regionen die Partei ihre Strukturen stark ausbaut. Über den Erfolg der AfD und die damit verbundene Chancenlosigkeit der traditionellen Nazi-Parteien, sind sich die meisten bewusst. Dennoch stehen sie mit ihren Strukturen bereit, um sich als radikalere Alternative darzustellen, von der AfD Enttäuschte abzuholen und im Falle eines Scheiterns der AfD diese Lücke zu füllen.
Eine weiterer Überblick über den rechten Rand
Erstmals zur Bundestagswahl angetreten ist die neue Partei Deutsche Mitte (DM). Sie gilt als Projekt des ehemaligen ARD Korrespondenten Christoph Hörstel, der Parteivorsitzender ist. Inhaltlich stellt die Partei „ethische“ Forderungen in den Mittelpunkt, ihre Themenschwerpunkt sind Außen- und Sicherheitspolitik, häufig verbunden mit grundsätzlicher Kritik am politischen System. Kritiker der Partei werfen ihr verschwörungstheoretische Erklärungsmuster vor und tatsächlich ist die Partei in solchen Kreisen beliebt. Ein Mitglied der umstrittenen Duisburger Band Bandbreite trat bei einer Kundgebung auf dem Paradeplatz auf. Er soll sinngemäß gesagt haben, was heute als Verschwörungstheorie verunglimpft werde, sei früher kritischer Journalismus genannt worden. Im Mannheimer Stadtgebiet plakatierte die neue und noch weitgehend unbekannte Partei auffällig viel. Im Rhein-Neckar-Raum soll es aus der Reichsbürgerszene einige Anhänger geben. Ein weiter Kritikpunkt an der Partei ist die Querfrontstrategie. Linke und rechte Positionen werden vermischt, beispielsweise wird eine Friedenspolitik vorgeschlagen, gleichzeitig solle aber eine angebliche „Massenzuwanderung“ unterbunden werden. Wie in der Reichsbürgerszene üblich, wird ein „Friedensvertrag“ für Deutschland gefordert, das Land solle wieder „volle Souveränität“ bekommen. Dabei werden Widersprüche übertüncht und die Inhalte werden über eine allgemeine, vermeintliche „Systemkritik“ artikuliert.
Von den rechtsradikalen Republikanern (REP), vor rund 20 Jahren beinahe so erfolgreich wie heute die AfD, war im Wahlkampf nichts zu hören. Vor der Landtagswahl veranstalteten sie noch eine Kundgebung in Mannheim – allerdings mit auswärtigem Personal. Bei dieser Bundestagswahl sind sie das erste Mal nicht mehr angetreten. Auch für die REP bedeutet der Erfolg der AfD das Ende der politischen Laufbahn.
Die AfD in den Mannheimer Stadtteilen
Zuletzt richten wir den Blick noch einmal auf die AfD. Der bundesweite Erfolg brachte der Partei auch drei Direktmandate ein, allesamt in Sachsen, wo die Partei die besten Ergebnisse holen konnte.
Für den Mannheimer Kandidaten Robert Schmidt reichte es jedoch nicht. Auf Platz vier hinter CDU, SPD und Grünen blieb er dem Direktmandat fern. Über die Landesliste konnte er ebenfalls nicht einziehen. Der Überraschungserfolg der Landtagswahl konnte von der AfD nicht wiederholt werden. Damals hatte Rüdiger Klos, ein parteiinterner Konkurrent von Robert Schmidt, das Direktmandat im Mannheimer Norden geholt. Durchweg fielen die AfD-Ergebnisse schlechter aus, als bei der Landtagswahl. Im Stadtgebiet waren es bei den Zweitstimmen 12,8% (Landtagswahl 2016: 18,2%). Auch in den Hochburgen konnte die AfD ihren Erfolg von 2016 nicht wiederholen, schnitt aber weiterhin gut ab: Schönau 21,4% (LTW16: 30,1), Vogelstang 21,4% (LTW16: 28,8), Sandhofen 18,1% (LTW16: 26,1), Waldhof 17% (LTW16: 25,9). Tatsächlich hat es die SPD geschafft, ist den nördlichen Stadtteilen wieder aufzuholen und mutmaßlich Wähler*innen von der AfD zurück zu gewinnen.
Dennoch zählt bei der Bundestagswahl der Gesamtwert. Auch wenn aus Mannheim und der Rhein-Neckar-Region die AfD keinen Abgeordneten ins Parlament entsenden kann, verfügt die Partei ab sofort über 94 gut bezahlte Mandatsträger*innen, die jeweils über finanziell und personell gut ausgestattete Büros verfügen und auf einem ganz neuen Level Politik machen können. Besonders die Wahlerfolge in Sachsen erschrecken. Auch wenn das Bundesland mit seiner politischen Kultur, einer regierenden CDU, die die AfD rechts zu überholen versucht, und den seit Jahren stabilen Pegida-Demonstrationen ein Spezialfall ist, sollte es als abschreckendes Beispiel dienen. Denn parlamentarische Erfolge stabilisieren auch die politischen Aktivitäten auf der Straße, seien es rassistische Demonstrationen oder brennende Flüchtlingsheime.
Die inhaltliche Analyse des Erfolgs der AfD muss weiter fortgesetzt werden. Klar ist, dass sie nicht für ausgefeilte politische Programme mit Lösungsvorschlägen für drängende Probleme gewählt werden. Auch das Personal kann es nicht sein. Der große “Führer” fehlt bisher, stattdessen zanken sich immer neue Figuren in den Führungskämpfen. Es kommt zu immer weiteren Abspaltungen, wie zuletzt mit dem Austritt Frauke Petrys aus der noch nicht einmal gebildeten Fraktion. In Folge rückt die Partei immer weiter nach rechts, da sich in den Machtkämpfen stets die Hardliner durchsetzen.
Die inhaltliche Auseinandersetzung kann die AfD entzaubern
Eine Erkenntnis aus dem Wahlkampf dürfte sein, dass das Übertreten roter Linien die AfD nicht etwa schwächer macht, sondern insgesamt stärker. Der von Gauland geäußerte Stolz auf die Taten der deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen hat zwar eine breite gesellschaftliche Empörung hervor gerufen. Klar, die Mehrheit der Bevölkerung wählt auch keine AfD. Sie holt sich ihre Wähler*innen aus den 10-20% der Bevölkerung, die laut verschiedener Studien ein geschlossenes rechtes Weltbild haben. Und eben die feiern solche Tabubrüche. Die Gefahr des Rechtsrucks besteht dann, wenn sich dieses Milieu, das in den letzten Jahren stabil geblieben ist, vergrößert.
Das Skandalisieren von AfD Positionen ist demnach nur bedingt sinnvoll. Zumindest die potentiellen AfD Wähler*innen lassen sich davon nicht abschrecken. Das bedeutet jedoch nicht, dass man die menschenverachtenden Äußerungen einfach hinnehmen oder verschweigen sollte. Im Gegenteil ist eine nüchterne, inhaltliche Auseinandersetzung damit sinnvoll – wenn gleichzeitig vermieden wird, den Rechten eine Bühne für ihre Propaganda zu bieten. Die zahllosen Talk-Shows, Diskussionsrunden und TV-Beiträge boten der AfD wie keiner anderen Partei vor der Wahl eine Bühne, um sich genau so darzustellen, wie sie es wollten. Statt mit der AfD zu reden, sollte man über die AfD reden.
Wenn klar wird, dass das Programm der AfD auf Ressentiments aufgebaut ist und keine Lösungen für gesellschaftliche Probleme bietet, wird ihr Populismus entzaubert. Zur Zeit funktioniert die Sündenbockstrategie, die angebliche “Massenzuwanderung” sei an allem Schuld. Wenn positive Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht werden, wenn Migration als gesellschaftliche Bereicherung erkannt wird, dann läuft auch die Propaganda der Rechtspopulist*innen ins Leere.
(cki)