Überlegungen zur sozialen Wohnraumpolitik vor den Haushaltsberatungen
Randbebauung Spinelli-Nord / Käfertal Süd und Grünzug von Süden her gesehen. (Quelle: Stadt Mannheim FB 61, Spinelli – städtebauliche Rahmenplanung. Stand 2018)
Die Ausgangslage
Nach Auffassung der Stadtverwaltung müssen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten 10 Jahren jeweils 1.000 Wohnungen in Mannheim gebaut werden, um die Wohnungsnachfrage zu befriedigen. Entgegen früheren Prognosen wächst Mannheim: durch Zuzüge in den Wirtschafts- und Arbeitsstandort, durch Rückkehr älterer Menschen, die in jüngeren Jahren in den Odenwald und die Pfalz in ein eigenes Haus gezogen waren und natürlich durch die EU-Binnenwanderung und absehbar auch durch Geflüchtete, wenn sie denn anerkannt sind und Freizügigkeit erlangen. Ferner geht die Verwaltung – ohne belastbare Daten zu diesem Thema – davon aus, dass 23% der Bevölkerung eher über geringe Einkommen verfügen, was bei den Wohnungsneubauten zu berücksichtigen sei. Nach einer langen Diskussion in den gemeinderätlichen Gremien konnte 2017 eine knappe Mehrheit aus SPD, Grünen und LINKEN dann bekanntlich das 12-Punkte-Programm für preisgünstiges Wohnen durchsetzen. Dies enthält Richtlinien z.B. über Vergünstigungen für Bauherren preisgünstiger Wohnungen. Ferner enthält es die Festlegung, dass 30% der Wohnungsneubauten im Geschoßwohnungsbau größer 10 Wohneinheiten dem preisgünstigen Segment angehören müssen bzw. unter Zuhilfenahme von Landeswohnraumförderung einer Preisbindung von 33% unter dem Mietspiegelpreis für Neubauwohnungen unterliegen müssen. Als kommunale Instrumente kommen hier vergünstigte Baulandabgaben oder Vergabe von Erbbaurechten zu günstigen Sonderkonditionen in Frage.
Tatsächlich sind die Wohnungsneubauten, die zwischen 2016 und 2020 außerhalb der Konversionsflächen fertiggestellt wurden / werden, sämtlich nicht im preisgünstigen Segment errichtet (ca 2.260 Wohneinheiten). Auf den Konversionsflächen Turley und Franklin sind 700 bzw. 4.500 Wohneinheiten geplant und z.T. schon bewohnt. Auf Turley sind knapp 50 Wohneinheiten (Mietshäuser-Syndikat) preisgünstig, auf Franklin sollen es 1.415 sein (29%; inkl. preisgünstiger Eigentumswohnungen).
Dagegen steht ein Verlust von 990 preisgünstigen Wohneinheiten bei der GBG zwischen 2009 und 2017. Zwischen 2012 und 2019 sind ferner 1.619 Wohneinheiten aus der Mietpreisbindung herausgefallen.
Das Potenzial an weiteren preisgünstigen Wohnungen begrenzt sich (bis auf einige absehbare Nachbesserungen auf Turley und Franklin) noch auf die Konversionsflächen Spinelli und Hammonds. Dort sind ca. 1.800 bzw. 400 Wohneinheiten geplant. Ansonsten verfügt die Stadt Mannheim noch über 70 für den Wohnungsbau geeignete Grundstücke außerhalb der Konversionsflächen.
Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, auf den verbleibenden Konversionsflächen Spinelli und Hammonds das zu schaffen, was bisher nicht erreicht wurde: Einen Quantensprung bei leistbaren Neubauwohnungen. Mit einer 30%-Quote im Geschoßwohnungsbau (es sind auch Einfamilienhäuser geplant!) ist es nicht getan.
Worauf es ankommt:
Für eine nachhaltige Versorgung mit neuen leistbaren Wohnungen sind folgende Faktoren notwendig:
- Von den entstehenden Wohneinheiten müssen möglichst viele (über 50%) in der Hand von gemeinwohlorientierten Bauträgern bzw. Vermietern bleiben – oder wieder dorthin zurückkehren. Das wären die GBG, Genossenschaften, soweit sie sich nicht dem hochpreisigen Wohnungsbau verschrieben haben (was tatsächlich auch vorkommt), sowie Wohngruppen, Mietshäusersyndikat, neue Genossenschaften. Die Eigentumsfrage ist deshalb wichtig, weil nur so die sozialen und städtebaulichen Ziele durchgesetzt und auf Dauer, nach Auslaufen eventueller Mitpreisbindungen, eine weiterhin leistbare Mietpreisstruktur erzielt werden kann. Rein private, gewinnorientierte Bauträger spekulieren auf einen hohen (ggf. wegen Mietpreisbindung verzögerten) Wertzuwachs aus den Mieten.
Ideal wäre es, wenn der leistungsfähigste dieser potentiellen Bauträger, die GBG, die meisten der Grundstücke direkt von der BIMA erwerben und selbst bebauen würde. Dazu ist die GBG aber weder finanziell noch personell in der Lage. Die MWSP ist von ihrem Gesellschaftszweck nicht als Vermietungsgesellschaft sondern nur als Zwischenhändlerin konzipiert sowie für die Erschließungsarbeiten zuständig. Tatsächlich sind auch schon die Verhandlungen mit Projektentwicklungsunternehmen für ein Gros der Wohneinheiten zumindest auf Baufeld 1 von Spinelli Nord weit fortgeschritten, und das heißt Verkauf an Privat.
Es wäre aber wichtig, dass zumindest nach Projektabschluss die Projektentwickler die Immobilien nicht an profitorientierte Kapitalanleger weiterverkaufen, sondern zurück an den „Konzern Mannheim“, also z.B. die GBG. Denkbar und logisch wäre sogar, dass die Projektentwickler ohne Eigentumsübergang nur als Dienstleister mit entsprechender Bezahlung tätig werden, und die Grundstücke samt Häusern z.B. bei der GBG bleiben. - Diese Überlegungen setzen voraus, dass z.B. die GBG durch eine Kapitalerhöhung seitens der Stadt Mannheim in die Lage versetzt wird, die Grundstücke samt Häusern direkt oder nachträglich zu erwerben. Dabei ist zu beachten, dass die Eigenkapitalquote der GBG nicht weiter sinken sondern sich bei 25% halten sollte, weil sie sonst auf dem Kapitalmarkt bei der Darlehensbeschaffung Schwierigkeiten bekäme. Mit einer Kapitalerhöhung beispielsweise um 50 Mio. Euro könnte sie ohne Verschlechterung der Eigenkapitalquote 200 Mio. Euro investieren. Sie verschuldet sich um weitere 150 Mio. Euro und trägt diese Schulden aus Mieteinnahmen langfristig wieder ab. Der Kreditmarkt ist im Moment noch sehr günstig mit langen Laufzeiten. Auf diese Weise würde ein nennenswerter Teil der Spinelli-Wohneinheiten unter öffentlicher Kontrolle gehalten und verfiele nicht dem spekulativen Marktgeschehen.
- Die erforderlichen Grundstückstransaktionen müssten möglichst so abgewickelt werden, dass nicht mehrmals Grunderwerbssteuer bezahlt werden muss. Der Bodenpreis ist gegenüber Turley und Franklin erwartungsgemäß schon wieder gestiegen. Die Grunderwerbsteuer beträgt je Verkaufsgang 5 %. Zusammengenommen verteuert das den Wohnraum enorm.
Was heißt das für den Doppelhaushalt der Stadt Mannheim?
Die Stadt kann sich mit ihrem Kernhaushalt nicht länger aus dem Konversions- und Wohnungsbaugeschäft heraushalten. Die Idee, die „Jahrhundertaufgabe Konversion“ allein den „Konzerntöchtern“ GBG und MWSP zu überlassen, nur damit die heilige Kuh der Schwarzen Null bzw. des Nettoneuverschuldungsverbots weiter gepflegt wird, lässt sich nicht mehr halten. Finanziert werden könnte die Kapitalerhöhung z.T. aus der Rücklage und zum Teil auch aus den überplanmäßigen Überschüssen des laufenden Haushalts – also gar nicht notwendigerweise aus Kreditaufnahme im Kernhaushalt. Zu beachten ist, dass eine Kapitalerhöhung bei einer Tochter bilanziell in der „Familie“ bleibt, also keineswegs einen Wertverlust, sondern im Gegenteil die Grundlage einer Wertsteigerung für die Stadt darstellt.
Der von der SPD ins Spiel gebrachte „Wohnungsfonds“, über den auch in der Verwaltung nachgedacht wird, und der laut SPD vier Jahre lang mit 10 Mio. Euro gefüttert werden soll, ist ja wenigstens ein Gedankenschritt in die richtige Richtung, je nach dem, was sich darunter vorgestellt wird. Entscheidend ist die Frage: Was soll der Fonds bewirken? Es geistert die Idee herum, dieser Fonds solle „Grundstücke kaufen und verkaufen“. Nur: Welche Grundstücke sollen denn an wen verkauft werden? Die Stadt hat in der Vergangenheit keine Grundstücksbevorratung betrieben, sondern den Stadthaushalt mit jährlich 10 Mio. Sondererträgen aus dem Verkauf von Grundstücken durch Hebung stiller Reserven gestützt. Diese Finanzierungsquelle würde bei strikter Grundstücks-Zukaufstrategie nicht mehr fließen. Die Devise muss heißen: „Halten, nicht verkaufen!“
Ein weiteres Instrument, von der BIMA erworbene Bauflächen und ebenso auch die 70 Wohnungsbaugrundstücke außerhalb der Konversion im kommunalen Eigentum zu halten, wäre die Vergabe von Erbbaurechten. Dazu muss der gegenwärtige, schon seit Jahrzehnten festliegende Erbbauzins von 4% deutlich gesenkt werden. Vor allem müsste das im 12-Punkteprogramm enthaltene Instrument, den Erbbauzins in den ersten 25 Jahren zu stunden bzw. auf Null zusetzen, aktiviert werden. Das würde den Eigenkapitalbedarf von gemeinwohlorientierten Bauträgern deutlich senken. Für Wohngruppen wäre dies angesichts der im Raum stehenden Bodenpreise fast eine Voraussetzung, sich überhaupt engagieren zu können. Für den Stadthaushalt wäre es eine hinzunehmende Belastung.
Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie. (überarbeitet 20.11.2018)