Universitätsmedizin Heidelberg-Mannheim: Was jetzt? Verein? Verband? Verbund? Verschmelzung und Fusion?
Es dauert von Oktober 2020 bis zum 7. April diesen Jahres, bis sich die baden-württembergischen Ministerien für Finanzen und Soziales zu der von den Städten Mannheim und Heidelberg und von beiden Kliniken angestrebten Klinik-Fusion und Gründung einer “Heidelberg – Mannheim Health and Life Science Alliance” äußern, zu einer Zusammenfassung aller in der Rhein-Neckar-Region vorhandenen Forschungseinrichtungen der Medizin und „Lebenswissenschaften“ sowie der intensiven Zusammenarbeit mit den vorhandenen Einrichtungen der Medizintechnischen Forschung.
Das Ergebnis der Äußerung ist höchst dürftig, unambitioniert und eigentlich nichts, was über den im Juni 2021 gegründeten „Verein Universitätsmedizin Baden-Württemberg“ hinausgeht. Dieser soll die Kooperation der vier Univeristätsklinika und ihre Fakultäten (hier ist die UMM – Universitätsmedizin Mannheim – mit gemeint) auf ein neues Fundament stellen. Man will in Forschung, Lehre und Krankenversorgung künftig standortübergreifend noch enger zusammenzuarbeiten. Zwischen den Kliniken Mannheim und Heidelberg soll es nach Ansicht der Minister einen „Verbund“ geben.
Was soll die Fusion bezwecken?
Die insbesondere von Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz in die Diskussion gebrachte Fusion der beiden Unikliniken verfolgt zwei grundlegende Ziele: Die Beendigung der Führung des Klinikums Mannheim durch die Kommune, das im Volksmund immer noch schlicht „das Städtische“ heißt, Umwandlung in eine staatliche Einrichtung des Landes Baden-Württemberg, und als solches Verschmelzung mit der Uniklinik Heidelberg zu einem einheitlichen Klinikum mit zwei Standorten. Der Forschungs- und Lehrbetrieb an der UMM ist ohnehin Teil der Medizinischen Fakultät der Uni Heidelberg. Die seit den 60er Jahren bestehende Zweigstelle der Heidelberger Fakultät im städtischen Krankenhaus Mannheim, war in der Bundesrepublik ein ziemlich einmaliges Konstrukt. Es diente der Steigerung der medizinischen Kompetenz am „Städtischen“, dem Haus der klinischen Maximalversorgung in Mannheim und Region. Die wirtschaftliche Verantwortung liegt bisher bei der Stadt Mannheim. Sie ist „Gewährsträgerin“ des Klinikums und muss ggf. Verluste aus ihren Haushaltsmitteln ausgleichen. Die UMM hat also zwei Herrinnen: Die Stadt und das Land. Das ging lange gut, führte aber im Laufe der Zeit zu teils dramatischen Konflikten um die Finanzen und die Kontrolle des Klinikums (Machtkampf), auf deren Höhepunkt der sog. „Hygieneskandal“ bundesweit medial lanciert wurde. Das bis dahin schuldenfreie, aber auch kaputtgesparte Klinikum stürzte in ein finanzielles Desaster.
Die Stadt wird bei weiterer Zuständigkeit bis 2025 über 100 Mio. Euro in das Klinikum gesteckt haben, um den Betrieb aufrecht zu erhalten und bei notwendigen Investitionen zu helfen. Diese Gesamtsituation ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Landesregierung über viele Jahre ihrer Pflicht zur Finanzierung von Krankenhausinvestitionen nicht ausreichend nachgekommen ist.
Das räumlich sehr zergliederte Klinikum ist hinsichtlich Instandsetzung und Sanierung ein Fass ohne Boden. Deshalb wird die wichtigste Zukunftsinvestition die „neue Mitte“ sein, ein kompaktes OP- und Bettenhaus, ohne das ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich ist. Die Stadt Mannheim ist mit diesem riesigen Haus der Maximalversorgung inzwischen vollständig überfordert. Deswegen muss die UMM in die Universitätsmedizin Heidelberg eingegliedert werden, für die dann das Land die finanzielle Verantwortung trägt wie für die anderen Universitäsklinika.
Es geht bei dem Ziel einer Fusion der beiden Unikliniken in Heidelberg und Mannheim jedoch nicht nur um die Entlastung der Stadt Mannheim, sondern um die Schaffung eines erheblichen Mehrwerts auf Basis von Bestehendem für Forschung und Patient:innenversorgung. Unterschiedliche Schwerpunkte in beiden Häusern könnten ausgebaut und sinnvoll zusammengeführt werden, die Forschung würde über größere und sozial besser gemischte Kankheitsdatenbestände verfügen, die Gewinnung von hochqualifiziertem wissenschaftlichem Personal würde erleichtert. Das Universitätsklinikum Heidelberg-Mannheim wäre zusammen mit den vorhandenen bundesweit und international anerkannten Wissenschaftseinrichtungen (z.B. Deutsches Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim) ein größerer Standort als die Berliner Charité.
Es geht letztlich auch um den Kampf gegen die Privatisierung
Die einzige Alternative, die aber überhaupt keine Alternative ist, wäre die Privatisierung. Aus Sicht des Personals und der Patient:innen und aus Sicht von Forschung und Lehre wie auch der breiten Ausbildung, die an der UMM ebenfalls stattfindet, ist eine Privatisierung strikt abzulehnen. Die Lehre in Mannheim zeichnet sich im Rahmen des Mannheimer Reformierten Curriculum für Medizin und medizinnahe Berufe, kurz MaReCuM, durch ihre Praxisorientierung bundesweit aus.
Dass Krankenhausprivatisierungen, insbesondere solche von Unikliniken, ein Unding sind, bestätigt auch der Verkauf der Uniklinik Gießen und Marburg an die Röhn Klinikum AG (2006) in aller Deutlichkeit. Der hessische Landtag hat seit November 2021 eine von 18.000 Menschen eingereichte Petition für die Rückgängigmachung der desaströsen Privatisierung vorliegen.
Eine Privatisierung der UMM wäre darüber hinaus auch ein Schlag für die medizinische Fakultät Heidelberg.
Was heißt nun „Verbund“?
Die Landesregierung schreibt auf ihrer Website am 7.4.22:
„Die beteiligten Ministerien haben folgende Eckpunkte entwickelt:
- Bekenntnis zum Universitätsklinikum Mannheim in der medizinischen Forschung und Ausbildung
- Bekenntnis zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im Rhein-Neckar-Raum
- Verbundlösung zumindest bis Umsetzung der ersten Bauphase, danach Neubewertung
- Zeitnahe Gespräche mit der Stadt Mannheim als Trägerin des Universitätsklinikums Mannheim
- Entwicklung eines Konzepts für krankenversorgerischen Mehrwert
- Verbesserung die Wirtschaftlichkeit des UMM durch Synergien
- Einbindung des Verbunds in die Forschungsallianz
- Klinikneubau „Neue Mitte“ am Standort Mannheim
- KHG-Förderfähigkeit nutzen, solange es das geltende Recht zulässt
- Belange aller Universitätsmedizinstandorte des Landes gleichermaßen sicherstellen“
Viel „Bekenntnis“ also zum Standort Mannheim – die Infragestellung wäre auch ein kompletter Skandal. Ferner Zusage, die „neue Mitte“ mitzufinanzieren – dazu ist die Landesregierung ohnehin grundsätzlich verpflichtet. Und nach 19 Monaten „zeitnahe Gespräche“. „Verbund“ bis zur „Umsetzung der ersten Bauphase, danach Neubewertung“ – also offener Ausgang.
Es ist bezeichnend, dass der Begriff „Verbund“ ein großes Rätselraten ausgelöst hat.
Normalerweise bezeichnet der Begriff „Verbund“ die Verbindung selbstständig bleibender Einheiten zu einem bestimmten Zweck und durchaus auf Dauer. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar beispielsweise ist genau ein solcher Verbund: Zur Bewerkstelligung eines aufeinander abgestimmten ÖPNV haben sich einerseits die Kommunen zu einem Zweckverband und andererseits die Verkehrsunternehmen zusammengeschlossen, bleiben aber wirtschaftlich vollkommen selbstständig. Auf die beiden Kliniken übertragen wäre das eine Zusammenarbeit in der Forschung und vielleicht gegenseitige Anerkennung und Förderung von Schwerpunktkompetenzen. Wirtschaftlich blieben sie aber selbstständig. Für die UMM und die Stadt Mannheim als Trägerin kein Vorteil, und für die Region auch nicht.
Es ist also ziemlich offen, was das Land bzw. das Finanz- und Sozialministerium und der Ministerpräsident über den status quo hinaus vorhaben und unterstützen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer steht der Fusion positiv gegenüber und hätte sich einen schnelleren Entscheidungsprozess gewünscht. Sie ist aber nur noch bis September im Amt; danach möchte sie bei der Heidelberger Oberbürgermeister:innenwahl gegen Amtsinhaber Würzner antreten.
Das zögerliche Handeln der beiden Fachminister ist schwer nachvollziehbar – es sei denn, sie halten von der Fusion überhaupt nichts und wollen die Entstehung eines bedeutenden Medizinzentrums außerhalb von Freiburg, Tübingen und Ulm verhindern.
Ohne eine klare Zielsetzung wird der Prozess eine für alle Beteiligten negative Hängepartie und führt letztlich zur Schwächung der bestehenden Einrichtungen. Meilensteine auf dem Weg zu einem klaren Ziel sind sicherlich notwendig zu definieren. Das gilt z.B. auch für die Finanzierung der Neuen Mitte in Höhe von geschätzten 900 Mio. Euro: Hierfür stehen grundsätzlich Zuschussmittel des Sozialministeriums aus dem Topf für die Sanierung kommunaler Krankenhäuser zur Verfügung. So lange muss also das Klinikum städtisch bleiben. Aber ohne klare Zielsetzung wissen die Beteiligten nicht, worauf sie sich einlassen und worauf sie sich verlassen können. Bei einem derart komplizierten Projekt wie der Fusion zweier großer Uni-Kliniken unzumutbar. Diesem Umstand ist natürlich auch geschuldet, dass die „Mannheimer Fakultät weiterhin munter neue Ordinarienstellen nachbesetzt – als gäbe es keine Fusionspläne“ (RNZ 14.01.2022) und nicht vorgreifend auf eine ungewisse Zukunft darauf verzichtet. Die Fakultät in Heidelberg moniert dies nach dieser Quelle.
Die Reaktion der Stadt
Der Mannheimer Oberbürgermeister begrüßt in seiner Stellungnahme vom 7.4. die Erklärung der Landesregierung zur Zukunft der UMM grundsätzlich. Ähnlich äußert sich auch der Betriebsrat und versucht das Beste daraus zu sehen. Dem OB bleibt kaum etwas anderes übrig. Es sind keine Verhandlungen zwischen Gleichstarken. Der OB kann nur gute Argumente ins Feld führen. Er bringt jedoch in seiner Stellungnahme klar zum Ausdruck, dass die Agenda eine andere sein muss als die Errichtung eines unklaren Verbundes. Er versucht die notwendige Agenda auf der Tagesordnung zu halten: Er spricht von einer „Grundsatzentscheidung der Landesregierung, den ‚stutus quo‘ zu verlassen und den Zusammenschluss der Universitätsklinika Heidelberg und Mannheim zu unterstützen.“ „Mit der Entscheidung der Landesregierung, die Zukunft der beiden Universitätsklinika als Kern der Heidelberg-Mannheim-Health-And-Life-Science-Alliance zusammenzuführen, beginnt nun eine ausgeprägte Arbeitsphase für alle Beteiligten“. Er lobt das „klare Bekenntnis des Landes zum Neubau des Mannheimer Universitätsklinikums, der so genannten Neuen Mitte“. Er stellt fest: „Es ist jetzt der Auftrag aller Akteure, die enormen ökonomischen, wissenschaftlichen und krankenversorgerischen Potenziale, die in diesem Zukunftsprojekt stecken, vollständig zu heben“ und er fordert „eine deutlichere Formulierung der finalen Vision des Zusammenschlusses“ – womit unausgesprochen die Fusion wieder auf der Tagesordnung ist. Und schließlich lässt er verlauten: „Zentral sei auch, dass die Lasten, die sich aus der mit dem ersten Schritt weiterhin verbundenen städtischen Trägerschaft ergeben, für die Stadt tragbar seien.“ Damit ist alles zum Ausdruck gebracht, was die Landesregierung unterlassen hat zu erklären.
Es wird noch viel politischen Drängens erfordern, die beiden grünen Fachminister Lucha und Bayaz und die gesamte Landesregierung auf Kurs zu bringen, bis das mögliche Medizinwissenschafts- und Gesundheitsversorgungszentrum Heidelberg/Mannheim auf die Füße kommt und den medizinischen Fortschritt vorantreibt und für die Bevölkerung zur Anwendung bringt. Lucha sind seine Bettenreduzierungspläne wohl wichtiger und Bayaz muss einiges Geld springen lassen, damit es gelingt.
Leider wird auch das Gelingen der Fusionspläne nichts an der strukturellen Unterfinanzierung der Krankenhäuser ändern, bestenfalls einen effizienteren Einsatz der knappen Mittel ermöglichen. Auch die grundsätzliche Unterbezahlung des Personals insbesondere in der Pflege ändert sich nicht; allerdings ist der Länder-Tarifvertrag hier günstiger als der TV der Kommunen.
Es ist zu hoffen, dass die geschlossene Rückendeckung für die Verhandlungen mit dem Land durch den Gemeinderat weiterhin Bestand hat.
Thomas Trüper
LI.PAR.Tie. begrüßt ersten Schritt zum Verbund der Uniklinika Mannheim und Heidelberg
Die Fraktion LI.PAR.Tie. im Mannheimer Gemeinderat begrüßt den Beschluss des Landes zum Verbund „Innovationscampus Health and Life Science Alliance“ der beiden Uniklinika Mannheim und Heidelberg. Das Bekenntnis des Landes Baden-Württemberg zum Standort Mannheim bietet endlich Gewissheit für die Zukunft des Hauses.
“Insbesondere für die Beschäftigten und auch für die Studierenden am Standort waren die letzten Jahre von großer Unsicherheit geprägt. Natürlich ist die Situation an der Belegschaft nicht vorbei gegangen. Für jene Beschäftigten, die gerade in der Corona-Pandemie auch an vorderster Front standen, gibt es jetzt endlich eine Perspektive für die Zukunft ihres Arbeitsplatzes. Das ist wichtig, um auch das Personal am Standort halten zu können“, stellt Hanna Böhm, Mitglied im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Mannheim, fest.
„Der Schritt hin zu einem Verbund zwischen den Uniklinika geht in die richtige Richtung, aber es braucht auch in Zukunft weitere Bekenntnisse und konkrete Unterstützung des Landes. Es sind noch viele Fragen offen, insbesondere bei der finanziellen Unterstützung für den laufenden Betrieb und den Bau der Neuen Mitte. Die Pandemie hat uns erneut die mangelhafte Ausfinanzierung des Gesundheitswesens vor Augen geführt. Jetzt gilt es die medizinische Grundversorgung in Mannheim zu schützen und längerfristig zu stärken“, ergänzt Fraktionsvorsitzender Dennis Ulas.