Deutschlands schlechtester Hitzeschutz – Heisse Tage und Nächte in Ludwigshafen
Ludwigshafen leistet sich den nächsten Negativrekord.
Sind die Menschen in deutschen Städten vor der zunehmenden Hitze ausreichend geschützt? Sind unsere Städte ausreichend auf Hitze vorbereitet?
Zu diesen Fragen veröffentlichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Ende Juli die Ergebnisse einer umfangreichen und methodisch aufwändigen Studie. Untersucht und miteinander verglichen wurden anhand von Satellitendaten und Daten zur Flächenversiegelung und zur Grünausstattung 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern. Die von der DUH veröffentlichte Rangliste(1) beinhaltet den Grad der Versiegelung in Prozent und das jeweilige Grünvolumen in Kubikmeter Grün pro Quadratmeter Fläche und ordnet entsprechend von der stärksten bis zur geringsten Risikobelastung.
Auf Platz eins steht Ludwigshafen.
Mannheim steht auf Platz neun und damit nicht viel besser da, immerhin sind 181 von 190 deutschen Städten auf die zunehmende Hitze besser vorbereitet als Mannheim.
Hitze tötet und macht krank
Die DUH-Studie erzeugte in den Medien beträchtliche Resonanz, was diese aber wenig beleuchteten (und was auch nicht Gegenstand der Studie war), ist die Tatsache, dass die gefährliche Gesundheitsbelastung durch Hitze nicht nur ein Zukunftsthema ist. Sie existiert – auch in Deutschland – schon lange und in erheblichem Umfang.
Ein Hitzetag, früher auch als Tropentag bezeichnet, ist definiert als ein Tag mit Höchsttemperaturen von 30 Grad Celsius oder darüber. In den letzten zehn Jahren hatten wir in Deutschland durchschnittlich 11,1 Hitzetage im Jahr – dreimal so viele wie noch in den 1950er Jahren. Hitze kann das Sterblichkeitsrisiko exponentiell erhöhen und dies bereits ab einer Durchschnittstemperatur von 28 Grad. Es gibt eine lange Liste der Menschen, die sogenannte Risikoträger und damit besonders bedroht sind: Kinder, ältere Erwachsene ab 60 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen oder chronischen Erkrankungen, vor allem Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und psychischen Erkrankungen, Menschen mit Behinderungen sowie Schwangere und Sportler. Der Hitze hilflos ausgeliefert sind wohnungslose Menschen, deren Anzahl im Verlauf des Jahres 2022 von ca. 400.000 auf über 600.000 angestiegen ist. Dazu trug vor allem die Zunahme von knapp 200.000 auf über 400.000 nichtdeutsche Wohnungslose bei, überwiegend handelt es sich bei ihnen um Geflüchtete. Besonders gefährdet sind auch Menschen, die bei hohen Temperaturen im Innen- oder im Außenbereich arbeiten, vor allem im Handwerk, in Pflegeberufen und im Baugewerbe, Schichtdienstleistende und Menschen mit niedrigem Einkommen, besonders, wenn sie in schlecht isolierten Häusern wohnen.
Nun besteht auch für Menschen mit Risikofaktoren bei Hitze nicht immer unmittelbare Lebensgefahr. Aber jede bei hohen Temperaturen zu erbringende Anstrengung, auch die Arbeit in einem nicht klimatisierten Büro oder Kindergarten, in einem Schulraum, einem Krankenhaus oder einem Altersheim, ist körperlich und mental belastend, löst deshalb die seinerzeit von Hans Selye beschriebene unspezifische Stressreaktion aus und begünstigt somit das bekannte Spektrum stressbedingter Erkrankungen (was aber in keiner Statistik als Hitzefolge auftaucht). Gleichwohl kommt es bei hohen Temperaturen auch zu akuten tödlichen Krisen, die als signifikante Übersterblichkeit an heißen Tagen in den Statistiken sichtbar werden.
Eine Häufung hitzebedingter Sterbefälle trat in den Jahren 2003, 2015, 2018, 2019, 2022 und 2023 auf. In den letzten sechs Jahren starben außer in 2021 jedes Jahr mehr Menschen durch Hitze als durch Verkehrsunfälle!
Dies sind die Zahlen, zusammengestellt nach Angaben aus statista.com:
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Hitzebedingte Sterbefälle
Tote im Straßenverkehr
2018
8.700
3.275
2019
6.900
3.046
2020
3.700
2.719
2021
1.700
2.562
2022
4.500
2.776
2023
3.100
2.839
Gesamt
28.600
17.217
(hitzebedingte Sterbefälle gerundet, da aufgrund von Übersterblichkeit geschätzt)
Erfahren diese Zahlen und das hinter ihnen stehende Leid die ihnen gebührende Aufmerksamkeit? Zum Vergleich: Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal starben vor drei Jahren 143 Menschen. In seinem Roman „Die Pest“ bemerkt Albert Camus: „Und da ein toter Mensch dann etwas wiegt, wenn man ihn tot gesehen hat, sind hundert Millionen über die Geschichte vertreute Leichen nichts als Rauch in der Einbildung. Zehntausend Tote, das macht fünfmal die Zahl der Zuschauer in einem großen Kino. Das sollte man tun. Man fasst die Besucher von fünf Kinos an den Ausgängen zusammen, führt sie auf einen Platz in der Stadt und lässt sie dort alle miteinander sterben, damit man wieder ein bisschen klarer sieht.“
Ungleiche Verteilung
Gesundheitliche Hitzebelastungen, die wie ersichtlich nun auch in Deutschland zehntausende Todesfälle verursachen, sind sowohl in regionaler als auch in sozialer Hinsicht ungleich verteilt. Arme Menschen leben wie erwähnt häufig in unzureichend isolierten Wohnungen, besitzen auch weniger Klimaanlagen oder Ventilatoren, haben nicht nur deutlich mehr Vorerkrankungen, sondern zudem eine schlechtere Gesundheitsversorgung, und sie sind eher sozial isoliert, was ebenfalls ihre Möglichkeiten mindern kann, sich vor Hitze zu schützen. Es darf deshalb nicht ausgeblendet werden, dass für einen wirksamen Hitzeschutz die Verbesserung der sozioökonomischen Lebensbedingungen vulnerabler Bevölkerungsgruppen unerlässlich ist.
Die regionale Verteilung der Hitzebelastung zeigt uns eine in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte interaktive Grafik des Deutschen Wetterdienstes (DWD)(2), welche die durchschnittliche Anzahl der jährlichen Hitzetage für die Zeit von 1991 bis 2020 ausweist. In den Bergen und an der See gibt es noch Gegenden mit nur wenigen sehr heißen Tagen, in Schleswig-Flensburg bspw. sind es durchschnittlich 1,9. Die mit Abstand meisten Hitzetage konzentrieren sich auf das häufig als Oberrhein bezeichnete Rheintal zwischen Karlsruhe und Mainz. Hier gibt es durchweg mehr als 16 Hitzetage, die absoluten Spitzen liegen in Ludwigshafen und dem unmittelbar benachbarten Frankenthal mit jeweils mehr als 18 sehr heißen Tagen. Dies zwingt zu zwei alarmierenden Schlussfolgerungen: Erstens hat Ludwigshafen, die Stadt also, die Deutschlands schlechtesten Hitzeschutz hat, zusammen mit Frankenthal auch die meisten Hitzetage. Und zweitens: Ludwigshafen hat sowohl in regionaler als auch in sozialer Hinsicht ganz schlechte Karten.
Wie es zu dieser Verteilung der Karten kam, soll in einem Folgeartikel analysiert werden. Soviel sei vorab verraten: Es hat einiges mit den Aktivitäten großer Konzerne und einer ihnen hörigen Politik zu tun.
Fachleute schätzen, dass ohne wirksamen Klimaschutz künftig in Deutschland 60 bis 80 Hitzetage möglich sind. Deshalb wird sich der Folgeartikel auch damit beschäftigen, wie Klimaschutz und Hitzeschutz im Interesse der Allgemeinheit in unserer Region aussehen könnten bzw. sollten. Beiträge hierzu sind sehr willkommen.
mk
(1)www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Kommunal/Hitze-Check_2024/Hitze-Check_Staedte-Deutschland_Uebersicht_240729.pdf
(2)https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hitze-wirtschaft-schaden-praevention-lux.WmRCrxkmJJkTtR8pY568iw